Cardea
Cardeas Blog
vor 3 Monaten - 11.02.2024
57 89
Quo vadis? Oder: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Quo vadis? Oder: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Der Text für diesen Blogartikel liegt in seinen Grundzügen bereits so einige Wochen vor mir und ich schwankte immer zwischen „Ach, wozu, was willst du denn damit erreichen?“ und „Mit so einem Artikel outest du dich doch nur endgültig als Ewiggestrige.“ Nun fiel der Entschluss, ihn -überarbeitet- zu veröffentlichen, aber zunächst gibt es eine Vorgeschichte.

Heute Morgen bekam ich eine PN. Ja gut, private Nachrichten bekomme ich natürlich immer mal. Oft sind es einfach nette Worte, die sich ergeben. Zur Sammlung, zu einem Tausch oder Kauf, über den gemeinsamen Geschmack oder durch Rat, den man sich gegeben oder geholt hat. Ab und zu habe ich auch schon mal Post zu meinen Forenbeiträgen bekommen: meist bestätigend, hin und wieder auch im Kern kritisch, aber ausnahmslos freundlich und wertschätzend.

Also zurück zum heutigen Morgen. Ich erhielt folglich eine PN. Genaugenommen drei, alle verfasst mit einigen Minuten Abstand und alle nicht besonders lang und etwas zusammenhanglos. Da ich nicht aus einer privaten Kommunikation zitiere, möchte ich die Kernaussage wenigstens sinngemäß wiedergeben.
Mir wurde dort also gesagt, dass ich das Forum nutzen würde, um meinen Frust an der neuen Generation abzulassen. Man wies mich darauf hin, dass die neuen Mitglieder die Zukunft seien und es immer mehr werden würden. Dass immer die gleichen (wie ich?) bestimmte Threads dominieren würden und dort gehässig seien. Und dass es User gäbe, die gezielt zum Spaß derartige Threads (ich ahne welche, es wurde aber nicht benannt) erstellen würden, um uns (also Menschen wie mich? Wurde ebenfalls nicht spezifiziert) zu provozieren und sich über deren Reaktion lustig zu machen.

Bevor die Frage kommt: Nein, ich habe nicht auf die Nachricht geantwortet. Ich war sprachlos. Nicht über die Kritik, die nebenher irgendwo in den wenigen Zeilen verborgen lag, denn der mag ich mich durchaus stellen. Denn auch ich frage mich, ob es einen Wert hat, sich hier überhaupt noch zu positionieren und ein Bild von Parfumo zu verteidigen, welches ja zum einen nur in meinem Kopf vorhanden ist, auf das ich zum anderen überhaupt keinen Anspruch habe und das sich - so traurig es ist - tatsächlich vorwiegend aus vergangenen Zeiten speist.

Also wozu das alles? Es ist doch am Ende der Job der Moderation und nicht meiner, nicht wahr? Und dass hier eher ein Thread mit einer technischen Frage oder einer kritischen Anmerkung gelöscht wird, als der drölfzigste Beastmode-Thread sollte doch auch mir Signal genug sein, dass meine Vorstellung von Parfumo vielleicht schon seit längerem gar nicht mehr so deckungsgleich mit der Vorstellung der Betreiber ist. An diesem Punkt sollte man dann eventuell irgendwann schauen, ob sich ein Ort noch gut anfühlt oder nicht - anstatt sich an den Umständen abzuarbeiten, die man ohnehin nicht alleine und gegen den Wunsch der Mehrheit ändern kann. Am Ende sind sonst beide Parteien nur noch genervt voneinander und der Mehrwert bleibt auf der Strecke. So weit zu meiner Selbstreflexion.

Ich war also sprachlos, weil die PN und deren Schreibstil inklusive der Rechtschreibfehler und des infantilen, verächtlichen Untertons sich einreiht in alles, was ich in den vergangenen Monaten hier beobachte und bedauere. Da sind die Massen an nichtssagenden Statements, KI-Rezensionen, all die beknackten Threads, die sprachliche Unfähigkeit, fehlende Raffinesse und mangelndes Interesse… Konflikte und Debatten hat es früher schon gegeben, alleine mir fehlt die Kultur heute in all diesen Banalitäten.

Und ja, vielleicht bin ich alt, denn ich halte es tatsächlich unter anderem für ein Alters- und Reifeproblem verbunden mit dem Hype, den Parfum in den letzten Jahren erfahren hat. Und nein, es waren früher auch nicht alle jungen Menschen reifer und schlauer. Auch wir hatten mit 20 vermeintlich die Weisheit mit Löffeln gefressen und belächelten alle Ü30-Spießer. Nur hatten wir glücklicherweise kein Smartphone, um dieses wie ein Schild vor uns hergetragene Selbstbewusstsein, welches doch nur dazu diente, möglichst effektiv unsere tief in uns liegenden Ängste und Unsicherheiten abzuschirmen, überall über IG, TikTok und Co. in die Welt zu blasen und konnten in Ruhe erwachsen werden.

Was bedauere ich also? Diese Emotionen, resultierend aus Unsicherheiten und Selbstfindungsphase haben sich findige Wirtschaftspsychologen zunutze gemacht und nun stehen wir da wo wir stehen. Und ich fühle mich hier bei Parfumo manchmal so, als würde ich mich in einem Forum der Markenbotschafter und unbezahlten Influencer befinden, die sich nur noch um sich selbst drehen und erwarten, dass so ein Forum ihnen gefälligst etwas liefert. So wie der Content bei TikTok dir eine bezahlte Kooperation und das neueste Parfum gefälligst auch ne ordentliche Performance abzuliefern hat, sonst ist das alles nichts wert.

Mir war Parfumo aber immer so viel mehr wert.  Es war der Austausch, die Anregungen, das geteilte Wissen, die Intelligenz und der Witz so vieler Mitglieder. Es ist wie mit den leisen Parfums. Oder der Drogerieware. Oder den schönen Düften in den unauffälligen oder gar hässlichen Flakons. Sie hatten alle ihren Platz und die Menschen, die sie zu schätzen wussten, für das, was sie sind.
Die PN heute hat mich traurig gemacht, weil ich realisiere, dass hier möglicherweise etwas zu Ende geht und ich loslassen sollte.

P.S. Der Blogbeitrag ist vielleicht auch ein Stückchen Trennungsverarbeitung, also seht es mir nach, wenn sich manches zu wenig differenziert oder zu generalisiert liest. Jede Ausnahme von der Regel lässt sich nun mal nicht immer benennen, aber seid sicher, ich nehme auch diese Ausnahmen wahr und schätze sie sehr.

Aktualisiert am 12.02.2024 - 07:35 Uhr
57 Antworten