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Kadderls Blog
vor 9 Jahren - 15.05.2015
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Neulich in Bari - ein Duftspaziergang in drei Teilen (Teil 2)

Zweiter Teil und zweiter Stop des Spazierganges: Absolutes Must für parfuminteressierte Bari-Besucher. Ich würde sogar sagen, allein der Besuch in “San Nicola Officina dei Profumi e degli Odori” ist einen Besuch in Bari wert.

Als erstes renne ich fast an der Via Dante 120 vorbei, so unauffällig sind Ladenschild und Schaufenster. Das Ladenlokal selbst ist klein, wirkt aber durch die einfache und übersichtliche Einrichtung viel größer. Hinter dem großen Kontor gleich links vom Eingang sitzt eine zarte, hübsche junge Frau, die mich freundlich begrüßt. Es ist Luciana Pice, die Inhaberin von Officina San Nicola. Ich sage ihr wahrheitsgemäß, dass ich schon länger bei ihr vorbeischauen wollte, und dass ich die bin, die neulich in ihrer Abwesenheit angerufen hat - ich hatte mit ihrem Mitarbeiter gesprochen um meinen Besuch anzukündigen, der ihr tatsächlich von mir erzählt hat. Das ist selten, denn Telefonanrufe oder e-mails von “kenne ich nicht - keine Ahnung was die will” werden in der Regel umgehend und nachhaltig ignoriert. Statt einzufrieren wird ihr Lächeln breiter, sie wirkt erfreut und widmet mir bereitwillig knapp zwei Stunden ihrer Zeit, auch in die Mittagspause hinein, um von ihrer Leidenschaft für Düfte, Gerüche und überhaupt alles, was mit Sinneswahrnehmungen zu tun hat, zu berichten.

Sie bittet mich in das kleine, intime und gemütliche Separée, in dem sie ihre Kunden persönlich berät und lädt mich ein zu Espresso und Gebäck und einen Ausflug in die Welt der exklusiven Nischenparfumerie, aber auch in die Alltagsgerüche Apuliens, von denen sie erzählt. Die Früchte, das Meer, die blühenden Bäume und Blumen, das Essen.

Ihre ganze zarte Person leuchtet vor Begeisterung, wenn sie mich mit ihren Geschichten auf ihre Events mitnimmt: die olfaktorische Buchbesprechung letzten September, die Weinprobe in Troia, die Schulklassen auf Schnupperkurs, die Laura-Mercier-Kosmetikpräsentation (übrigens ist die Verwendung eines Primers vor dem Auftragen von Puder und Rouge absolut zu empfehlen).

Sie lacht, als sie vom Besuch von “Nasomatto” Alessandro Gualtieri berichtet, bei dem sie sich bis zum letzten Moment nicht sicher war, ob er auch kommen würde und der dann fröhlich und seltsam gekleidet die Anwesenden in seinen Bann gezogen hat, an Damen-Achseln schnupperte und einer Frau auf den Kopf zusagte, er könne riechen, dass sie schon lange keinen Sex mehr hatte. Am Ende des Abends, als niemand nach Hause gehen wollte, nimmt er kurzerhand alle mit ins Restaurant (einen guten Eindruck von Alessandro Gualtieri bekommt man übrigens auf den Intros seiner Webseiten).

Ich darf die Bilder vom Abend mit Gabriella Chieffo ansehen, die hochkarätige Ingegneurin aus Neapel, die sich in den Salent verliebt hat und jetzt in Lecce lebt und arbeitet, und ich bekomme einen kleinen Umschlag mit Proben von allen ihren Düften.

Im Laufe ihrer lebhaften Erzählung erfahre ich auch viel über Luciana selbst: sie ist das jüngste von acht Kindern und ist in Bitonto (nördlich von Bari) aufgewachsen. Sie hat nicht studiert, denn ihr Studium in Mailand endete ebenso aprubt wie die Liebe, die sie dorthin geführt hatte. Sie hat sich schon früh auf eigene Beine gestellt und obwohl sie schon immer die Welt über die Nase erfahren hat (“Als Kind schnupperte ich immer an allem, und mache es heute immer noch so, wenn ich zum Beispiel im Obstladen einkaufe”), arbeitete sie nicht immer im Duftsektor, sondern war unter anderem eine zeitlang im technischen Bereich für eine Sicherheitsfirma tätig. Ihren Urlaub nahm sie dann in der Weihnachtszeit, um in Parfümerien zu jobben und auszuhelfen. Bevor sie sich 2013 mit der Officina dei Profumi, der “Duftwerkstatt”, selbständig machte, arbeitete sie im Vertrieb von Vuitton und Guerlain und reiste viel durchs ganze Land.

