Tommy0606
Tommy0606s Blog
vor 6 Jahren - 19.12.2019
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Die ständige Frage nach dem Warum…

…treibt mich nun endlich dazu, meinen ersten Blog zu verfassen. Und schon jetzt quält mich diese Frage erneut. Warum in Gottes Namen schreibe ich nun einen Blog über Parfüm, als wäre Zeit ein wertloses Gut, das nicht auch viel sinnvoller genutzt werden könnte?


Um ehrlich zu sein, muss ich mich schon ein wenig bescheißen, damit ich den ersten Versuch an dieser Stelle nicht gleich wieder beende. Die Weihnachtsgeschenke können auch am Wochenende noch verpackt werden. Das konnten sie übrigens auch in der letzten Woche schon. Die Hemden für´s Büro können auch an einem anderen Tag gebügelt werden. T-Shirt und Sakko sind auch nett und verleiten meinen Gegenüber zudem noch zu der vorteilhaften Annahme, ich sei meinem Abitur altersmäßig vielleicht doch näher als der Rente, weil ich ja auch noch ganz frech Sneakers dazu trage.

Also, warum? Die Duftleidenschaft verlangt mehr als einfach nur zu riechen, zu lesen, zu bewerten, Abfüllungen zu bestellen, Warenkörbe in Parfümshops zu füllen und hin und wieder ein Statement abzugeben. Den Gipfel erreicht man erst, wenn man auch einen lesenswerten, informativen und ebenso unterhaltsamen Kommentar schreiben kann. Aber dann lese ich wieder die ausführlichen Bewertungen erfahrener Parfumos und denke mir, dass die Damen und Herren mit dem Riechkolben von Aliens ausgestattet sein müssen, weil es ansonsten völlig unerklärlich ist, wie man nahezu jedes einzelne Element der Duftpyramide erkennen kann. Hey, da fühle ich mich zeitgleich verarscht und andererseits vollkommen klein, weil mir wahlweise diese Begabung abgeht, Menschen so an der Nase herumzuführen bzw. ähnliche Fertigkeiten beim Riechen zu entwickeln.

Na gut, ich kann vielleicht einen zitrischen Duft erkennen, ich habe auch die Ananas in Aventus gerochen. Vanille ist als Fan von „Ommas“ Pudding mit Himbeersauce auch keine Herausforderung, aber beim Holz hört´s dann schon auf.

Aus purer Neugier habe ich einen Kumpel in seiner Schreinerei besucht und ihn gebeten, mir einfach mal verschiedene Hölzer unter die Nase zu halten (und er hatte einige). Und was soll ich sagen, ich kenne kein Parfüm, das auch nur annähernd so gerochen hätte wie einer dieser Holzklötze. Und wer bitte kennt denn den Geruch von Guajakholz, wenn er nicht mal einen Ausflug in den Amazonas gemacht hat? Ich möchte auch nicht annehmen, dass einige Parfumos diesen Duft nur deswegen erkennen, weil sie tatsächlich mal an Syphilis erkrankt sind. Wer jetzt neugierig ist, den verweise ich an Google.

Oder wie verdammt nochmal riecht denn bitte harzig? Ich kenne nur diesen klebrigen Schleim von Pflanzen, an dem ich aber noch nie (zumindest nicht zielgerichtet) gerochen habe. Riechen diese Parfumos an Bäumen und haben diesen Duft tatsächlich abgespeichert, um ihn danach beim Geruch eines Parfüms mit ihrem letzten Besuch im Stadtwald in Verbindung zu bringen? Ich bin irritiert und ungläubig. Obwohl, Oud kann ich tatsächlich erkennen, zumindest wenn ich´s vorher auf dem Flakon gelesen habe. Manchmal aber auch nicht, das ist allerdings wiederum der fehlenden Aliennase geschuldet.

Nahezu verstörend finde ich jedoch die Duftrichtung animalisch, bei der ich mich gedanklich eher im Pumakäfig und/oder der Iltishöhle als bei Douglas befinde. Animalisch rieche ich übrigens auch, wenn ich nach einem Halbmarathon in praller Mittagssonne erschöpft heimkehre, aber das nur am Rande. Vorsichtig ausgedrückt bin ich erstaunt, dass manche Menschen tatsächlich wissen, wie Bibergeil riecht. Und das dann übrigens neben den 20 anderen Ingredienzien eines Parfüms mit ihrer Nase extrahieren können, womit wir dann wieder bei den Aliens sind.

