HasenNase
HasenNases Blog
vor 3 Monaten - 01.02.2024
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Empathie in der Parfümerie

Die folgende Geschichte hat mich lange Zeit verfolgt, deswegen denke ich wohl bis heute immer wieder daran und hab sie hier auch schon an diversen Stellen erzählt. Da kann ich sie doch mal im
Blog notieren …

1990. Der kleine Torsten, mit gerade 19 Jahren noch jung und unschuldig – naja, zumindest jung – zieht in die „große“ Stadt Frankfurt am Main (gegen mein heutiges Berlin winzig) um seinen Zivildienst abzuleisten. Körper-Beduftung gab es bis dahin nur wenig. Meist in Form von Rasierwasser, meist günstige 0815-Abfüllungen aus der Drogerie, die halt irgendwie gebrannt haben und kurz nach Alkohol rochen. Vielleicht auch mal was mit Label zu Weihnachten von der Oma, da gibt es keine Erinnerungen mehr.

Ich hab dann einen Klienten betreut, der hatte ein ganzes Badezimmer voll mit Parfüm-Flakons (ja: „man stellt sie nicht ins Bad“, weiß ich heute auch). Sehr zu meinem Leidwesen musste ich die einmal die Woche komplett abräumen, alles wischen und wieder einräumen. Aber es hat meine Erinnerungen geweckt an frühere Jahre, so sechste/siebte Klasse, als ich mit Freundinnen (es waren immer Mädchen) in Freistunden durch die Geschäfte der Kleinstadt getingelt bin und Aufkleber und Parfümproben gesammelt habe. Man hat die Proben ohne weiteres geschenkt bekommen, sogar richtige kleine Miniatur-Flakons! Das roch ja eigentlich auch immer sehr interessant, dachte ich dann so beim Putzen. Die Erinnerung an die ganzen Unterschiede und dann auch die Möglichkeit jetzt wieder an den diversen Flakons zu riechen, hat mich wieder an das Thema heran gebracht. Nicht sehr tiefgehend, sondern eher durch Lifestyle & Werbung geprägt. Ich hatte dann Paco und Kenzo und was mir so geschenkt wurde. Es war ein vielversprechender Start.

Eine Freundin schenkte mir dann Le Bain (Joop!), weil sie den nicht mehr mochte. Und ich hab den rauf und runter getragen. Für mich das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, etwas „professionelles“ zu tragen, ich fühlte mich ganz edel. Keine Ahnung warum, Paco war mit Sicherheit teurer und ja auch „professionell“, kam mir aber nicht so vor.

Als der kleine Flakon zur Neige ging, bin ich todesmutig in eine echte Parfümerie hinein gegangen. Das hat mich viel Überwindung gekostet, weil „das sind da ja alles Expert:innen“ und „große Kenner:innen“ und „man darf sich da ja auf gar keinen Fall durch Unwissenheit blamieren“. Und es passierte, was passieren musste: Ich hab gefragt, ob es Le Bain auch als Rasierwasser gibt. Die Dame vor mir, sichtlich erschüttert, blickt mich an und schreit förmlich durch das Geschäft: „DAS IST EIN DAMENDUFT!“.

Ich bin, vermutlich knallrot, aus dem Laden gerannt und habe dann für locker 15 Jahre keine Parfümerie mehr betreten und das Thema komplett abgelegt. Heute ärgert mich, dass ich da so viel Zeit verloren habe. Dass ich so schüchtern war, da so schnell klein bei gegeben habe (ich hätte einfach: „Ja. – Und?“ antworten sollen). Und dass ich da auf eine so dermaßen unempathische Frau gestoßen bin. Als queerer Mensch (ich meine damit mehr als „schwul“) ist mein Blick heute sowieso viel breiter als dieses ewige „für Damen“ und „für Herren“, wer legt das denn fest? Ich hab jedenfalls vor ein paar Wochen wieder einen kleinen Flakon Le Bain erstanden, und auch wenn ich heute den Duft anders bewerte (und bewerten kann) als damals, ich rieche ihn hin und wieder recht gerne.

Aktualisiert am 01.02.2024 - 16:18 Uhr
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