Sie erzählt mir von den Schwierigkeiten und Widerständen, mit denen sie beruflich und privat zu kämpfen hat, in einer Stadt, in der eine Krähe gerne mal der anderen ein Auge aushackt und in der Männer und Schwiegermütter dem Konzept “selbständig arbeitende Frau” null Verständnis und Toleranz entgegenbringen.

Die “Officina dei Profumi e degli Odori” ist mehr als ein Geschäft mit seltenen Edelmarken (Orto Parisi, Gabriella Chieffo, Aedes de Venustas, Fueguia, Parfumerie Generale, um nur einige zu nennen), mehr als ein Projekt, es ist die Verwirklichung eines Traumes: ihre Kunden auf Duftreise mitzunehmen, sie zu begleiten und helfen, ihren Duft für die verschiedenen Gelegenheiten des Lebens zu finden, der ihrer Persönlichkeit am besten entspricht. Dafür hat sie sich den “Duftpass” ausgedacht, in dem sie die bisher benutzten Parfums erfasst und aufgrund der enthaltenen Noten und des so ermittelten “Duft-Persönlichkeits-Profils” eine Liste von möglichen Test-Kandidaten aufstellt, die mit dem Kunden ausprobiert werden.

Am Ende bekommt der Kunde Duftempfehlungen für morgens, tagsüber, abends, besondere Gelegenheiten und für Raumdüfte (unter Berücksichtigung der übrigen Haushaltsmitglieder).

Das Angebotsspektrum geht weit über Flakons und Diffusoren hinaus, der Kunde darf im Geschäft, bei den Events und Ausflügen experimentieren, erleben, entdecken und die Erlebnisse mit anderen teilen.

Das ganze lebt natürlich von Lucianas Persönlichkeit, ihrem Charme, ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, ihrer Leidenschaft und Begeisterungsfähigkeit und nicht zuletzt ihrer offenen, freundlichen und gewinndenen Art, auf Menschen zuzugehen. Man merkt ihr an, dass sie nicht die Gewinnmaximierung in den Vordergrund stellt, sondern das Verhältnis zu ihren Kunden und zu ihren Geschäftspartnern. Das spiegelt sich in der Tatsache, dass sie keine neuen Marken aufnimmt, die in Kontrast oder Konkurrenz zu den bereits vorhandenen stehen. Das erzählt sie selbst, und auch, dass ihre Freunde ihr oft spaßeshalber die Frage stellen, ob sie überhaupt etwas verkaufen will, so oft läßt sie die Leute wieder gehen, mit nur ein paar Testsprühern auf dem Arm.

Das merke ich selber, denn in der ganzen Zeit, die wir plaudernd verbrachten, hat sie nur einen einzigen Duft versprüht – um zu illustrieren, wie gut die Most-Aromen von Fueguias Neuem zu den Weinen aus der “Nero di Troia”-Traube passen.Sie hätte, getreu dem Motto “auch der unwahrscheinlichste Kontakt ist gut für einen Sale”, jede Menge Gelegenheit gehabt, mich zum Kauf eines Duftes zu verführen – und glaubt mir, es hätte nicht viel Geschick und Überzeugungskunst gebraucht! Stattdessen hat sie mich allen Freunden vorgestellt, die kurz im Laden vorbeikamen, und mir ihren nächsten großen Traum verraten: einen eigenen Duft zu kreieren.

Fazit Parfümerie: Zur nächsten besonderen Gelegenheit (und wenn ich genügend Kleingeld auf die Seite gelegt habe), möchte ich unbedingt eine von Lucianas Parfumberatungen - den Dufteinkauf zelebrieren und wertvolle neue Schätze mit nach Hause tragen. Bis dahin werde ich mich damit begnügen, von Zeit zu Zeit einem der Events beizuwohnen, die Luciana regelmäßig veranstaltet.

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