Kopfnote 
Herznote 
Basisnote 
16.10.2018 - 08:09 Uhr
FvSpee
323 Rezensionen
FvSpee
Sehr hilfreiche Rezension
10
Odorato im Urlaub: Mini, Mumu und die wiedergefundene Zitrone
Odorato war verwirrt und amüsiert zugleich. Gut, Kerrisdale war ein Stadtviertel mit recht hohem Anteil asiatischer Bevölkerung, aber gleich zwei betont asiatische und betont moderne Gemischtwarenläden fast direkt nebeneinander, mit ziemlich ähnlichem Sortiment und ähnlichem Namen, einer "Miniso" und einer "Mumuso", das war schon kurios.
Der Vancouver-Aufenthalt des Commissario war zwar außerdienstlich, aber neugierig war er auch privat, und für eine einfache Internetermittlung brauchte er keinen Durchsuchungsbeschluss. Schnell war die Lage klar: Der Erfolg neuerer japanischer Ketten wie MUJI und UNIQLO mit allerlei Zeug von Hemden über Rührschüsseln und Wanduhren zu Briefbeschwerern und Seifenspendern (warum boomen die eigentlich, während in Europa Karstadt und Kaufhof in der Krise sind?) hatte einen chinesischen Geschäftsmann inspiriert. So mietete er sich einen Briefkasten in Tokio, heuerte einen japanischen Designer an und gründete, weil "China" kein gutes Image hat, die pseudojapanische Kette MINISO, die mehr oder minder nach dem selben Konzept funktioniert. Nur dass die Produkte (was immerhin auch offen auf den Produktverpackungen vermerkt wird) in China hergestellt sind (weshalb die Versprechungen von "naturnahen Produkten" wohl noch weniger glaubhaft sind als bei den anderen Ketten), dass die japanischen Beschriftungen mit Übersetzungssoftware angefertigt wurden (weshalb sie für Japaner bisweilen unfreiwillig komisch klingen dürften) und dass die Preise auf einem Niveau liegen, das auch Besuchern von Ein-Euro-Shops anzulocken geeignet ist. Was die Expansion angeht, gilt offenbar die berüchtigte Devise "Klotzen, nicht Kleckern!", hundert neue Filialen jeden Monat sollen die Vorgabe sein. Länder wie Indien, Nepal und Malaysia sind wohl schon voll davon, Afrika und Osteuropa werden gerade aufgerollt, und im reichen Norden starten die ersten Versuchsballons, neben Vancouver jetzt auch drei Läden in Berlin (in Rom anscheinend noch keine). MUMUSO wiederum schien die Kopie der Kopie zu sein, dieselbe Geschichte, nur dass der reiche chinesische Geschäftsmann diesmal keine pseudo-japanischen, sondern pseudo-koreanische Produkte verkauft.
An die virtuelle Ermittlung schloss Odorato einen Ortstermin an. Das Ambiente in beiden Läden austauschbar, sehr sauber, sehr hell, sehr aufgeräumt, junge asiatische Ästhetik, lächelnde Verkäuferinnen, billige Produkte mit Tendenz zum rosa-verspielten, die unvermeidlichen Plüsch-Öhrchen zum Aufsetzen, nicht nur für Mädchen, in Asien wurden die wahrscheinlich auch von Rockern über dem Motorradhelm getragen. Eine Duftabteilung gab es in beiden Läden, doch Odorato sortierte MUMUSO an dieser Stelle aus; zu sehr off the road, die Zentrale Datenbank würde Eintragungen aus diesem Bereich wohl gar nicht akzeptieren. Also MINISO: Seine Wahl fiel auf 30 ml "Cedarwood & Lemon Men Perfume" ("Men Perfume"? Klingt nicht nach korrektem Englisch...) für irgendetwas um die 5 kanadische Dollar herum. Äußerst schlichter Glasflakon, unbeholfen gemalte Zitrone auf der Kartonverpackung, das hätten sie mal die Thais machen lassen sollen, diese Italiener Ostasiens, Spezialisten nicht nur für Kaffee, sondern auch für Produktdesign.
Auf der Kartonverpackung (und der Internetseite der Firma) ist die Duftpyramide angegeben, und ecco, eine weitere Kuriosität: Der Duft heißt zwar "Cedarwood & Lemon", aber in der Pyramide ist weder die eine noch die andere Zutat angegeben (während bei den anderen Düften aus dieser Reihe die beiden namensgebenden Ingredienzien sehr wohl Eingang in die Liste gefunden haben).
