Give Me Love

Eulenohr
01.12.2020 - 04:36 Uhr
8
Top Rezension
5
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft

Traumhafte Antibiose

In meiner Kindheit machte ich regelmäßig Bekanntschaft mit der allseits bekannten, wenig beliebten Mandelentzündung. So häufig, dass der Kinderarzt mich eines Tages mit wohlwollend-nachdenklicher Miene durch seine runden Brillengläser betrachtete und mir zu verstehen gab, dass diese kleinen Mandeln dort in meinem Hals wohl operiert werden müssten, käme es noch ein einziges Mal zu einem entzündlichen Vorgang. Mensch, hatte ich Muffensausen!

Von da an kam es nie wieder zu einem entzündlichen Vorgang in meinen wohl von nun an schockerstarrten Tonsillen.

Dennoch habe ich auch eine seltsam komische und vertraute Erinnerung an die Zeit meiner Mandelentzündungen, nämlich einen wunderbaren Duft. Einen Duft, den ich seither niemals mehr annähernd irgendwo in dieser Form wahrgenommen habe – den Duft des Antibiotikums in Form eines pinken, dickflüssigen, beinahe plörreartigen und melassigen Saftes. Dieser Saft kam immer dann zum Einsatz, wenn die lieben Mandeln so gar nicht mehr abschwellen wollten und die Erkrankung zu weit fortgeschritten war, um sie mit elterlicher Liebe, Schlaf und Tee zu behandeln. Und genau dieser Duft strich mir vor einigen Tagen um die Nase. Es war der Duft von La Rive – Give me Love.

In der örtlichen Drogerie roch ich mich durch die La Rive Reihe, angesiedelt eher im unteren Bereich der Warendarstellung und Regale, dort wo es günstiger zugeht. Aber nicht unbedingt weniger wohlriechend, wie ich schon häufiger feststellen durfte. Give me Love erschien mir im kleinen Flacon mit rosa-durchscheinendem Deckel eher unauffällig, aber gerade deswegen probierte ich ihn. Ich sprühte zwei Mal auf's Papier, einmal auf den Handrücken und begab mich vor das Geschäft, nach draußen, um ohne Einschränkung den Duft wahrzunehmen. "Wow....." murmelte ich laut vor mich hin. Eine Dame, die gerade den Laden betreten wollte, wandte sich entgeistert zu mir um. Der Geruch strich mir um die Nase, legte sich an diesem kalten, dunklen Novembernachmittag wie eine Decke aus pinken, fluffigen Wolken um meine Schultern und bescherte mir neben Erinnerungen an die vereiterten Mandeln auch ein Gefühl der Geborgenheit und Behaglichkeit sowie Heiterkeit.

Wenngleich Give me Love anfangs wie das Antibiotikum meiner Kindheit riecht, entwickelt sich das EdP doch in eine etwas blumigere Richtung. Ich kann keine einzelne Komponente ausmachen und nehme auch keinerlei Hauch von Kokosnuss oder Banane wahr, die ja doch ziemlich markant riechen könnten. Für mich beginnt der Duft eher sanft, süß, fruchtig und geht über in ein kleines Blütenbouquet. Wie eine Obstschale mit frischem, kühlem Obst, die man mit gerade gestutzten Blumen und Blütenblättern bestreut.

In jedem Fall tappte der Duft mit zu mir nach Hause und ich lege ihn alltäglich auf. Da sind auch für mich drei bis vier Spritzer nicht zu dick aufgetragen. Die Sillage und Haltbarkeit scheinen für den Preis ordentlich, da ich den Duft abends noch leicht auf der Haut wahrnehmen kann; er wird nach wenigen Stunden körpernah.

Für mich ist der Duft ein kleiner Geheimtipp mit Nostalgiefaktor.
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