Rive Gauche pour Homme 2003 Eau de Toilette

Version von 2003
Hybrid
06.04.2013 - 06:11 Uhr
13
Top Rezension
9
Duft

not so fuzzy Fougere

Fougere, ein Klassiker für Männer, ist ja sehr flexibel einsetzbar. Dieser Akkord passt zu vielem, selbst in geringer Menge. Hier muss er sich niemandem beugen. Der Duft ist ja selber ein Fougere, somit ist der Akkord selbst der Herrscher. Beeindruckend auch die Angaben der Duftpyramide, der Wahrheit sehr nah. YSL hat hier nicht viel verheimlicht. Nelke, Geranie und Anis sind ja die Überraschung hier. Aber der König ist der Rosmarin. Keine Bange vor staubigem Coumarin und Lavendel, sie sind eindeutig da, aber vom Lavendel nur höchstens zwei Bestandteile, und bringen ein bisschen blumige Luftigkeit rein, während Patch und Vetiver das Coumarin schon längst erledigt haben.

Ich spüre drei Phasen: einmal die holzig (Vetiver/Patch)-waldigsüße (Guajak) Moschusbasis, einmal darüber liegend ein würzig (Nelke/Anis)-blumiger (Geranie) Layer und als König darüber der Rosmarin. Und zwar der frappierende Rosmarin Verbenon, und das eindeutig. Natürlich ist hier keine Spur Natur enthalten und darf auch nicht. Der Verbenon ist trotzdem die Frische selbst. Wer ihn kennt, weiß, wovon ich rede. Hier wie gesagt ein Laborwunder. Und trotzdem ein Laborwunder, das die urwüchsige Fröhlichkeit des Verbenon eingefangen hat. Kein Zitrus könnte hier in meinen Augen dem Rosmarin das Wasser reichen. Ein sehr sinnvoller Verzicht auf zitrische Frische also.

Der Duft ist für mich so wie seine Flasche. Eine scharfe Architektur. Und außerdem: noch ein diskontinuierter Klassiker. Es ist meine Ansicht. Aber ich liebe den Duft, ich habe ihn von Anfang an geliebt, es war für mich ein Klassiker auf Anhieb. Ist es seine naturnahe Schlichtheit? Ist es der genau überlegte Einsatz von zwei-drei diffusiven Aldehyden? Keine Ahnung. Ich liebe seine Schlichtheit, seine Alltagstauglichkeit und seine dezente Präsenz. Von der Qualität der Materialien bin ich auch beeindruckt. Vor allem: zu so einem Preis. Gut, der Duft war nicht der Hit. Er hätte das in unserer Zeit auch nie werden können. Riecht das Parfum nicht nach Raumduft für den Puff, ist es heute so gut wie tot, sagte mir neulich ein freundlicher Verkäufer. OK, eigentlich habe ich das gesagt. Die Formulierung des Verkäufers kann ich hier auf keinen Fall wiedergeben. Es reicht, wenn ich sage, dass ich nach der Parfumberatung mit ihm stundenlang meine Kinnlade auf dem Boden gesucht habe.

Fazit: ein toller, frischer, kein bisschen fruchtiger (G O T T S E I D A N K) oder gar ambrierter Fougere mit all seinem Drumundran, d.h. mit dem üblichen dunkelwaldigen Fougere-Akkord, aufgehellt durch: ein bisschen Blume, mehr Gewürz als üblich, und endlich durch den Rosmarin gekrönt. Kein bisschen Gourmand, kein bisschen asiatisiert trotz Anis und Nelke (G O T T S E I D A N K), ein bisschen europäische Eleganz für jeden. Bleiben wir mal zur Abwechslung streng im europäischen Rahmen, es muss nicht immer schlecht sein. Jetzt atme wieder frei, mein Freund! An einer Frau würde ich das übrigens genauso lieben! Und nochmal übrigens: nichts gegen Asien, nichts gegen niemanden eigentlich. Aber diese Abwechslung hatte ich persönlich bitter nötig! Ein essentieller Spitzenduft. 90% ohne Bedenken. Sillage und Haltbarkeit...das Übliche: ich darf nichts dazu sagen, mir wäre es sowieso nie genug. Trotzdem: YSL, verdammt sollst Du sein, Du vermaledeiter Hund und alter Hautschmeichler! Noch ein Duft weg.
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