La Liturgie des Heures von Jovoy

La Liturgie des Heures 2011

Adagietto
19.08.2025 - 16:40 Uhr
2
Hilfreiche Rezension
7Duft 7Haltbarkeit 7Sillage

Konzept vs. Erwartungen

Nischendüfte werden häufig mit Erwartungen überfrachtet: Sie sollen nicht nur absolut Einzigartig sein, zu jeder Zeit außergewöhnlich hochwertig wirken und daneben noch problemlos für alltägliches Tragen geeignet sein. Sie sollen vielmehr auch „künstlerisch“ anspruchsvoll und konsequent umgesetzt sein, was in der Praxis dann häufig auf „Konzeptdüfte“ hinausläuft: Düfte die nicht einfach nur z.B. elegant-holzig, frisch oder warm-orientalisch riechen sollen, sondern die eine ganz bestimmte Szenerie, ein ganz bestimmtes Bild wiedergeben sollen.

La Liturgie des Heures (ein sehr passender Name) soll die Szenerie eines Klosters in mediterraner Landschaft einfangen. Damit unterscheidet er sich vom Ansatz her deutlich von Düften wie Cardinal, Avignon & co, die ein deutlich abstrakteres Konzept haben und eher allgemein das Thema Weihrauch bzw. Kirche behandeln.
Bisher ist mir noch kein Duft begegnet, der sein auf dem Papier entworfenes Konzept so konsequent umsetzt wie La Liturgie des Heures. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, scheint er die Erwartungen hier nicht gänzlich erfüllen zu können.

Dass die Kopfnote hier meist nur als Randnotiz angesprochen wird, wundert mich etwas: Der Duft eröffnet mit einer so brachialen Zypressennote, das ich beim ersten Test zunächst das Bedürfnis hatte ihn abzuwaschen. Die Zypresse erscheint enorm intensiv grün und bitter und wirkt dadurch eher unnatürlich, wenn auch nicht synthetisch.

Zum Glück wird diese Kopfnote schnell sanfter und eine weich-harzige und balsamische Weihrauchnote tritt hinzu. Diese wird von Beginn an von einer leicht bitteren, wachsartigen Myrrhe begleitet, die zügig die Oberhand gewinnt. In der Tat ist La Liturgie des Heures für mich nicht in erster Linie ein Weihrauchduft. Während in der Herznote die beschriebenen Myrrhe dominiert, kommt mit der Zeit eine deutlich Note von süßlich-harzig-erdigem Labdanum hinzu, die den Drydown des Duftes dominiert und zum Ende hin fast etwas monothematisch wird.
Die Herznote birgt allerdings eine Besonderheit: Ich nehme hier deutlich erkennbar den Geruch von brennenden bzw. gerade ausgeblasenen Kerzen wahr. Ob dies unter die hier gelistete Note „Räucherwerk“ fallen soll, lasse ich mal offen. Für mich ist diese Note jedenfalls unverkennbar vorhanden.

Patchouli und Moschus nehme ich hingegen kaum bis gar nicht war, stattdessen dominiert in der Basis das besagte Labdanum.

Mir scheint, als würden die hier aufgeführten Duftnoten einige Rezensenten einen Weihrauchduft wie Cardinal oder Avignon erwarten lassen. Wenn man La Liturgie des Heures mit solchen Düften vergleicht, wirkt er in der Tat weniger strahlend und hell, sondern erdiger, dunkler, rauchiger. Diese Erwartung wird dem Duft allerdings nicht ganz gerecht: Hier wird stattdessen so konsequent wie sonst fast nirgendwo das Duftkonzept (Kloster in mediterraner Landschaft) umgesetzt: Zypressen im Auftakt, wachsartige Myrrhe und Kerzengeruch im Herz und in der Basis erinnert Labdanum an die Zistrosen in der Umgebung. Gerade diese Konsequenz wird dem Duft allerdings in meiner Wahrnehmung ein wenig zum Verhängnis und zeigt sinnbildlich das „Problem“ solch „verkopfter“ Nischendüfte auf. La Liturgie des Heures stellt allerlei Noten nebeneinander, die in das Duftkonzept bzw. das beabsichtige Bild passen. Dieses Bild stellt sich aber (wenn überhaupt) nur ein, wenn man vor dem Test davon weiß. Die Duftnoten wirken allesamt hochwertig und sind (mit Ausnahme der Zypresse) auch schön umgesetzt. Für mich ergeben sie allerdings kein stimmiges Ganzes und rufen auch kein schönes Duftbild hervor. Stattdessen stehen sie schlicht aus konzeptionellen Gründen nebeneinander und lassen den Duft insgesamt ziemlich gewollt und verkopft wirken. Der Duft ist damit aber immerhin ein Fingerzeig darauf, dass Parfum durch einen hohen künstlerischen Anspruch nicht unbedingt besser wird und das in erster Linie darum geht, dass ein Duft schlicht gut riecht.
2 Antworten
FloydFloyd vor 4 Monaten
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Reizvoll klingt das Konzept für mich dennoch.
AdagiettoAdagietto vor 4 Monaten
Das ist es in der Tat! Ich war sehr gespannt auf den Duft, für mich ist er aber letztendlich nur eine Aneinanderreihung von Duftnoten, die in dieses Konzept passen sollen. Hätte ich das Konzept vorher nicht gekannt, wäre ich nie auf ein in diese Richtung gehendes Duftbild gekommen. Objektiv aber ein gut gemachter Myrrhe-Labdanum-Duft, nur die Kopfnote stört etwas.