Das alles beantwortet allerdings meine Frage nach dem Warum recht anschaulich, denn ich werde niemals die Fähigkeit einer außerirdischen Riechkraft besitzen noch den Mut haben, Menschen diese Fähigkeit vorzugaukeln. Also schreibe ich keine Kommentare und beschränke mich stattdessen auf diesen kleinen Blog, den ich je nach Gemütslage in Zukunft mehr oder weniger häufig pflegen werde.

Ich bitte darum, diese Worte nicht auf die Goldwaage zu legen und diesen Text nicht als olfaktorische Majestätsbeleidigung zu betrachten. Erspart mir einen vorweihnachtlichen Shitstorm und glaubt mir, dass ich diese Zeilen eher augenzwinkernd geschrieben habe. Vielleicht wünsche ich mir ja auch nur, meine Mutter hätte sich seinerzeit mit einem Alien gepaart…

23 Antworten
KleannorKleannor vor 5 Jahren
Ich habe deinen Blog relativ spät gelesen - erst nach deinem aktuellen Blog. Auch hier: So köstlich, amüsant und bodenständig geschrieben. Mach bitte weiter so!
Ich habe mir in der Tat für wenig Geld Harze besorgt, um zu wissen, wie denn Opoponax oder Styrax oder Benzoe oder ... riechen. Gerade im Winter schön, wenn man einen Weihrauchbrenner hat. Sehr empfehlenswert!
ManonManon vor 5 Jahren
Einen Dank an denjenigen, der Deinen Blog auf die Titelseite gesetzt hat! Genial geschrieben (verleiten mein Gegenüber zudem noch zu der vorteilhaften Annahme, ich sei meinem Abitur altersmäßig vielleicht doch näher als der Rente - herrlich!!), ob Du nun zukünftig doch Kommentare schreibst oder Dich auf den Blog beschränkst: Hauptsache, Du schreibst weiter!
SternanisSternanis vor 5 Jahren
Harz ist nicht gleich Harz.
Der grün-harzigste Duft den ich kenne ist der von Myrrhe, das ätherische Öl findet man im Reformhaus (wo man mir schon böse Blicke zuwirft, wenn ich wieder an allem schnüffle und nichts kaufe ;) )
Styrax ist das Gegenteil davon, das ist richtig balsamisch dunkel. Ein bisschen wie alte Blätter. Ambraliquida von L'Erbolario ist sehr deutliches Styrax, und Maroussia hat auch ordentlich Styrax drin. Wird oft als "Amber" deklariert. Ist aber ein Liquidambar-Baum.
Tommy0606Tommy0606 vor 6 Jahren
Vielen Dank für die vielen, netten Kommentare zu meinem allerersten Blog. Ich werde es dennoch bei Statements belassen und meine Schreiblust in Blogs ausleben. Trotz eines dreitägigen Aufenthalts in den Tiefen des Waldes ist meine verkümmerte Nase überwiegend nicht fähig, die grünen/harzigen Gerüche in Parfüms wieder zu finden. Nerve/belustige ich Euch halt mit meinem Bloggeschreibsel...
KlarseherinKlarseherin vor 6 Jahren
Ich glaube, du musst dringend mal raus in die wahre tiefe Natur. Stadtwald pppfffhhhhhh ...:) Du musst in den richtigen Tiefen Wald, wo du keinen Menschen triffst und das für mindestens 6 Stunden. Dann hat sich auch dein Rätsel um Harz gelöst und auch andere Komponenten.
SerafinaSerafina vor 6 Jahren
Einzene Noten zu erkennen, ist sicher Übungssache. Ging mir auch so. Dennoch erkenne ich auch jetzt meist nur maximal 3-4 Noten, wenn überhaupt. Wie acuh schon andere geantwortet haben: darauf kommt es bei den Kommentare nicht unbedingt an! nahezu jeder Schreibstil hat seine Fans (und leider auch seine Kritiker). Wenn man die Kritik abkann, dann sollte einen nichts am Verfassen abhalten, wenn man Freude am Schreiben hat.
Melisse2Melisse2 vor 6 Jahren
Woher weiß man, wie Zibet riecht? An einer Vintage-Version von Jicky gerochen. So markant, dass keine Zweifel möglich und keine Vergleiche nötig waren.
Bei manch anderen Duftnoten weiß ich auch noch nicht, wie sie riechen. Aber mir machen Düfte mehr Spaß, seitdem ich das ein oder andere erkenne.
Melisse2Melisse2 vor 6 Jahren
Herrlich respektlos, weiter so! Gefällt mir, dass solche Fragen gestellt werden. Woher weiß man, wie Bibergeil riecht? Wenn man in einem Duft, in dem sonst in der Pyramide nur bekannte Blümchen vorkommen und auch BG, eine kleine (stinkige) Kante wahrnimmt, dann vermute ich: Das muss vom Bibergeil kommen. Wenn man den gleichen Geruch dann in weiteren Düften wahrnimmt, in denen Bibergeil aufgelistet ist, dann nehme ich das als Bestätigung.
