Nationale Duftvorlieben

Mir fiel früher schon bei "Bestseller-Listen"von Douglas auf, dass es -aller Globalisierung und EU-Einebnung zum Trotz- bei Parfums offenbar tendenzielle nationale Eigenheiten gibt.Natürlich eingedenk der Tatsache, dass es d i e Deutschen/d i e Franzosen/ d i e Briten usw. nicht gibt.Welche Beobachtungen habt ihr gemacht?

Ich habe längere Zeit in den USA gelebt und kann sagen, dass dort vorallem eine Vorliebe für frische, saubere, schlichte Düfte herrscht.

Beispiele wären...

Chanel Platinum Egoiste; bekannte Flanker großer Marken, die den Namen Sport inne haben (Chanel, Dior, Gucci), verschiedenste Sommerdüfte wie Aqua di Gio usw. Geradlinige Düfte, von denen man von vornherein sagen kann: Maskulin.

Erklärungen kann ich hier zum einen in der Sportfanatik finden. Sport in all seinen Formen ist mal ganz abgesehen von adipösen Menschen beliebt, wird vorallem auch zu High School oder College Zeiten betrieben; später dann vornehmlich im Fitnessstudio.

Zum anderen haben die meisten Amerikaner, welche keine Connoisseurs sind, allgemein eine no-nonsense Einstellung, welche sich wahrscheinlich auch auf den Duftgeschmack erstreckt. Orientalische, opulente Düfte schlagen hier nicht so gut an. Schlimmer noch Unisex oder gar zu feminie Düfte für Männer (bedingt durch ein klar binäres christlich geschlechterollen spezifisch geprägtes Geschlechterbild) kommen bei dem Durchnittsamerikaner nicht so gut an.

Oftmals musste ich mir anhören, dass ich tatsächlich einen sehr europäischen Stil habe, europäisch rieche- alles gleichzusetzen mit ein Tick zu chic für den US Alltag. Dabei bin ich im Sinne europäischer Standards kein Fashionfanatiker. Ich halte es lieber schlicht à la Steve McQueen. Nun gut...

Soviel zu meinem Eindruck über den US-Parfum-Geschmack.

Richtig schlimm finde ich z.B., dass viele amerikanische Nasen Sauberkeit mit Pappsüßem assoziieren. Vanille ist dort z.B. gleichbedeutend mit clean. Andererseits spricht fast jeder Ami beim leisesten Anflug von Zitrusnoten abschätzig von "Lemon Pledge", einer Möbelpolitur, die mittlerweile zu einem geflügelten Wort geworden ist.

Renate Lohse-Jasper widmet sich in einem Kapitel ihres empfehlenswerten Buches "Parfum - Eine sinnliche Kulturgeschichte" eigens der verschiedenen Duftwahrnehmung verschiedener Kulturen.

Ich treibe mich manchmal in Frankreich herum und beobachte die Leute, z.B. bei den Galeries Lafayette in Paris oder Nizza. Boss und Joop kennt da keiner (die Glücklichen!) und Lolita Lempicka und Nina Ricci sind seeeehr beliebt. Guerlain und Chanel und andere franz. Institutionen sowieso.

@TV15: Danke für den Lesetipp!

Meine Erfahrung:
Der Spanier an sich bevorzugt entweder sehr frische und zitrische Düfte, bzw. Colognes oder aber schwere orientalische und intensive Düfte. Dazwischen ist wenig Platz für anderes, was natürlich zu einen mit dem Klima, aber auch mit der Liebe für die Leidenschaft der mediterranen Länder zu tun hat.

Der Grieche hat einen ähnlichen Geschmack wie der Spanier, probiert aber mehr gerne aus und ist mutiger. Die Festlandgriechen sind sehr an neuen Trends interessiert und lieben die großen und bekannten Marken. Auf den Inseln ist natürlich auch das Sortiment in den Parfümerien kleiner...und es gibt in den Touristenhochburgen noch immer gefälschte Düfte zu finden.

Der Franzose ist tatsächlich seinen heimatlichen Marken sehr verbunden und kauft ungern "in anderen Ländern." Wie schon gesagt, speziell Guerlain ist bei klassischen Kunden "mehr Wert."

Ich war im März zum ersten Mal eine Woche in Stockholm, ich glaube der Duftmarkt in Schweden ist nicht so ausgeprägt. Natürlich findet man die meisten Marken in den Kaufhäusern, aber auch nicht alle Düfte der jeweiligen Marken. Separate Parfümerien sind eher selten.

