Binilini
Binilinis Blog
vor 6 Jahren - 25.02.2018
12 61

"Der Duft der Handtasche"

Es ist keine schöne Zeit für mich in den letzten drei Monaten gewesen. Erst ist Ende November meine Mutter, dann Ende Januar mein Vater gestorben. Und man fängt an, die Erinnerungen an schöne Augenblicke wie auf dem Boden verteilte Perlen einer gerissenen, wertvollen Perlenkette aufzulesen. Jedes zurückgebliebene Teil öffnet ein Fenster zu Erinnerungen an Gesten, Gewohnheiten, Unterhaltungen und gemeinsame Erlebnisse.

Und ein Auslöser für eine Gedankenreise war die Handtasche meiner Mutter, welche sie nur für den Sommerurlaub verwendete. Ich habe die Handtasche weit hinten in ihrem Kleiderschrank gefunden. Eine weiche, qualitativ hochwertige, braune Ledertasche, welche schon deutliche Gebrauchsspuren aufwies. Ich öffnete sie. Das erste, was mir entgegenschlug, war der intensive Duft, der dieser Tasche entwich... Muttis Parfum.

Nein, nicht ein einziges. Es war mehr ein Gemisch aus ihren Parfums. Das Erlebnis war so eindrucksvoll und intensiv, dass mir die Tränen kamen. Es ist, als ob Muttis Geist aus der Handtasche entstieg und sich in einer Wolke aus Parfum manifestierte. "Ach ja, Mutti. Das war so eine interessante, schöne Zeit damals in Spanien." Wir hatten zusammen so viel entdeckt, erlebt und gekauft. Und uns gemeinsam über die Errungenschaften gefreut, so dass durch diese gemeinsame Freude die eigene um ein Vielfaches verstärkt wurde. In der Tasche waren viele Quittungen und Bons der Käufe zu finden und auch ein Halstuch, das sie getragen hat, wenn es windig war.

Ich ließ die Tasche dann offen in meinem Zimmer stehen. Sie duftete noch etwa vier bis fünf Wochen so intensiv. Dann ist auch der Duft so langsam zurückgegangen. Im Badezimmerschränkchen standen noch ein paar Flakons. Muttis Düfte... Ihre ganz eigene Richtung. Stark, herb und eine Duftnote, die ich bis dahin noch nicht benennen konnte, welche aber in vielen ihrer Parfums vertreten war. Was ist das?

Ich forschte nach und stieß auf parfumo. Anhand der Namen der Parfums fand ich heraus, dass sie vor allem die klassischen Chypre wie Calèche von Hèrmes gemocht hatte... und... Moschus! Am besten in Kopf-, Herz- und Basisnote. Wie in Pradas Candy kiss.

Ich mag andere Düfte. Mehr die Gourmands aber auch nicht zu süß. Moschus finde ich inzwischen auch ganz gut, elegant und weiblich. Aber nur im Zusammenspiel mit anderen Duftnoten. Muttis Parfums kann ich nicht tragen. Nicht, dass ich sie schlecht finde. Das Candy kiss gefällt mir sogar relativ gut. Aber diese Parfums gehören zu Mutti. Alle. Wenn die Luft nach ihnen duftet, muss Mutti da sein.

Es ist irgendwie verrückt. Duft und Person gehören zusammen. Der Signaturduft! Man wählt ihn aus, trägt ihn und er gehört zu einem. Nicht nur einer. Sogar mehrere. Und diese verbinden uns sogar über den Tod hinaus mit dieser Welt und den Menschen, die wir zurücklassen.

12 Antworten