Ropanski2020
Ropanski2020s Blog
Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 3 Jahren - 25.09.2021
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Von Nische und künstlicher Verknappung - auf ein Wort

Liebe Parfüm-Enthusiasten,

ursprünglich war der nachfolgende Text Teil meiner Rezension zu Baikal Gris von Areej Le Doré (ALD). Als kritischer Ausblick verfasst fiel er dann doch zu umfangreich aus, um ihn nur als schmückendes Beiwerk zu betrachten. Zumal er den Rahmen verfügbarer Zeichnen zusehends ausreizte bzw. an sein äußerstes Limit trieb. 😅

Inhaltlich sollte er als eine Art Ansporn für eine grundlegende Diskussion über Nische, Exklusivität bzw. künstliche Verknappung dienen, die mir derzeit sehr am Herzen liegt. Wohlwissend, dass diese Diskussion ebenso wenig neu wie (besonders) einfallsreich ist, habe ich dennoch das Verlangen, meine Sichtweise darzulegen, diese mit euch zu teilen, in der Hoffnung, hier und da auf interessantes Feedback zu stoßen.

Der Text steht für sich, markiert eine Momentaufnahme innerhalb meiner bisherigen Duftreise, die bei weitem noch kein Ende gefunden hat. Dafür ist die Welt der Düfte zu groß und in der Breite zu vielschichtig, als ein vorzeitiges Ende zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll erscheinen würde. Wohl aber ist Zeit und Platz für ein Zwischenfazit, wenn es um das Thema Exklusivität und Nische sowie den dahinterstehenden Markt geht.

Die nachfolgenden Zeilen sind ebenso streitbar wie folgerichtig, zumindest aus meiner Sicht. Ich bin nunmehr an einen Punkt angekommen, wo mich derartige Themen in umfangreicher Weise beschäftigen. Ich hoffe, es trägt Früchte. Weniger aus Gründen der Zuversicht, auf das sich der Markt alsbald ändern wird - das wird er gewiss nicht. Nein, vielmehr sehe ich darin den Versuch, meinen eigenen Sammler- und/ oder Kauftrieb, also mein Hobby kritisch zu reflektieren und weitestgehend (wieder) zu erden. Dafür seht der nachfolgende Textauszug.

Und ja, ihr seid herzlich eingeladen, mir eure Meinung mitzuteilen. ;-)

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Abschließende Worte zum Thema Nische und künstliche Verknappung:
Um das Label ALD ranken sich ja bekanntlich etliche, geradezu diversifizierende Mythen und Legenden, die mit regelrechten Kauf- und vor allem WiederverkaufsEXZESSEN einhergehen. Seltsam, möglicherweise moralisch zähflüssig und dennoch bestens ins kapitalistische Muster fallend hat sich über die letzten Jahre eine Strukturdynamik entwickelt, die man zurecht kritisieren darf und auch sollte.

Wenn die Verknappung zum primären Kaufgrund stilisiert wird, dann läuft etwas falsch und droht eben in der Folge immer mehr auszuarten. Sei’s drum. Die treue Kundschaft ist anspruchsvoll und giert nach neuen unbekannten Ufern – auch ich war und bin noch immer von diesem teils exzessiven Rausch nicht gänzlich freizusprechen.

Russian Adam bot und bietet noch immer einen vermeintlich sicheren Hafen für all jene, denen das nur noch dürftig anmutende „Normale“, die so genannte Designerecke, zu bieder, zu mutlos oder einfach nur zu langweilig geworden ist. Aber Exklusivität hat ihren Preis. Wenig bis gar keine Synthetik, seltene Ingredienzen aus aller Herren Länder - immer her damit! Klingt toll, aber eben nur auf den ersten Blick. Denn was bringt handwerkliche Finesse und feinste Rohstoffe, wenn auf dem zweiten Blick die Vielfalt der Dufterlebnisse ausbleibt, ich diese dann doch - allen Unkenrufen zum Trotz - womöglich eher im Designereck finde?! Zudem steigt mit jedem neuen Release die Erwartungshaltung. Man wird ja an der Vergangenheit, an Wort und Tat bemessen.

(Siehe hierzu auch den lesenswerten, kritischen Einwand von Genesis666 zum kürzlich veröffentlichen „MANLY“).