Bleibt also nur der Test: Der Duft eröffnete brutal aquatisch, als hätte jemand Odorato ein Gläschen Cool Water ins Gesicht gekippt, dabei jedoch zugleich bereits stark zitrisch. Nach fünf Minuten ist jeder marine Anklang spurlos verschwunden, da die blumigen Noten der Herznote aber noch nicht recht in Gang gekommen sind, hängt die saure Zitrone, flankiert von einem sauren grünen Apfel (schon wieder, dachte sich Odorato, ich werde von Äpfeln verfolgt!) in der Luft und verbreitet schlechte Laune. Dann endlich nach etwa 30 bis 60 Minuten kommt ganz klar identifizierbar der Jasmin in Schwung und fängt die Zitrone schön ein, was für etwa zwei Stunden einen nun wirklich sehr ordentlichen (annäherungsweise runden und fast schon schönen) mehr weichen und sanften als zitrisch-frischen Duft ergibt. Bevor das Ganze nach 5 Stunden in eine äußerst hautnahe, durchaus angenehme und dann wieder grünlich-frische Abschiedsphase ausläuft, wird noch einmal ein supersoftsüßes Intermezzo eingelegt, während dessen Odorato sich sicher ist, deutliche Anklänge an Marzipan wahrzunehmen (vielleicht aus Zucker und, statt der Mandeln, Tonkabohnen?).
Ein simpler Fall. Auflösung:
1. Die Zitrone und wohl auch das Zedernholz sind offenbar in der Duftpyramide einfach vergessen worden, was damit im Einklang steht, dass in puncto "Qualitätsarbeit" bei dieser Firma eher mit der groben Kelle gearbeitet wird;
2. Ein Duft mit klar abgrenzbaren Duftphasen und gut anhand der Pyramide nachvollziehbaren Duftnoten, eine ganz nette Etüde für Duftnovizen, ein durchaus schöner Einstiegsduft für einen Friseur oder Plakatmaler in einer Provinzhauptstadt in Sambia oder Nepal, handwerklich akzeptabel gemacht, aber ohne Zauber und ohne Ehrgeiz nach Höherem;
3. Ein explizit auf "Männer" abzielender Duft, der nur ein klitzekleines bisschen männlicher ist als die rosa Plüsch-Öhrchen aus dem Nachbarregal.
Das hätte auch sein Assistent Schnüffli gekonnt, dazu hätte es keinen Commissario gebraucht. Aber er war ja auch im Urlaub und wollte sich nicht überanstrengen.
Der Vancouver-Aufenthalt des Commissario war zwar außerdienstlich, aber neugierig war er auch privat, und für eine einfache Internetermittlung brauchte er keinen Durchsuchungsbeschluss. Schnell war die Lage klar: Der Erfolg neuerer japanischer Ketten wie MUJI und UNIQLO mit allerlei Zeug von Hemden über Rührschüsseln und Wanduhren zu Briefbeschwerern und Seifenspendern (warum boomen die eigentlich, während in Europa Karstadt und Kaufhof in der Krise sind?) hatte einen chinesischen Geschäftsmann inspiriert. So mietete er sich einen Briefkasten in Tokio, heuerte einen japanischen Designer an und gründete, weil "China" kein gutes Image hat, die pseudojapanische Kette MINISO, die mehr oder minder nach dem selben Konzept funktioniert. Nur dass die Produkte (was immerhin auch offen auf den Produktverpackungen vermerkt wird) in China hergestellt sind (weshalb die Versprechungen von "naturnahen Produkten" wohl noch weniger glaubhaft sind als bei den anderen Ketten), dass die japanischen Beschriftungen mit Übersetzungssoftware angefertigt wurden (weshalb sie für Japaner bisweilen unfreiwillig komisch klingen dürften) und dass die Preise auf einem Niveau liegen, das auch Besuchern von Ein-Euro-Shops anzulocken geeignet ist. Was die Expansion angeht, gilt offenbar die berüchtigte Devise "Klotzen, nicht Kleckern!", hundert neue Filialen jeden Monat sollen die Vorgabe sein. Länder wie Indien, Nepal und Malaysia sind wohl schon voll davon, Afrika und Osteuropa werden gerade aufgerollt, und im reichen Norden starten die ersten Versuchsballons, neben Vancouver jetzt auch drei Läden in Berlin (in Rom anscheinend noch keine). MUMUSO wiederum schien die Kopie der Kopie zu sein, dieselbe Geschichte, nur dass der reiche chinesische Geschäftsmann diesmal keine pseudo-japanischen, sondern pseudo-koreanische Produkte verkauft.
