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Interlude Man 2012

Keule
02.12.2014 - 08:31 Uhr
9
Sehr hilfreiche Rezension
9
Duft

Polarisateur zum verlieben

Tja, was genau Amouage da richtig oder falsch gemacht haben soll, kann ich gar nicht beurteilen. Dazu kenne ich zu wenige von deren Auswüchsen.

Nachdem ich aber Epic Man (wunderbares und tiefgründiges Würzpaket), Jubilation XXV (Ich steig da nicht hinter, ein super Parfum, aber Sillage und Haltbarkeit haben auf meiner Haut wohl immer Feierabend) und gestern erst Journey Man (beerig-pfeffriger Knaller!) riechen durfte, kam dank Beautycase (danke!) noch ein Amouage Pröbchen hinzu. Interlude.
Vom Design der Interlude Werbekampagne in die Irre geführt, hatte ich das Gefühl es könnte sich um Stoff aus den 90ern handeln. Zumindest wäre man damals dieses Gekritzel mühelos für ziemlich viel Asche in irgendeiner windigen Kunsthaldlung losgeworden. Tja so irrt man sich. Von 2012 ist der Gute.

Im Rausch der Freude ein Pröbchen von Amouage zu besitzen, ich verbitte mir Lacher - Studenten können sich keinen Flakon leisten :D, kam nach dem ersten Spüher die unnachgiebige Schelle der Ernüchterung. "Was datt denn?!" Puh, da musst ich erst mal graben. Süß-bittrige und auch leicht bissige Noten machten sich da gnadenlos auf den Weg in die Nase. Leicht holzig. Gut: Ohne Widerstand. Das Zeug ist brutal präsent und bahnt sich seinen Weg wahrscheinlich auch durch die störrigste Nase. Damit hätten wir die Sillage auch schon verarbeitet.
Leichte Enntäuschung und die bohrende Frage "...was zum Verrecken riecht da so eigenartig?" Ist es das Opoponax? Vielleicht, denn sowas hab ich vorher noch nie gerochen.
Zeit verging, Amouage Interlude blieb. Und blieb. Und wurde ein paar Tage später noch mal getestet und nicht weil das Interesse an dessen Eigenart so groß war (um nicht zu sagen Sensationsgeilheit), sondern weil ich die Schönheit von Interlude erkannt hatte. Wenn man die Ahnung eines Parfums nicht mehr aus dem Kopf bekommt, dann kann es nur gnadenlos schlecht, oder wirklich gut sein. Letzteres trat dann für Interlude ein.

Wahrscheinlich war es der Schock, der mich erst mal Abstand halten ließ. Zu manchen Parfums muss man erst finden. Das ist wie bei der menschlichen Liebe. Man kennt sich Jahre und erst bei bestimmten Situationen lernt man sich lieben.
Was ich an Interlude liebe: Seine Eigenständigkeit. Sein leicht aufdringlicher Charakter und seine "Ihr könnt mich mal"-Mentalität.
Ich vermute einfach mal, dass das Opoponax der Taktgeber in diesem Wässerchen ist. Den Weihrauch nimmt man gut wahr und wenn die Nase nah genug ist, auch die Bergamotte Noten. Wirklich tragend sind letztere aber nicht.
Leder dagegen ist mit meinem Riechapparat nicht auszumachen. Braucht Interlude nach meinem Empfinden aber auch nicht. Von Anfang an süßlich aber nicht feminin oder gar penetrant, wird's später recht holzig. Die von mir vermutete (vermutete!) Opoponax Note schwebt weiterhin über allem ohne zu viel Raum einzunehmen. Andere dürfen auch mal mitspielen. Wobei ich als Oud-Fan (Scheiße, das macht mich zum Mainstreamer) gerne mehr davon gehabt hätte. Aber auch dieses ist am Start. Das holzige setzt sich fort und teilt sich mit zunehmender Zeit die Co-Führung. Toll!

Ich würde Interlude als schön holzig würzigen, wie auch leicht süßlichen Orientschmeichler bezeichnen. Aufdringlich? Ja. Aber freundlich und zurecht polarisierend. Für mich trotzdem ein männlicher Eigenständler, welcher vielleicht noch nicht ganz im Palast der Großen zuhause ist, aber dem Türsteher keine Chance lässt, ihn nicht rein zu lassen.
Tolle Kreation!
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