Die Japaner bevorzugen sehr klare und reine Düfte (aquatische Noten, weiche Blumendüfte) die nicht sonderlich intensiv sind. Dort beduftet man sich eher zusätzlich mit Körperpuder oder Cremes ...

Hoffentlich plaudert Florblanca zu den Spanischen Vorlieben noch etwas aus dem Nähkästchen...

Ja, die Japaner.... DeepRiver hat es schon auf den Punkt gebracht. Sie lieben es ganz rein. Die Duftauswahl vor Ort ist auch nicht wirklich vielschichtig. Die Counter der europäischen Marken in den großen Kaufhäusern in Tokio sind bombastisch. Wer Japan kennt, weiß das Platz/Raum ein wahrer Luxus ist und ich frage mich, was Chanel,Dior,Guerlain wohl für Standmieten zahlen müssen. Bemerkenswert empfand ich die Aufteilung der Counter. Vielleicht wird 10 % dem Duftbreich gewidmet, Pflege nimmt den größten Teil ein. Das Sortiment beschränkt sich auf 1 Zerstäubergröße (kleineres Format 50 bzw. 75ml) und die Extrait's, die sicherlich nur des Status wegen gekauft werden. (Vielleicht gönnt man sich einen Tropfen zum Kirschblütenfest?).
Bei Hermés in Ginza/Tokio werden alle Hermessencen angeboten. Hier kennt die globale Verkausstrategie kein Pardon.
So wird auch"Hermèssence Brin de Réglisse"angeboten. Japaner hassen Lakritze und Touristen dürften bei den japanischen Preisen ( gut 25% über unserem Verkausfniveau) wohl auch nicht in Kaufrausch fallen.
Bei unseren Nachbarn in Polen sieht die Sache schon wieder ganz anders aus.
Hier werden die blumigen,süßen Noten bevorzugt. In Warschau wollte ich meinen Augen nicht trauen, als ich eine Regallänge von gut 2 Metern - voll gefüllt mit"Champs Elysées"- entdeckte............

Ich kann Coriolon nur beipflichten, ich kenne einige Japaner hier in Düsseldorf und obwohl seeeehr markenorientiert, lieben sie keine typisch europäischen Düfte, sondern eher liebliche Blütendüftchen, frische, dezente und unsüsse. Eine Polin kam heute zu mir und hielt mir Blasé von Fabergé (oder war es Max Factor?) unter die Nase, der scheinbar in Polen noch auf dem Markt ist, ein wahrer Wumms-Duft. Ich kenne ihn aus den 80ern und konnte ihr aber trotz weitreichender Beziehungen nicht weiterhelfen, denn selbst die nelken- und zimtlastigsten Düfte kamen nicht an ihn heran.

TVC15 Danke für den Tipp!

Blasé war von Factor. Ist hier seit gefühlten hundert Jahren aus den Regalen verschwunden.
Ich habe ihn noch in der Nase, weil er bei meiner Mama im Bad rumstand.

habe ihn im Internet gefunden, ist noch / wieder auf dem Markt und ein Renner in Polen, diesmal von Eden Cosmetics. England.

Ich werd mal Flori wach rütteln, damit sie was zu spanischen Düften sagt. Floriiiiiiiiiiiiii

Wach bin ich schon lange, bin nur jedes Mal, wenn ich antworten wollte, aus dem Forum rausgeschmissen worden auf die Homepage zum Einloggen. Ich WAR aber eingeloggt....

OK, nationale Duftvorlieben von Spaniern:

Spanier mögen es frisch und leicht, es darf nicht zu zitrisch sein, dass sich das Gefühl einstellt, man habe sich mit Zitronensaft übergossen, auch nicht zu heftig blumig, weil schnell zu süss und zu stark. Überhaupt mögen Spanier keine opulenten Düfte, die kilometerlange Fahnen hinter sich herziehen.

Sie schweben gerne in einer frischen, leichten Duftnote, die um die Person herumtanzt wie eine Wolke umgibt.

Das zeigen auch die spanischen Düfte, ausser vielleicht Hechizo von Victorio & Lucchino kenne ich keinen, der opulent, süß, divenhaft wäre. Düschen keine Chance für Wummser, Chypres aber schon. Die Frische fon Chypres ist sehr beliebt. Daher auch der grosse Erfolg von TOUS, der auch ein Chypre ist.

Am liebsten mögen die Spanier, vor allem die Andalusier, Düfte wie Agua de Rocío von Victorio & Luchchino. In diesem Duft sind die Leichtigkeit, Farben und die Blüten Andalusiens eingefangen, mit ein wenig Mandarine. In diese Richtung gehen auch die meisten sog. Splashes, die in Spanien literweise erhältlich sind für sehr wenig geld, angenehm frisch und sauber duften.