KovexKovex vor 6 Jahren
Das ist alles Trainingssache. Vor 4 Jahren wusste ich auch noch nicht wie Vetiver oder Patchouli riecht. Heute erkenne diese Duftnoten mit Leichtigkeit. Und so sind im Lauf der Zeit immer mehr Duftnoten dazu gekommen die ich zuordnen kann. Fleißiges Testen ist da sehr hilfreich.
PollitaPollita vor 6 Jahren
Auch ich bin keine Supernase, auch wenn Kollege Fresh21 das behauptet. Bei Aventus dachte ich anfangs nur, "ach fruchtig", inzwischen erkenne ich die Ananas, da ich sie auch in anderen Düften erschnuppert habe. Das erfordert Übung. Und auch beim Oud beispielsweise bin ich mir oft nicht sicher. Manche Parfümereure wissen Oud-Noten gut zu verstecken. Ich mag Deine Schreibe btw. auch sehr gerne und würde mich auch über Kommentare freuen :)
TurbobeanTurbobean vor 6 Jahren
Toller Schreibstil, Kollege! Gerne mehr davon! // Dass hier oftmals nur die Duftpyramide abgeschrieben wird, stimmt wohl. / Dass man nach über 1000 Tests Duftbausteine abspeichert, miteinander vergleicht und wiedererkennen kann (ohne im Amazonasgebiet gewesen zu sein), stimmt aber auch. / Und dass man oft Zutaten zu erkennen glaubt, die in der Pyramide gar nicht vorkommen, ist ebenfalls wahr. Wo ist die Wahrheit? Viel lernen wir jungen Padawane müssen ;-)
SchrippeSchrippe vor 6 Jahren
Als Sohn duftuninteressierter (Menschen-) Eltern stehe ich am selben Punkt wie Du. Liebe Grüße und eine schöne Weihnachtszeit.
SinioerkelSinioerkel vor 6 Jahren
Wenn es in Kommentaren hauptsächlich darum ginge, einen Duft in seine Bestandteile zu zerlegen, oder auf seine Inhaltsstoffe hin zu analysieren, gäbe es hier wohl nur sehr Wenige, denn die Wenigsten möchten so analytisch an einen Duft herangehen. Ein Parfum ist auch ein Gefühl, eine Möglichkeit sich auszudrücken oder einfach nur ein Genuss, um hier nur einige Merkmale zu nennen, die es ausmacht. Auch du Genießt, verabscheust und fühlst doch, oder ? Also, schreib' Kommentare. :-)
EstefaniaEstefania vor 6 Jahren
Ich bin bei Frau Lohse. Mit den hochwissenschaftlichen Ausführungen kann ich auch wenig anfangen. Die Düfte sind viel mehr als die Summe ihrer Bestandteile. Und lass Dich bitte nicht davon abhalten, uns deine Erlebnisse mit ihnen mitzuteilen ; )
GirlainGirlain vor 6 Jahren
Aliennase hab ich auch keine...aber durch die Kommentare hier schon einen gewissen nasalen Ehrgeiz entwickelt ;).
Harz für Anfänger: Das klebrige Zeug an den Händen beim Weihnachtsbaum aufstellen. Harz für Fortgeschrittene: In Läden, wo man Kram zum Räuchern kaufen kann (also jetzt nicht Makrele oder so ;)), kann man an Labdanum oder Elemi schnuppern. Oder man pfeift einfach drauf :-D
DuftomatischDuftomatisch vor 6 Jahren
Ich hasse Hemden bügeln, da schreibe ich auch lieber Blogs. Super unterhaltsam geschrieben, hoffe du bereicherst uns häufiger mit deinen gedanklichen Ergüssen. Ähnliche Gedanken hatte ich zu Beginn auch, aber das hat mich nicht vom Verfassen von Kommentaren abgehalten. Man kann auch einfach seine emotionalen Eindrücke schildern ohne auf die Duftnoten einzugehen. Und die Aliennase - entweder du bist Alfs Sohn oder es ist einfach eine Sache der Übung und Erfahrung. Schöne Feiertage.
FrauLohseFrauLohse vor 6 Jahren
Wer schreibt vor, dass Kommentare Düfte in ihre Bestandteile zerlegen müssen? Wenn sich jemand dazu niederlässt, eben die Magie, den Eindruck, das Bild eines Duftes zu beschreiben, hab ich persönlich immer einen höheren Mehrwert davon.
Es wäre schade um deine Schreibe.
SunEternitySunEternity vor 6 Jahren
Und wenn man liest, was drin ist, denkt man- Aja, Ananas! Also vielleicht auch ein wenig "Einbildung" :-)
SunEternitySunEternity vor 6 Jahren
@Susan: Ja, so mach ich das auch mit Musik. Wenn ich ein Lied "auseinandernehme", verliert es schnell seinen Reiz.

