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vor 6 Jahren - 22.01.2018
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Von Noten und Akkorden

Viele beschreiben Düfte oft mit Farben. Das ist auch praktikabel, denn bestimmte Gerüche lösen farbliche Assoziationen im Kopf aus. Leider stößt man hier recht schnell an Grenzen, denn wenn jemand einen Duft noch nie gerochen hat, kann man ihn damit nicht näher beschreiben. Versuchen Sie spaßeshalber einmal zu beschreiben, wie gelb aussieht! Merken Sie was? Das geht nicht. Farben, zumindest die Grundfarben, sind Grundbausteine. Orange kann man noch beschreiben als Mischung aus gelb und rot, aber wie beschreibt man nun rot? Rot ist rot. Wie ein Punkt. Den kann man auch nicht beschreiben. Ein Punkt ist ein Punkt. Punkt.

Zur weiteren Detaillierung der Beschreibung von Düften kann man nun Bilder heranziehen. Ein grüner Duft wird genauer umrissen, indem man sagt, er röche beispielsweise nach Wald, Moos oder Wiese. So kann man einen Duft recht gut umschreiben.

Aber eine große Lücke bekommen wir damit nicht gestopft. Den Charakter. Es gibt Düfte von Zitrus und Farn, die hat gefühlt jeder zweite im Schrank (zu Recht!) und es gibt Düfte von Zitrus und Farn, da läuft (ebenfalls zu Recht!) jeder zweite davon! Obwohl sie in der rein visuellen Beschreibung praktisch identisch sind.

Was mir persönlich dann immer hilft, ist der Vergleich mit Musik.

Duft und Musik. Beides wird komponiert und besteht aus Noten, welche, zumindest meistens, Akkorde bilden. Beides hat einen Verlauf, Anfang und Ende und ist in Abschnitte zerteilbar. Für beides gibt es eine Harmonielehre, ein Grundgerüst, welches das Zusammenspiel regelt.

Für mich ist ein Duft immer wie ein Stück Musik. Er kann sehr harmonisch sein oder absichtlich provozierend. Also A-Dur oder Zwölftonmusik. Ein Duft kann wahnsinnig facettenreich und ausgefeilt sein, wie eine Sinfonie, oder einfach und knackig wie ein Punkrocksong.

So trennen wir auch quasi instinktiv Düfte für den Tag und den Abend. Tags hört man eher leichte Popmusik, während es Abends gerne das ganz große Orchester sein darf.

Und mit diesem Gedanken möchte ich zu den Düften überleiten, die ich in den letzten Jahren lieben gelernt habe. Unter Musikern nennt man das „Klein-Klein-Musik“. Die Besetzung ist klein. Die Bearbeitung ist klein. Die Komposition klingt einfach, auch wenn sie es oft nicht ist, denn jede Note hat hier großes Gewicht. Es wird ganz leise gesungen, manchmal fast geflüstert. Und gerade deshalb hat jede Stimme und jedes Instrument sehr viel „Platz“. Hier hört man sofort jeden kleinsten Fehler und erkennt gleichzeitig wahre Größe. Eine wirklich große Stimme erkennt man daran, dass sie immer mehr wirkt, je kleiner sie sich macht.

Im vorbeigehen nimmt man von solcher Musik kaum Notiz, doch nimmt man sich etwas Zeit und hört genau hin, weckt sie Emotionen, fesselt und entfesselt, steckt voller Magie und ist vor Allem eines: unnachahmlich.

Falls Sie noch kein Beispiel im Kopf haben, hören Sie hier, besonders am Anfang, einmal rein:

https://m.youtube.com/watch?v=GsPq9mzFNGY

Übertragen auf die Welt der Düfte decken für mich hauptsächlich die Barbershop-Colognes genau diese Nische ab.

Sie kommen nicht mit Pauken und Trompeten daher gepoltert. Im Vorbeigehen nimmt man sie kaum wahr. Sie sind eher für den Träger selbst gemacht, als für großes Publikum. Klein-Klein-Parfüm. Wenig Zutaten. Dafür aber die besten. Wenig Lautstärke im Sinne von Abstrahlung. Wenig Glättung. Platz für die einzelnen Komponenten.

Als Gegenwert fürs Geld bekommt man hier vielleicht nur wenig Konzentration an Duftstoffen, jedoch zusätzlich fast immer ein Lächeln mitgeliefert. Oder auch mal etwas Wehmut. Je nach dem, welche Erinnerungen die erschnüffelbaren Komponenten in einem gerade empor holen.

In diesem Sinne: Probieren Sie doch einmal wieder einen kleinen Duft aus! Es lohnt sich!

Nachtrag: Dieser Artikel ist natürlich rein subjektiv und soll keinesfalls die farblichen oder bildlichen Beschreibungen diskreditieren. Die sind unverzichtbar. Ich möchte lediglich die Schwierigkeiten aufzeigen, die ich persönlich zuweilen damit habe und eben die Musik einmal mit ins Spiel bringen.

Ein Fallbeispiel: Fragte mich jemand: „Welche Düfte magst Du am liebsten?“ könnte ich persönlich nicht sagen: „Die roten.“ oder „Die gelben.“ usw. Auch nicht „Waldige.“ oder „Beerige.“ usw. denn da gibt es ganz viele tolle Sachen, zwischen denen ich mich nicht entscheiden mag!

Wohl aber könnte ich sagen: „Die leisen, kleinen Düfte. Die mag ich ganz besonders.“

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