Jean-Charles de Castelbajac (Eau de Toilette) von Jean-Charles de Castelbajac

Jean-Charles de Castelbajac 1982 Eau de Toilette

Mairuwa
31.01.2025 - 12:04 Uhr
8
Hilfreiche Rezension
6
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft

Mickey Mouse und der Papst

Als ich neulich in einem Bericht über die Wiedereröffnung von Notre Dame nach der Restaurierung las, dass die liturgischen Gewänder der Priester für diesen Anlass von Jean-Charles de Castelbajac entworfen wurden, habe ich mich an diesen Namen erinnert, der lange in den Schubladen meiner Erinnerung verschwunden gewesen war. Castelbajac, das waren für mich die Achtziger, vielleicht noch die frühen Neunziger Jahre. Teddybären und Micky Maus, Pop-Art, Kermit der Frosch. Manches durchaus zum Schmunzeln, aber eher oberflächlich. Mondrianfarben: blauweißrotgelbschwarz. Nicht umsonst kam es irgendwann zur Kooperation mit Benetton. Interessanterweise hat es dieses Enfant Terrible dann doch ausgerechnet in sehr konservativen Kreisen zu hohem Ansehen gebracht. Nicht nur die aktuellen Pariser Kleriker tragen ihn, auch Papst Johannes Paul II. ließ sich 1997 anlässlich eines Frankreich-Besuches zum Jugendkirchentag von Castelbajac einkleiden. Die Privilegien des Adels vermutlich.

Castelbajac, das war aber damals auch ein irgendwie genialer Duft. Sicher nicht exklusiv - von Mülhens 4711 vertrieben, war er auch in durchschnittlichen Drogerien verhältnismäßig günstig erhältlich. Explizit als Duft eines (wenn auch in Deutschland damals kaum sehr bekannten) französischen Modedesigners beworben, mit einem verklärt lächelnden Portrait des jungen Jean-Charles mit wallendem Haar, waren die Zielgruppe wohl diejenigen, die der Glanz der Pariser Haute-Couture zum Träumen brachte, die aber für die Parfums von Dior oder Saint-Laurent nicht das nötige Kleingeld hatten.

Der Duft ist schon kräftig würzig, aber doch etwas weicher als mancher anderer Herrenduft seiner Generation, die Rosengeranie im Herzen verleiht ihm beinahe etwas Liebliches, was ein schönes Gegengewicht abgibt zu der animalisch-ledrigen Basis mit Bibergeil, Moschus und ordentlich Moos. Patchouli ist hier nicht schwer, sondern sorgt eher für Frische. Insgesamt wirkt der Duft trotz seiner Kraft hell und leicht. 1982 lanciert, wirkt er damit im Rückblick für seine Zeit sehr modern. Heute würde er vermutlich bei der Masse eher durchfallen, kann aber als Vintage sicher punkten, weil er für solides Understatement steht und auf Späteres verweist. Zum Tragen reicht der Bodensatz in meinem Flakon nicht mehr, aber als Reminiszenz an seine Ära genieße ich eine Nase voll, lehne mich zurück und lasse mich in jene alten Tage zurücktragen, mit verklärtem Lächeln, mit wallendem Haar…
7 Antworten
FloydFloyd vor 6 Monaten
Tolle Hintergründe, gerne gelesen wieder!
Danny264Danny264 vor 6 Monaten
ich freu mich schon auf den, jetzt umso mehr
Flakon11eFlakon11e vor 6 Monaten
so soll es doch sein, dass ein Duft durch Erinnerung das verklärte Lächeln zaubert
SaphoSapho vor 6 Monaten
Sehr gerne gelesen. "Bibergeil, Moschus und ordentlich Moos" - alles was ich mag.
BeJotBeJot vor 6 Monaten
2
@ElAttarine : An Sorcinelli musste ich auch denken…
Es macht Spaß, deine gut recherchierte Rezension zu lesen! Auch wenn ich den Duft nicht kenne und er sicherlich nichts für mich wäre.
ElAttarineElAttarine vor 6 Monaten
2
... die Haare sind ja noch da bei Dir! 😉
Kann gerade nicht anders als verklärt mitlächeln - danke für diese schöne Würdigung eines Duftes, um den ich mich nie gekümmert habe, und seiner Zeit. Wenn sich mal eine Gelegenheit ergibt, werde ich die Augen offenhalten, Du hast mich jetzt neugierig gemacht.
Und das wäre dann ja Sorcinelli auf französisch, wenn die Gewänder auch noch beduftet würden.
MairuwaMairuwa vor 5 Monaten
Ganz übersehen, tut mir leid... Tja, das wäre noch zu prüfen, ob die Kleriker von Castelbajac auch beduftet wurden. Möglich wärs, denn er hat in den letzten Jahren einige neue Düfte lanciert, die ich allerdings nicht kenne. Einer heißt "Blue Pop" - oder doch eigentlich "Blue Pope"? ;)