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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 2 Jahren - 28.01.2022
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Nischenparfüm-Spaziergänge durch die Stadt der Liebe

Paris wäre nur halb so schön, hätte die Stadt nicht die wunderbaren, unzähligen, kleinen und großen Parfümerien, die sich auf fast alle 20 Arrondissements verteilen. Selbst wenn man kein Parfüm-Fanatiker ist, lohnt sich ein Besuch im Fragonard-Parfümmuseum in der Rue Scribe, in unmittelbarer Nachbarschaft der Pariser Oper, und der anschließende Streifzug zu einigen kleinen Parfümboutiquen. Ist man jedoch, so wie ich, ein absoluter Parfüm-Enthusiast und dazu ein glühender Verehrer der französischen Hauptstadt, so verlangt es nach einer gründlich gepflegten Google-Maps-Highlights-Liste mit (so ziemlich) allen Parfümerien, die die wunderbare Stadt am Ufer der Seine zu bieten hat. Und auch wenn ich, was Geheimtipps in Städten betrifft, sehr eigenwillig und nicht allzu erpicht auf das Teilen mit der breiten Masse bin, so ist es mir doch ein inneres Blumenpflücken, meine persönliche Top 3 der Pariser Nischenparfümhäuser hier vorzustellen… Amusez-vous 😉

NOSE Paris (20 Rue Bachaumont, 75002 Paris)

Ausstieg an der Metro-Station „Sentier“ im 2. Arrondissement, dem kleinsten der Stadt, und rein ins Getümmel. Nordöstlich vom Louvre und den Tuilerien gelegen, finden sich hier unter anderem die Börse von Paris und der Square Louvois, ein idyllischer Stadtpark mit beeindruckendem Brunnen im Stil des 19. Jahrhunderts. Marschiert man von besagtem Bahnhof ein paar Schritte seinewärts, so landet man in einer Neighbourhood, die an ein Gewirr aus Fußgängerzonen erinnert, und stößt bei Einkehr in die Rue Bachaumont auf die „NOSE“-Parfümerie. Das äußere Design des kleinen Ladens lässt das (Parfüm)herz höherschlagen, die breite Fensterfront, die einen allumfänglichen Blick in das Innere erlaubt, steigert die Vorfreude auf das Testen und sich-Austoben ins beinahe Unermessliche. Auch der Pflanzenliebhaber kommt auf seine Kosten, ist der Store (wie auch der Rest der Straße) doch von unseren grünen Freunden gesäumt und gibt dem sowieso schon perfekten Bild den letzten Feinschliff.Beim Eintritt wird man von einer Parfümbar begrüßt, die wohl mit einem Augenzwinkern zu sehen sein dürfte, denn statt Alkoholika findet der Besucher hier die Flakons für die ätherischen Öle, die bei der Parfümherstellung benutzt werden. Vielleicht setze ich mich bei meinem nächsten Besuch lässig auf einen der schwarzen Barhocker und lasse mir einen Cocktail aus den angebotenen Fläschchen mixen. Einen Versuch wäre es wert. 😉

Ästhetisch hochwertig ist auch die eigentliche Verkaufsfläche der „NOSE“-Boutique, der der Besucher sich bei einem Schwenk nach rechts zuwendet. In den penibel ordentlich aufgefüllten Regalen auf Kopf- und in den verglasten Vitrinen auf Fußhöhe sind sowohl bekannte Nischenmarken wie Nasomatto, Maison Francis Kurkdjian oder Memo als auch unbeschriebene Blätter wie das in Deutschland gegründete und in Barcelona ansässige Haus 27 87 oder die Vilhelm Parfümerie, die ihren Sitz in New York hat. Abgerundet wird der Anblick von Beauty-Produkten für alle Bedürfnisse und Körperteile, die oberhalb des eigenen Hauptes auf den an den Wänden hängenden Regalbrettern in Reih und Glied stehen. Teststreifen sind immer zum Greifen nah, und auch wenn es der eigene Anspruch der sich hier auf Parfumo rumtreibenden Gesellschaft wahrscheinlich nicht zulässt; die freundlichen Mitarbeiterinnen (bei meinem letzten Besuch waren es nur Damen) stehen gerne bereit, wenn man einmal nicht mehr weiterweiß. Beim nächsten Paris-Besuch also auf keinen Fall die „NOSE“-Boutique im zweiten Arrondissement vergessen. Danach nur nicht zu hochnäsig werden 😉

