Bellatrix
18.09.2021 - 11:41 Uhr
8
Sehr hilfreiche Rezension
5
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
7.5
Duft

Alpiner Waschzwang

„Zu Ehren der österreichischen Kaiserin Elisabeth von Bayern, auch besser bekannt als Sissi, und ihrer Lieblingsblume, der Rose, entstand 2558 Kreuzjoch, ein Duft, der in seiner Kopfnote die Rose enthält“, schreibt der Hersteller in seiner Beschreibung des Dufts. „Mit einem reichhaltigen und explosiven Herz aus duftenden weißen Blüten, einer warmen, sinnlichen Basis aus Moschus und prickelndem Zedernholz, vermischt mit frischem, reinem und kristallklarem Quellwasser, entsteht ein betörendes und verblüffendes Parfum – ein Duft, welcher der Seele der Blumen gleicht.“

Was das Kreuzjoch, mit 2558 m über dem Meeresspiegel (daher der Name des Parfums) der höchste Gipfel der Kitzbüheler Alpen in Tirol, mit Kaiserin Elisabeth von Österreich zu tun hat - die sich übrigens „Sisi“ schrieb, nicht „Sissi“ - erschließt sich mir nicht unbedingt. Zwar war die sportliche Kaiserin eine zähe und erfolgreiche Bergsteigerin, aber war sie jemals auf dem Kreuzjoch? Ist sie nicht eher im Salzkammergut durchs Gebirge gekraxelt oder auch mal in Südtirol? Gut, in Innsbruck war sie wohl durchaus einige Male, ist dort sogar, wenn mich meine Erinnerung nicht ganz täuscht, als knapp Elfjährige ihrem späteren Ehemann zum ersten Mal begegnet, und vielleicht ist sie Jahre später, als sie schon längst Kaiserin war, auch mal auf die Berge in der Umgebung gestiegen. Wer weiß? Tun wir einfach so, als wäre sie dagewesen. Hier soll es ja auch um den Duft gehen und nicht um die historische Belegbarkeit kaiserlicher Gewaltmärsche durch das Tiroler Hochgebirge.
Dass Rosen die Lieblingsblumen der Kaiserin gewesen wären, ist mir allerdings auch neu. Veilchen, habe ich bislang immer gehört, seien das gewesen. Sisi liebte Veilchen-Sorbet und kandierte Veilchen und soll sich, unter einer heftigen Abneigung gegen starke und dominante Düfte leidend, stattdessen hauchzart mit Veilchenessenz beduftet haben. Dass Rosen ihre Lieblingsblumen gewesen seien, dafür hätte ich daher gerne mal einen Beleg.

Na, wie dem auch sei! Jedenfalls finde ich, trotz meines Genörgels, dass das Thema olfaktorisch ganz gut umgesetzt wurde. Ich rieche einen sauberen, reinlichen Rosen(-seifen)duft, den ich mir tatsächlich an einer feinen Dame des 19. Jahrhunderts vorstellen könnte, von mir aus auch an einer Kaiserin... einer Kaiserin, die sehr viel Wert auf stets frisch gewaschene Kleidung legt und die Schlosswäscherei deshalb auf Hochtouren laufen lässt. Mit Rosenseife gewaschen, in frisch gewaschene Kleider gehüllt, stramm ins Korsett geschnürt, den blassen Teint und das prächtige Haupthaar mit Rosenwasser abgetupft, marschiert sie dann noch im Morgengrauen auf den höchsten Gipfel weit und breit. Die Hofdamen und -diener, die sie bei diesem Gewaltmarsch begleiten müssen, ächzen. Dieses Tempo können sie nicht mithalten, diese Ausdauer haben sie nicht... Aber die Kaiserin schwitzt nicht mal, sondern duftet immer noch rosig und frisch. Ein frischer Wind fegt über die Alpenwiesen auf dem Weg zum Gipfel. Der Duft von weißen Blüten erfreut die kaiserliche Nase, auch mischt sich der Geruch frisch gewaschener Wäsche mit kühler, klarer Bergluft, denn die Kleider Ihrer Majestät flattern im Alpenwind. Dann führt der Weg zum Berggipfel durch ein letztes Waldstück vor der Baumgrenze. Der warme, holzige Geruch des Waldes gesellt sich zu dem rosig, frischen Duft, der von der immer noch nicht ansatzweise schwitzenden oder schnaufenden Majestät ausströmt. An einer Bergquelle hält sie an und genehmigt sich einen Schluck kühlen, klaren Quellwassers. Die Hofdamen wackeln und ächzen erst in beträchtlicher Entfernung hinterher und wünschen sich insgeheim gerade die Republik, um nicht noch einmal zu einem solchen Gewaltmarsch genötigt zu werden. Auf dem Berggipfel ist es still und friedlich, die Luft ist so klar und sauber, dass man es riechen kann. Auf dem Abstieg nach unten geht es noch einmal durch blühende Alpenrosen.

Fazit:
Ein sauberer, seifiger Rosenduft mit Waschmittelakkorden, der mich deutlich an Chloé erinnert. "2558 Kreuzjoch" hat allerdings mehr Charakter und Einzigartigkeit. Seine Sauberkeit ist zugegebenermaßen ein wenig synthetisch, aber auch nicht synthetischer als Chloé. Hin und wieder britzelt diese Synthetik ein wenig in der Nase und die Rose ist weder sinnlich, noch erotisch, sondern sauber und züchtig. Ironischerweise finde ich, dass diese leicht synthetische, fast schon stechend saubere, erotikfreie Rosenreinlichkeit mit ihrer „Rühr mich nicht an“-Ausstrahlung gut zu einer Kaiserin passt, die Gedichte verfasste wie:
„Für mich keine Liebe,
Für mich keinen Wein,
Die eine macht übel,
Der and’re macht spei’n!“

Aufgrund seiner Sauberkeit und Unaufdringlichkeit eignet sich „2558 Kreuzjoch“ nämlich für alle Situationen, ob nun Büro, Schule, Uni, Stadtbummel, Lunch oder Bergtour, für ein Date fände ich ihn aber doch zu reinlich, zahm und jungfräulich. Ich empfinde den Duft zudem als eindeutig feminin, daher vielleicht eher nichts für den Durchschnittsmann, aber es gibt sicher auch Herren, die sowas putzig-rosiges gerne tragen. Alles in allem ein ungewöhnlicher Duft, den man nicht blind kaufen, sondern auf jeden Fall vorher testen sollte. Mit seiner sauberen Frische passt er am besten in den Frühling, aber auch zu einem frischen, klaren Herbstmorgen, an dem man sich ein wenig in der Natur bewegen will.
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