Dior Homme Original 2011 Eau de Toilette

Version von 2011
Amon
17.07.2016 - 20:13 Uhr
8
Top Rezension
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft

Dior sans bords pour un garçon

Hat es bereits 49 Kommentare zu einem Duft gegeben, dazu noch zu einem, der seines Nachfolgers harrt, dann braucht es eigentlich keinen 50sten mehr, dann sollte alles gesagt sein, wenn auch nicht von jedem. D'rum schweige, hast du nichts Neues hinzuzufügen. Weil nun aber das, was ich zu sagen habe, nicht hier an diesem schönen Ort und vielleicht auch an keinem anderen geschrieben steht oder gesprochen wurde, kann ich also ruhigen Gewissens reden bzw. schreiben.

Vor einigen Jahren legte man mir freundlicherweise beim Erwerb eines Damendufts zwei Proben für den Herren dazu, das EdT des Hauses Dior namens Homme beinhaltete eine davon. So testete man es kurz, fand es ganz nett, einen Kaufimpuls löste es jedoch nicht aus – auch oder obwohl eine zurate gezogene Dame ganz angetan vom Odeur ins Schwärmen geriet. Besagte Dame war es dann auch, die jetzt, nachdem eine paar Jahre mal wild, mal gemächlich dahinglitten, mich mit einem kleinen Flakon besagten Wässerchens beschenkte, nicht ohne zu bemerken, dass dieses allseits gelobt und gepriesen wird. Nun, so nutzte ich hoch oben im kühlen Norden, dort wo die Tage zu dieser Zeit kein Ende und keinen Anfang haben, die Zeit zum ausgiebigen Testen. Meine Eindrücke schildere ich euch nun unverschämterweise dreist in meiner ersten Rezension auf den wundervollen Seiten Parfumos.

Der Eröffnungsakkord beginnt weit weniger frisch und aromatisch als die Ingredienzen es beim Blick auf die Zutatenliste vermuten lassen. Lavendel und Bergamotte bleiben teilmaskiert hinter halbtransparentem Salbei und damit zu meinem Bedauern etwas unscharf. Auch machen sich recht zügig verwendete Harze bemerkbar, die dem Ganzen einerseits die Frische nehmen und ihm anderseits beizeiten eine süße balsamische Note verpassen. Peu á peu melden sich immer eindringlicher die Aromen der Herznote zu Wort, scheinbar ungeduldig möchten sie der Kopfnote nicht übermäßig lange die Gunst des Publikums überlassen. Am deutlichsten tut dies die Iris in ihrer sanften und pudrigen Art, getragen von den bereits erwähnten Harzen, namentlich Labdanum und Benzoe, die in Verbindung mit Vanille (mMn Vanillin) dem Ganzen eine ambrische Note geben. Kaum sind 30 Minuten vergangen, sind erste Nuancen von Vetiver und Patschuli zu vernehmen, die einen ersten Vorgeschmack auf die Basis geben, zuvor aber einem weiteren Hauptdarsteller das Feld überlassen, dem Odor feinster belgischer Schokolade.

Die Herznote ist folglich deutlichst dominiert vom floralen, pudrigen Duft der Iris, von der Seifigkeit des Labdanum und der schokoladigen und vanilligen Benzoe, die gemeinsam als Fixativ für lange währende Irisfreuden dienen. Im Übrigen wird Gesamtes begleitet von einer offensichtlichen Zimtnote, die mMn ebenfalls auf Benzoe zurückzuführen ist, und ob ihrer Deutlichkeit von einer reichlichen Dosierung zeugt, was neben dem Öl des Kakaos auch ursächlich für das intensiv Schokoladige sein sollte.

Auch der Abschluss mit Aromen von Vetiver und Patschuli behält dank ledriger Noten den sanften und warmen Charakter, der das EdT von Anfang bis Ende begleitet, bei. Von vielen Rezensenten wird diese Ledrigkeit deutlich wahrgenommen, was vom Parfumeur sicherlich auch gewollte ist. Mir scheint in diesem Fall hauptsächlich Birke und Labdanum dafür verantwortlich zu sein (eine animalische Note erkenne ich nicht), was mich diesen Akkord zwar deutlich wahrnehmen lässt, bei mir aber nicht oder nur begrenzt eine Lederassoziation hervorruft.

In summa ist dieser Duft ein geschmeidiger, wohlgefälliger Gourmand ohne Ecken und Kanten - einer der sich perfekt in den Zeitgeist einpasst, einer der niemandem weh tut. Und genau dies ist mein Kritikpunkt, der eine höhere Benotung verhindert. Diesem Duft fehlt es leider an Esprit und damit an Charakter, ihm fehlt das gewisse Etwas, was polarisiert, was zum Diskurs anregt; zum Widerstreit. Dieser Duft charakterisiert in fast perfekter Manier den derzeit herrschenden Geist des Biedermanns, der nicht anecken will, der sich anpasst, der nicht willens ist eine eigene Meinung zu formulieren, der des Denkens und des Diskurses überdrüssig ist. Vielleicht dem Ich und der Karriere wegen, vielleicht schlicht des Internalierens wegen. Schade eigentlich.
Am Ende steht ein angenehm warmer Duft mit guter Haltbarkeit, dezenter Projektion, dem es vielleicht ein wenig an Akzentuierung fehlt, jedoch trotzdem einer von überdurchschnittlicher Qualität.

2 Antworten