YoungTallula
YoungTallulas Blog
vor 9 Monaten - 08.08.2023
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Warum suche ich immer weiter? Oder: Die Jagd nach dem Heiligen Gral

Warum suche ich immer weiter? Oder: Die Jagd nach dem Heiligen Gral

Was ist es bloß, was mich immer wieder in die Parfümabteilungen zieht? Ich habe doch schon viele Flakons und ungezählte Abfüllungen und Pröbchen zuhause stehen. Ich habe mir mittlerweile ein gutes Bild gemacht von Duftnoten und Duftfamilien, ich kenne die groben Kategorien und zu jeder mindestens drei Beispiele. Ich brauche und will auch gerade kein neues Parfüm kaufen, will die fiebrige Jagd mal verlangsamen und abkühlen lassen. Es fällt mir auch nicht sonderlich schwer, die Frage zu beantworten, welchen Duft ich wählen würde, wenn ich nur noch einen haben dürfte (Coco Noir). Warum also immer und immer wieder weiter sprühen, schnuppern und schnüffeln? Ich könnte doch zufrieden sein. Zumindest mal für ne Weile. Ist es Sucht? Langeweile? Wahnsinn?
Irgendetwas suche ich (was wohl buchstäblich für Sucht spricht) ... anscheinend DEN Duft der dann DAS Glücksversprechen einlöst, was so viele Flakons so vielversprechend hauchen, flüstern und ausstrahlen. Doch die meisten halten es nicht, sie enttäuschen und ernüchtern mich früher oder später. Was aber ist mit den dutzenden Flakons daheim im Schrank? Was zumindest mit der derzeit großen Duftliebe Coco Noir? Kann die Liebe so groß sein, wenn ich mich andauernd weiter auf die Pirsch begebe? Ist das nicht schon der Heilige Gral? Und wenn nicht, wie soll er denn in Gottes Namen noch riechen, verdammt?!

"Maybe I'm just like my mother, she's never satisfied", sang Prince. Was genau ich suche, ist mir selbst ein Rätsel. Schließlich ist mir auch wohlbewusst, dass ich niemals alle Düfte dieser Welt riechen kann. Das wäre allerdings auch nicht mein Antrieb oder Ziel. Aber was genau ist das Ziel denn dann? Eine riesengroße Sammlung? Nein. Influencer werden? Nein. Aus jeder Duftfamilie einen Repräsentanten in der Samml... Nein. Duftkenntnisse sammeln und erweitern? Vielleicht. Die Nase bilden? Vielleicht auch. Aber gut. Vermutlich ist es größtenteils doch die Sucht.
Hinter neuen Düften vermute ich offenbar ein Glücksversprechen, eine Art Verheißung, zumindest eine Art sinnlich-olfaktorisches Paradies. Vielleicht suche ich nach dem ultimativen Stimmungsaufheller, Launebooster, zuverlässig und anhaltend beeindruckend und wenn's passt verführerisch - kurz: eine Art Zauberelixier. Mit diesem kindlichen Hirngespinst bin ich dann wohl auch Marketing und Influencern auf den Leim gegangen, die diese Art Versprechen am laufenden Band produzieren. "Man eater", "panty dropper", "seductive trail". "Düfte für das Vorstellungsgespräch - so wirkst du kompetent und selbstbewusst" und so weiter und so fort. Als hätten Düfte Superkräfte.

Vielleicht ist es aber auch der Hunger nach sinnlichem Erleben, nach immer wieder neuen Kombinationen der unzähligen Duftnoten, die Erkundung eines olfaktorischen Universums, was tatsächlich nahezu unendlich erscheint. Höchstwahrscheinlich warten da draußen immer noch und immer wieder zig neue Duftkompositionen, die es sich lohnt zu erkunden. Und vielleicht ist einfach das letztlich der Sinn der Sache. Erkunden, weil man gern erkundet. Der Weg ist das Ziel sozusagen.
Den "Heiligen Gral" gibt es vermutlich nicht, oder wenn dann immer nur für eine Weile, quasi eine Art Lebensabschnittsgral. Und Spaß am Erkunden ist per se nicht gleich eine ungute Sucht oder das naive Reinfallen auf einschlägige Marketingtricks. Und vielleicht ist es auch die Suche nach dem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, aus der immer wieder neue Facetten hervor schimmern können. Neue Duftlieben und die Suche danach also als Zeichen der eigenen Beweglichkeit und Entwicklung.

Hurra, hab ich also doch noch was Gutes und Ehrenhaftes dran gefunden! Puh!

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