An die virtuelle Ermittlung schloss Odorato einen Ortstermin an. Das Ambiente in beiden Läden austauschbar, sehr sauber, sehr hell, sehr aufgeräumt, junge asiatische Ästhetik, lächelnde Verkäuferinnen, billige Produkte mit Tendenz zum rosa-verspielten, die unvermeidlichen Plüsch-Öhrchen zum Aufsetzen, nicht nur für Mädchen, in Asien wurden die wahrscheinlich auch von Rockern über dem Motorradhelm getragen. Eine Duftabteilung gab es in beiden Läden, doch Odorato sortierte MUMUSO an dieser Stelle aus; zu sehr off the road, die Zentrale Datenbank würde Eintragungen aus diesem Bereich wohl gar nicht akzeptieren. Also MINISO: Seine Wahl fiel auf 30 ml "Cedarwood & Lemon Men Perfume" ("Men Perfume"? Klingt nicht nach korrektem Englisch...) für irgendetwas um die 5 kanadische Dollar herum. Äußerst schlichter Glasflakon, unbeholfen gemalte Zitrone auf der Kartonverpackung, das hätten sie mal die Thais machen lassen sollen, diese Italiener Ostasiens, Spezialisten nicht nur für Kaffee, sondern auch für Produktdesign.
Auf der Kartonverpackung (und der Internetseite der Firma) ist die Duftpyramide angegeben, und ecco, eine weitere Kuriosität: Der Duft heißt zwar "Cedarwood & Lemon", aber in der Pyramide ist weder die eine noch die andere Zutat angegeben (während bei den anderen Düften aus dieser Reihe die beiden namensgebenden Ingredienzien sehr wohl Eingang in die Liste gefunden haben).
Bleibt also nur der Test: Der Duft eröffnete brutal aquatisch, als hätte jemand Odorato ein Gläschen Cool Water ins Gesicht gekippt, dabei jedoch zugleich bereits stark zitrisch. Nach fünf Minuten ist jeder marine Anklang spurlos verschwunden, da die blumigen Noten der Herznote aber noch nicht recht in Gang gekommen sind, hängt die saure Zitrone, flankiert von einem sauren grünen Apfel (schon wieder, dachte sich Odorato, ich werde von Äpfeln verfolgt!) in der Luft und verbreitet schlechte Laune. Dann endlich nach etwa 30 bis 60 Minuten kommt ganz klar identifizierbar der Jasmin in Schwung und fängt die Zitrone schön ein, was für etwa zwei Stunden einen nun wirklich sehr ordentlichen (annäherungsweise runden und fast schon schönen) mehr weichen und sanften als zitrisch-frischen Duft ergibt. Bevor das Ganze nach 5 Stunden in eine äußerst hautnahe, durchaus angenehme und dann wieder grünlich-frische Abschiedsphase ausläuft, wird noch einmal ein supersoftsüßes Intermezzo eingelegt, während dessen Odorato sich sicher ist, deutliche Anklänge an Marzipan wahrzunehmen (vielleicht aus Zucker und, statt der Mandeln, Tonkabohnen?).
Ein simpler Fall. Auflösung:
1. Die Zitrone und wohl auch das Zedernholz sind offenbar in der Duftpyramide einfach vergessen worden, was damit im Einklang steht, dass in puncto "Qualitätsarbeit" bei dieser Firma eher mit der groben Kelle gearbeitet wird;
2. Ein Duft mit klar abgrenzbaren Duftphasen und gut anhand der Pyramide nachvollziehbaren Duftnoten, eine ganz nette Etüde für Duftnovizen, ein durchaus schöner Einstiegsduft für einen Friseur oder Plakatmaler in einer Provinzhauptstadt in Sambia oder Nepal, handwerklich akzeptabel gemacht, aber ohne Zauber und ohne Ehrgeiz nach Höherem;
3. Ein explizit auf "Männer" abzielender Duft, der nur ein klitzekleines bisschen männlicher ist als die rosa Plüsch-Öhrchen aus dem Nachbarregal.
Das hätte auch sein Assistent Schnüffli gekonnt, dazu hätte es keinen Commissario gebraucht. Aber er war ja auch im Urlaub und wollte sich nicht überanstrengen.
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