Open Road 2022

TomGehFord
08.12.2022 - 09:19 Uhr
5
Hilfreiche Rezension
7
Preis
6
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
6.5
Duft

Kurzzeitig freie Fahrt

Jean-Christophe Hérault, bekannt als Ghost Perfumer von Creeds Aventus, hat mit seinem mittlerweile legendären Meisterwerk die Messlatte für sich selbst extrem hoch gelegt.

"Open Road", welches nur relativ sparsam beworben wurde (wie man an der Popularität auch erkennen kann), ist nun schon seit einigen Monaten erhältlich. Beschrieben als Duft, welcher die Abenteuerlust und den Freiheitsdrang wecken soll (oder so ähnlich), stellt er den Beginn einer neuen Reihe dar.

Abgefüllt in einem durchaus schönem Flakon, welcher einen mit dem mittigen Rohr etwas an Diors "Homme"-Reihe erinnnert, aber mit einem meiner Meinung nach gewöhnungsbedürftigen Sprühkopf versehen ist (der Tester in der Parfümerie war hier schon beschädigt), kommt das gute Teil daher.

Der Duftverlauf beginnt, wie so oft, mit einem zitrischen Opening, das hier besonders säuerlich ausfällt. Wer also wie ich eher nicht auf rein zitronige Kopfnoten steht, wird hier enttäuscht sein. Schon bald gesellt sich aber der rote Apfel hinzu, welcher dem Ganzen etwas Süße verleiht; die starke Zitrik geht wie üblich etwas in den Hintergrund, bleibt jedoch noch durchaus erhalten. Der Lavendel ist gut dosiert, und wirkt nicht kratzig, sondern modern und männlich. Von Anfang bis Ende bleibt der frische Charakter des Duftes erhalten. Den Salbei konnte ich nicht wirklich vernehmen, aber man soll ja auch nicht immer jede einzelne Note herausriechen können - das Gesamtwerk zählt schließlich. Im Drydown gesellen sich holzige Noten hinzu, ohne die Balance zu stören - der Duft behält sein frisches und leichtes Profil. Man nimmt zudem definitiv keine auffällige Synthetik wahr, was insbesondere für einen frisch veröffentlichten Freshie (fast ein Zungenbrecher) erwähnenswert ist.
Übrigens schwingt hier und da mit etwas Konzentration und gutem Willen sogar ein minimaler (in Worten: minimaler) Aventus-Vibe mit, was bei dem Parfümeur aber auch nicht weiter verwunderlich ist.

"Open Road" ist ein sehr leichter Duft, welcher meiner Meinung nach zur falschen Jahreszeit veröffentlicht wurde. Als Frühlingsrelease wäre er vermutlich deutlich besser aufgehoben gewesen, denn seine leichte und absolut niemandem auf die Pelle rückende Leichtigkeit ist wie gemacht für wärmere Temperaturen. Bei der derzeitigen Witterung geht er aber erst recht gnadenlos unter, und Räume wird man mit diesem Duft auch im Frühling nicht füllen. Auch die Haltbarkeit ist in Ordnung, aber mehr nicht. In der Preis- und Duftklasse gibt es derzeit deutlich sinnvollere Alternativen. Zum Discountpreis kann man sich die Anschaffung des Duftes aber durchaus durch den Kopf gehen lassen.

Abschließend bleibt zu sagen, dass "Open Road" nichts wirklich falsch macht, aber auch nichts besonders. Er reiht sich im oberen Mittelfeld in die Menge der frischen Düfte ein, mit denen der Markt überschwemmt ist, ohne ein plumper Klon zu sein. Irgendwie fehlt einfach das gewisse Etwas.

Doch seine Leichtigkeit, fehlende Tiefe und höchstens leicht überdurchschnittliche Performance sind, um positiv zu bleiben, wie gemacht für einen Flanker im Jahr 2023, an dem bestimmt schon gearbeitet wird. Ich tippe auf eine leicht dunklere Flüssigkeit, ein saftigeres Opening, stärkere Holzigkeit im Drydown, und etwas bessere Haltbarkeit und Sillage. Ein solcher Flanker wäre mir definitiv einen Blick wert.

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