Desert Falcon Special Edition 2014

MangoLassi
18.09.2023 - 16:34 Uhr
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Der Wüstentraum

Drei Tage und drei Nächte war ich allein in der Wüste unterwegs. Mein Auge hat sich bereits an den endlosen Horizont gewöhnt. Die letzte Nacht war so kalt, dass das Wasser in meiner Feldflasche gefror. Als mich die sengende Hitze der Sonnenstrahlen weckte, machte ich mich in der Kühle des Morgens wieder auf den Weg. Umgeben von endloser Wüste suche ich mit meinen Augen nach einer Abwechslung. Was ist es? Ein Stein? Ein Kadaver? Oder erblicke ich eine Palme? Je näher ich komme, desto mehr Stämme erkenne ich. Ich gehe durch eine Palmenallee bis zu einem unbewachten Tor. Ich trete ein, vor mir eine Oase. Weiter innen steht ein Palast. Als ich mich nähere, eilt ein junger Mann mit einem Bastkorb voller Vanilleschoten auf dem Rücken an mir vorbei. Als ich den Prachtbau erreiche und durch den Eingang in die Halle trete, komme ich an fein geschnitzten Holzmöbeln vorbei, von denen Harz in der Luft hängt. Ein Vorraum führt über Marmorstufen in den Hamam. Düfte ätherischer Öle steigen auf. Im Nebenraum befindet sich ein Messingtisch, der auf Holzbeinen steht, die mit Ornamenten verziert sind. Durch die hohen Fenster zum Innenhof ragen Dattelpalmen bis unter die Decke des Speisesaals. Auf einer Etagere aus Kristallglas leuchten Granatäpfel, Pfirsiche und junge Feigen. Aus der Küche duftet es herb-aromatisch nach Safran und bildet eine unterschwellig würzig-scharfe Nuance, als ich durch das Treppenhaus gehe. Oben angekommen, empfängt mich eine offene Tür zum Schlafzimmer. Auf dem Holzparkett führt ein Perserteppich zum Himmelbett, wo hinter feinen weißen Leinentüchern eine nackte Frau auf perlmuttfarbener Seidenbettwäsche schläft. Ihre glatte braune Haut glänzt und duftet nach Macadamianüssen. Ihr schwarzes, gewelltes Haar fällt locker über ihre zarten Schultern und Brüste. An ihrem Hals duftet ein Tropfen Oud Elexir. Ihre Lippen schmecken nach Kastanienhonig. Auf dem Nachttisch aus Elfenbein steht ein Schmuckkästchen aus Mangoholz offen. Darin glänzen goldene Ketten und Ringe mit Edelsteinen im warmen Sonnenlicht. Durch das geöffnete Fenster trägt der Wind feuchte Luft über die hölzerne Türschwelle. Plötzlich frischt der Wind auf, bringt kalte Luft mit sich und weht den Duft des Orients davon. Die Frau zieht sich zusammen und ihr Brustkorb beginnt zu zittern. Plötzlich zuckt die Frau zusammen und sieht mich erschrocken an. Sie hat mich entdeckt. Scham überkommt mich und ich schrecke zurück, stolpere über das Geländer und stürze die Treppe hinunter. Bleierne Angst durchzieht mein Bewusstsein. Der Aufprall auf den Boden lässt mich zusammenzucken, als ich in meinem Zelt erwache. Der Mond leuchtet silbern und mischt sich mit dem Schwarz und dem tiefen Blau der Nacht. Draußen peitschen eisige Böen Tausende von Sandkörnern gegen die Zeltplane. In meinem Kopf blüht die Erinnerung an einen Traum, so warm und wohlig. Wie süß und selten schmeckte er... Dieser Wüstentraum.
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