Ja, es lässt sich gewiss darüber streiten, ob es sinnvoll ist, die Einzigartigkeit von Veröffentlichungen gebetsmühlenartig zu promoten, wenn der Einfallsreichtum bisweilen auf der Strecke bleibt. Der ständige Regress auf feinste Auslese zum Einsatz kommender Ingredienzien schlägt sicherlich dort fehl, wo das Gebot der Vielfalt nicht eingehalten wird, die der Einsatz vielschichtiger Rohstoffe prinzipiell versprechen sollte (Thema: ähnlich riechende Oud-Destillate in der Basis). Ob das als Kaufgrund ausreicht, die vermeintliche Exklusivität, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich ein denkbar unnötiger da immer unglaubwürdig werdender Verkaufsansatz der (Nischen-)Branche. Insofern kein Problem, dem sich nur AdL, sondern auch andere Nischenhäuser wie Bortnikoff, House of Matriarchat u.ä. stellen müssen. Wirklich progressiv ist hier schon seit Langem nichts mehr.

Letzten Endes wird mir da zu viel von teuren da zeitintensiven Herstellungsverfahren und kostbaren Rohstoffen schwadroniert. Die Gerüchteküche brodelt, ja sie explodiert regelrecht ob der Flut an gezielt gesteuerten Informationen aus und in den sozialen Netzwerken. Dabei ist es nicht selten ein Schwall von Sand, der einem da mustergültig in die Augen gestreut wird und den Blick fürs Wesentliche trübt, einfach nur einen schönen Duft tragen zu wollen. Vor allem Ensar Oud hat sich der Verarbeitung und Vermarktung edler Adlerhölzer verschrieben, bietet ohne jeden Zweifel ein reichhaltiges Angebot diverser Interpretationen des kostbaren Rohstoffes auf ihrer Plattform an, jedoch mutet die jährliche Wiederauflage vermeintlich exklusiver Düfte aus der Vorsaison etwas seltsam an. Hieß es nicht von Herstellerseite: Streng limitiert - einmal und nie wieder!? Einerseits schön, weil nun auch andere in den Genuss dieser Dufthighlights kommen können, andererseits fühlen sich die Käufer womöglich betrogen ob vorheriger (fragwürdiger) Herstellerangaben. Verkaufsmasche hin oder her - ein solches Geschäftsgebaren stoßt irgendwann übel auf!

Und wenn man ehrlich ist, riecht im Ergebnis dann doch so vieles - bis auf wenige Nuancen - recht ähnlich, da auch hier, in der Nische, im Endeffekt Marktmechanismen der Rentabilität greifen, die zu Lasten des Selbstverständnisses von Nische gehen (können) bzw. die Frage aufwerfen, was Nische ist, sein kann und auch sein will. Derartige Werbemaschen ähneln solcher marktführender Möbelhäuser, wo dann irgendwann nur noch das Setzen der Bohrlöcher oder die Auswahl gewünschter Farbpaletten als vermeintliche Vielfalt suggeriert, in einem prinzipiell auf Vereinheitlichung angelegten Verkaufssortiment. Der Slogan: „Und täglich grüßt das Murmeltier.“, mutiert an dieser Stelle zum schauderhaften Menetekel.

Ich finde es moralisch aber weitaus problematischer und in der Folge auch äußerst diffizil, zusätzlichen Profit aus der Verknappung zu erzielen, in dem Düfte aufgekauft und zu noch höheren Preisen auf dem Resell-Markt weiterverkauft werden. Kaufmännischer Eifer hin oder her - es wirkt auf mich befremdlich, Düfte als Geldanlage zu betrachten und anderen (wirklichen) Interessenten um ein gewolltes/ gewünschtes Dufterlebnis zu bringen, was diesen dann - wenn überhaupt - nur noch zu astronomisch hohen Preisen möglich erscheint. In der Modebranche ist das schon seit etlichen Jahren gang und gäbe. Und das alles um des persönlichen Profits willen – Tendenz steigend! Das ist eine Entwicklung, die mir überhaupt nicht behagt und mich eher von solchen Marken zunehmend Abstand gewinnen lässt, so schön und wertig manches Flakon auch sein mag.

An dieser Stelle möchte ich mich aufrichtig bei dem User Max1403 bedanken für die gewinnbringenden Gespräche zuletzt.

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Danke für eure Aufmerksamkeit. Genießt eurer wohlverdientes Wochenende.

Lieben Gruß
Ropanski2020

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