Liquides Perfume Bar (9 rue de Normandie, 75003 Paris)

Sprach ich in der Vorstellung der „NOSE“-Boutique schon von einer Parfümbar, so schreibt sich dieser Store dieses Attribut sogar auf die Fahnen, beziehungsweise in den Namen. Schauplatz ist das dritte Arrondissement, das „Arrondissement du Temple“, wobei wir eher das bekannte und beliebte Viertel „Le Marais“ nennen sollten, falls uns jemand fragt, wo genau die Lieblingsparfümerie zu finden ist. Du steigst am besten an der Metrostation „Filles du Calvaire“ aus, die westlich des beliebten Ausgehviertels „Oberkampf“ gelegen ist, marschierst den Boulevard du Temple gen Norden entlang und biegst in die Rue de Saintonge ein. Die zweite Querstraße ist die Rue du Normandie, in der dir das gesuchte Objekt gleich ins Auge springen müsste; es ist der zweite und zugleich letzte Laden in dieser kleinen Seitenstraße. Den Anblick, der sich dem Besucher bietet, möchte ich hier gar nicht weiter beschreiben, es würde mir sowieso nicht gelingen. Lasst euch gerne persönlich verzaubern…

Beim Eintritt erlischt dieser Zauber nicht, er steigert sich beim Umschauen in der wunderbar eingerichteten Parfümerie tendenziell sogar noch. Die Holzakzente und das mit burgähnlichen Mauern gesäumte Fenster am Ende des Stores konkurrieren mit der modernen Erscheinung der Vitrinen und des „Barregals“ um die Epoche, in der sich der parfümbegeisterte Kunde befindet. Auch sonst wirkt die Einrichtung auf eine sehr künstlerische und ästhetische Weise unentschlossen; minimalistische Touches und unkonventionelle Accessoires zeichnen das Innenleben aus.

Die Parfümauswahl in der „Liquides Perfume Bar“ zeichnet sich durch eher unbekannte Nischenmarken aus, Arquiste, bdk Parfums und Byredo zählen hier noch zu den dem Parfumo-User geläufigen Parfümhäusern. Mit Parfums de Marly und Amouage haben sich aber trotzdem zwei der Big Player des Nischenbusinesses in die Bar verirrt und dürften viele potenzielle Kunden anziehen.

Die nicht zu übersehende und namensgebende Parfümbar in der Mitte der Boutique wird auch als solche betrieben; der Kunde wird nach seinem Parfümwunsch zum Testen oder Kaufen gefragt, das gewünschte Parfüm wird aus dem Barschrank geholt und vor dir auf die Theke gestellt, an der du deinem Geruchssinn freien Lauf lassen kannst. Wenn du dich zu einem Besuch in der wundervollen „Liquides Perfume Bar“ entschließt, hat dein erster Tages-Barbesuch in Paris also nichts mit Alkohol zu tun. Prost! 😊

Maison Oriza L. Legrand (18 Rue Saint-Augustin, 75002 Paris) 

Kleiner geschichtlicher Exkurs gefällig? Bei der Vorstellung der nächsten Parfümerie komme ich nicht umhin, eine meiner weiteren großen Leidenschaften in diesen Artikel einfließen zu lassen: die Geschichte!