Danke Flori, das hatte ich auch schon mal gehört. Was mich aber etwas erstaunt. Im Prinzip sind es ja temperamentvolle Menschen, da habe ich fast erwartet, daß die auch gehaltvolle Düfte tragen.

In der Türkei sind frische Colonias auch sehr beliebt, aber bei den hiesigen türkischen Männern rangieren Joop Homme, 1 Million und Armani Code ganz vorn, und die sind meilenweit entfernt von frisch!!! Paradox?

Ich kenne von Tous nur den mit dem goldenen Top und der ist frisch, und habe mal Carmen von Victorio + Lucchino gehabt, der war auch frischhhhhhhhhh. Aber mein Lieblings-Spanier ist Antonio Banderas, äääh, ich meine GALA von Loewe, und das ist ein megamässiger Wummser. Deshalb würde ich auch gern mal Hechizo testen....

Stimmt, Gala hatte ich vergessen. Es gibt davon aber auch eine abgeschwächte Sommerversion. Sicher gibt es solche Wummser-Ausnahmen auch in Spanien, aber die bestätigen nur die Regel. Einen solchen Duft legt eine Spanierin nur am Abend auf, wenn sie gross ausgeht. In den Großstädten wie Madrid oder Barcelona ist es sicherlich ein wenig anders, da es hier auch deutlichere "Jahreszeiten" gibt. In Andalusien, wo die Sonne wirklich 360 von 365 Tagen scheint, sind Wummser nicht so beliebt. Andalusierinnen tanzen gerne Sevillanas (die "volkstümliche" Version des Flamenco, den jede Andalusierin beherrscht, weil sie ihn bereits mit der Muttermilch aufgesogen hat) und keine Andalusierin würde zu Sevillanas einen Wummser tragen, denn dann würde sie schon nach kurzer Zeit wohl allein auf der Tanzfläche stehen. Sevillanas ist aber ein Gesellschaftstanz.

Hier ein paar der tollen Düfte, von denen ich einige auch habe:
"Agua de Rocío", "TOUS", "TOUS L'Eau", "Flores Frescas", "Azahar" (dieser ist ein absoluter Traum, vor allem sein Verlauf ist super), "TOUS Touch", "Holloween"... nur um einige zu nennen.
Anspruchsvoller ist "Tardes" von Carner Barcellona, ein Superduft, den ich kurz angetestet habe und dem ich mich noch intensiver widmen muss.

Bei den Herrendüften ist der Geschmack ähnlich, aber es darf ruhig auch Würzig sein, nicht jedoch orientalisch. Z. B. "HOMBRE" von Victorio & Lucchino fällt in diese Kategorie, dann sind da aber auch "TOUS Man", "Quasar" und ähnliche.

Merkwürdigerweise sieht man nur relativ wenige spanische Düfte in Deutschland.Nach welchen Prinzipien die Auswahl erfolgt, ist mir schleierhaft.

Ja, leider Esther. Ich liebe sie sehr. Sie passen wunderbar in mein Beuteschema - bis auf wenige Ausnahmen. Ich besorge sie mir über Händler direkt aus Spanien und fahre damit exzellent.

Zum Glück gibt es parfumo und man kann sich kundig machen.

Wie sieht es in Tschechien mit Duftvorlieben aus?

Temperamentvoll sind sie, das ist schon richtig, und die Männer sind - zumindest nach aussen - absolute Machos. Aber sie sind auch sehr bodenständig und unterstreichen das gern, als es mit opulenten Düften zu bedecken.

Schatzilein, die mögen ähnliches wie wir, können sich das meiste aber nicht leisten. Ich schicke meinen Cousinen und meiner Tante dann immer Düftchen von hier. Die werden wie ein Schatz behandelt und nicht ganz so oft getragen, damit sie lange halten.

Die Geschmacksunterschiede sind da aber nicht so gross, es darf aber gerne auch etwas wummsiger sein.

Ich könnte noch die Duftvorlieben unserer ehemals russischen Besatzer bzw. der Ehefrauen der Offiziere, die bei uns um die Ecke wohnten bis 1992, mit einbringen. Ob das nun bloß damals so war oder heute noch so ist, weiß ich nicht.
Die Damen, allesamt sehr adrett und charmant, trugen sehr schwere und sehr süße Düfte. Sommer wie Winter. Wenn sie einkaufen waren, hat man sie noch nicht gesehen, aber man hat sie gerochen. Körpernah war da nicht.