Leather Oudh Orientica 2018

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um der Community alles Liebe zu wünschen. Ich bin seit knappen 2 Jahren stiller Mitleser und veröffentliche an dieser Stelle meine erste Rezension. "Ja ja, erste Rezi und ein Lederparfüm ohne Rose oder Puder als Oma-Duft deklarieren, kann ja nichts werden mit dem..." mag sich der ein oder andere nun denken. Gemach, lasst mich erklären...

Meine Großmutter lebte auf einem kleinen Hof, den wir in meiner Kindheit oft besuchten. Tiere wurden dort schon länger nicht mehr gehalten, ein Großteil der Fläche war verpachtet und auch angepflanzt wurde nur noch wenig, in einem kleinen, separaten Garten. Dafür standen natürlich die Gebäude noch und in einer Garage parkte ein selten genutzter, alter Traktor. Und ich meine wirklich alt, mit einer Kurbel vorne am Motor, um ihn zu starten. Vermutlich war er nicht sonderlich groß, aber im Alter von 5 oder 6 Jahren - kombiniert mit der eindringlichen Warnung, dort ja nicht zu spielen! - war er in meinen Augen ein metallenes Ungetüm. Ein Ungetüm mit einem gewissen Hang zur Inkontinenz, da er ab und zu etwas Öl verlor, aber für mein junges Ich absolut ehrfurchteinflößend. Erholung von meinen waghalsigen Abenteuern (welche hauptsächlich im Anstarren der Maschine einen Meter vor dem Tor bestanden) gab es dann an Omas Küchentisch, bei einem Glas selbst gemachten, in Wasser aufgelösten Brombeer- oder auch Himbeersirups und Keksen.

Zeitsprung um über 2 Jahrzehnte. Oma lebt nicht mehr, den Hof habe ich seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Durch Parfumo auf den Leather Oudh aufmerksam geworden habe ich ihn für lächerliche 7,50€ bestellt. Ich hatte bis dahin noch keinerlei Erfahrung mit Lederdüften (ausser dem Geruch meiner Lederjacke in der Garderobe) und konnte mir rein gar nichts unter dieser Duftrichtung vorstellen. Die ersten zwei Sprüher auf den Unterarm waren dann auch direkt mal eine Art Kulturschock, beim ersten Einatmen war ich latent überfordert, hatte aber sofort den Gedanken "Das kennst du irgendwoher!" im Kopf. Durchgeatmet, die Augen geschlossen, nächster Riecher. Und schon stand ich vor meinem inneren Auge wieder auf besagtem Hof, strahlender Sonnenschein (in meiner Kindheit hat es 10 Jahre lang nicht geregnet, wirklich!), die metallene Monströsität lauert im Dunkel ihrer Höhle. Es riecht nach Motorenöl, Stahl, den alten Lappen, die an der Wand hängen und im Laufe der Jahre den Geruch des Traktors angenommen haben. Aus der Küche weht der Geruch des Himbeersirups herüber, zunächst distanziert, aber dann stärker, klarer werdend. Und sofort wurden auch Erinnerungen an meine seelige Oma wieder wach, an ihr Gesicht, ihr Essen, wie sie im Fernsehsessel sitzt während ich mit einer Holzeisenbahn spiele.

Meine Bewertung fällt also alles andere als objektiv aus. Objektivität ist bei Parfüms zwar grundsätzlich so gut wie unmöglich, aber derartige Bilder und Erinnerungen, wie Leather Oudh sie bei mir auslöst, werden wohl bei den wenigsten auftreten. Zumindest was H/S/PL angeht dürfte sie jedoch dem ein oder anderen weiterhelfen: 3 Sprayer dieses Duftes überleben problemlos die jeweils zweistündige Hin- und Rückfahrt zu einem Metalkonzert sowie drei Auftritte (als Zuschauer wohlgemerkt!) in einer engen, stickigen Location. Nach 13 Stunden und vermutlich ebenso vielen Bieren ist er noch problemlos wahrnehmbar, die Performance ist schon über der Grenze zum Beastmode. Wer auf der Suche nach einem 48-Stunden-Duft ist darf gerne jeweils einen Punkt abziehen, für alle anderen gilt: H/S: 10/10. Zur Preis/Leistung brauche ich wohl keine weiteren Worte verlieren.

Tja, das ist er also für mich. Der Oma-Duft, ganz ohne Rose oder Puder, aber mit ganz viel Oma. Ich vermisse dich. Danke für's Lesen!