Wir schreiben das frühe 18. Jahrhundert. Ludwig der 15., französisch Louis XV, ist seit zehn Jahren an der Macht, und hat, wie auch andere am Hofe, die Vorzüge des Sich-Einparfümierens für sich entdeckt. Da die Parfümindustrie damals noch nicht für die das Volk, sondern vielmehr im privaten Auftrag einiger weniger, gut betuchter Personen ihre Produkte herstellte, stellte sich die Frage nach einer Massenproduktion noch nicht. Dieser Fakt hinderte den königlichen Parfümeur zu Hofe, Fargeon Aine, jedoch nicht daran, 1720 sein eigenes Parfümhaus „Maison Oriza“ zu gründen. Mit der Unterstützung des Königs wurde das Haus alsbald zum Hoflieferanten und Fargeon außerdem zum Privatparfümeur der Königin Marie-Antoinette. Mit der Befugnis Ludwig des 15. konnte „Maison Oriza“ bald auch andere bedeutende Höfe wie den russischen, den englischen und den italienischen beliefern.

So etablierte er sich Mitte des 18. Jahrhunderts als einer der gefragtesten Parfümeure Europas, ohne ein eigentliches Geschäft zu besitzen. Das änderte der Pariser Parfümeur Louis Legrand 1811; er übernahm die Firma von seinem Vorgänger und eröffnete seine erste Filiale in der Rue Saint-Honore. Die Erfolgsgeschichte ging weiter, und bald verkaufte Legrand zusammen mit seinem Partner Antoine Raynaud selbst kreierte Düfte und andere Waren wie Make-up, Puder und Duftaccessoires, womit sie eines der ersten Parfümhäuser waren, die ihre Produktpalette um verwandte Produkte erweiterte.

Die Parfümerie in der Rue Saint Honore existiert heute nicht mehr, zwei neuere Boutiquen haben sich trotzdem in Paris etablieren können, je eine auf der Rive Gauche und auf der Rive Droite. Die Rue Saint-Augustin, eine Parallelstraße der großen Rue du 4 septembre im Westen des zweiten Arrondissements, beherbergt eine dieser zwei Filialen. Eingerichtet wie zur Gründungszeit des renommierten Parfümhauses, bekommt man dort das Gefühl, eine Zeitmaschine betreten zu haben und Mitte des 18. Jahrhunderts ausgestiegen zu sein. Bilder, Wandschmuck und Möbel lassen den kleinen Raum aussehen wie ein Ankleidezimmer in der späten Renaissance. Auf der kleinen Theke sind alle Düfte des Hauses aufgereiht, die weißen, mühevoll beschrifteten Porzellanflakons dienen dem Kunden als Testobjekte. Du bekommst so den Eindruck eines Parfümhauses, dass sich seit nun etwas mehr als 300 Jahren über seine Akribie für die Parfümkunst und seine hochwertige Qualität definiert und dabei einen gewissen Stolz auf seine Einzigartigkeit und seine Nischenprodukte nicht verhehlen kann. „Maison Oriza L. Legrand“ ist der genaue Gegenentwurf zu jeder Art von Massenproduktion und mechanischer Fließbandarbeit und vermittelt ein Ideal von Qualität, das heute bei immer mehr Reiz- und Konsumüberflutung in jeglicher Hinsicht selten geworden ist.

Ob die Düfte deinen Geschmack treffen, darfst du gern selbst entscheiden. Mir persönlich sind sie etwas zu altbacken, zu pudrig, zu sehr aus einer anderen Zeit stammend. Tragen würde ich einen Oriza-Duft wohl nicht, ich würde mich geschätzte 100 Jahre älter fühlen. Die Kunst, die hinter jedem einzelnen dieser Parfums steckt, kann jedoch kein Geschmack der Welt zunichtemachen. Lasst euch also mitnehmen in eine Zeit, die längst vergangen ist, die aber in der Rue Saint-Augustin noch immer sehr lebendig zu sein scheint.

    Merci beaucoup, Maison Oriza!!!

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