Sehr unterhaltsamer Blog! Nach einem Waldspaziergang mit Kleinkind weiß ich wohl, wie Harz riecht :-)
Ich war anfangs irritiert, dass jemand schrieb: salzig. Ich habe sogar gegoogelt, ob Salz riecht.
Ich denke, es macht viel die Dufterfahrung und wenn man mehrere Düfte mit einem herausragenden Duftstoff riecht, denkt man irgendwann: Aha, das ist wohl Eichenmoos/ Zibet/ Amber...
MydarkflowerMydarkflower vor 6 Jahren
Ach, nicht ärgern! :) Ich kann das auch nicht und bin schon seit Kindertagen duftinteressiert. Markante Sachen wie Vanille, Zitrone, Anis, Iris, Patchouli usw. rieche ich schon heraus, aber ich suche nicht gezielt danach. Ich mag Parfums in ihrer Gesamtheit. Durch das Auseinanderklamüsern geht mir viel zu viel von ihrem Zauber, ihren Geschichten und Bildern verloren. In meinen Kommentaren findest du auch nur diese Dinge - und durch Düfte geweckte Erinnerungen.
Schreib, wie du bist! :)
SusanSusan vor 6 Jahren
....denn, wie heißt es so schön: Das ganze ist mehr, als die Summe seiner Teile :-)....
SusanSusan vor 6 Jahren
An mir selbst ist mir folgendes aufgefallen: Sobald ich anfange, einen Duft zu sezieren bzw. in seine Einzelbestandteile zu zerlegen, verliert er seinen Zauber....ich denke, dass diese „technische“ Herangehensweise zwar zwingend notwendig für den Parfumeur ist, nicht jedoch für den Träger eines Duftes.....daher habe ich aufgehört, zu „sezieren“ und gebe mich einfach dem Gesamteindruck hin....lasse mich quasi tragen und mitreißen ohne zu hinterfragen.....lasse den Duft seine Magie entfalten.....
LobeliaLobelia vor 6 Jahren
Warum? Weil wir Menschen sind! Ein faszinierendes Wunder der Natur, mit tollen Fähigkeiten, die sich ohne Wissenschaft wohl nicht so einfach erklären lassen. Warum sollten nur die wenigen Parfumeure auf diesem Planeten mit einer hervorragenden Nase ausgestattet sein? Manch einer wird mit einer "Supernase" geboren. Aber es ist auch möglich riechen zu lernen. :) Je länger man sich mit Riechstoffen beschäftigt, umso leichter erkennt man olfaktorisch einzelne Stoffe.