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Hilfreiche Rezension
Eine Tasse Lapsang Souchong und ein Toast mit Orangenmarmelade
Das Gesicht der Verkäuferin werde ich nie vergessen, als sie Eau du Fier auf ein Kärtchen sprühte und sich dieses nach einigem hin und her wedeln selbst unter die Nase hielt. Dieses sich winden in Abscheu, dieses wegdrehen des Kopfes von der Quelle des Ekels, der ausgestreckte Arm, der mir mit spitzen Fingern diese Geruchsbelästigung hinhielt, damit ich mich selbst überzeuge wie ganz und gar unmöglich dieser Duft sei. Begleitet von der Bemerkung, dass sie sich nicht vorstellen könne, wie man so was tragen kann.
Und dann das erstaunte Gesicht, als ich es ihr nicht gleich tat, als ich in aller Ruhe an dem Kärtchen schnupperte und ersichtlich Gefallen daran fand.
Eine Reaktion wie die jener Verkäuferin erlebt man nicht alle Tage. Zumeist erzählen sie einem doch wie wunderbar der Duft sei, den man gerade ausgesucht habe und wie vorteilhaft er einem stünde, selbst wenn sie ihn ganz fürchterlich finden. Da war meine Eau du Fier-Verkäuferin doch ehrlicher: sie zeigte mir wie schrecklich sie den Duft fand und hatte vermutlich überhaupt kein Verständnis dafür, dass ich - ihrer Ablehnung zum Trotz - den Duft dennoch kaufte. Aber mir war das egal. Es bestärkte mich eher in meiner Entscheidung für den Duft. Ich musste dieser wohl-ondulierten älteren Dame mit dem Duft nicht gefallen, ich wollte es auch gar nicht. Und als sie mir dann auch noch Eau d´Hadrien mit den Worten hinstellte, diesen hier fände sie richtig gut, da waren die letzten Zweifel an Eau du Fier ausgeräumt.
Denn ich muss gestehen, auch ich hatte zunächst meine Zweifel, wollte sie aber nicht ebenso offensichtlich darlegen wie sie es tat. Meine erste Assoziation, als ich das Kärtchen aus ihren Spitzen Fingern nahm und daran schnupperte, war: Schinken, geräucherter Schinken.
Zugegeben: ich liebe Schinken – auf dem Brot. Aber, möchte ich nach Schinken riechen?
Dann, nach einer Weile, als ich versuchte das Bild des geräucherten Schinken zu verdrängen, entdeckte ich auch etwas Frisches, fast Fruchtiges, dazu eine salzige Brise und vor allem: Leder, ölverschmiertes, teeriges Leder.
Das war´s. Mit dieser Assoziation war der Duft meiner. Ich liebe Leder-Düfte, und schräge bis grenzwertige ganz besonders – und dieser ist wirklich grenzwertig.
Wenn ich ihn mir heute allerdings aufsprühe, kann ich die zunächst empfundene Zurückhaltung kaum mehr nachvollziehen, denn ich bekomme meine Nase fast nicht mehr von der Stelle, an der ich Eau du Fier aufgetragen habe – so gut finde ich ihn nunmehr, so unwiderstehlich, ja süchtig-machend. Das Bild des geräucherten Schinkens stellt sich nicht mehr ein, stattdessen das einer Tasse leicht gesüßten Lapsang Souchong –Tees. Daneben Bilder von besagtem ölverschmiertem Leder, von frischem, noch dampfendem Teer, von Reifengummi, aber auch von angeschwemmtem Tang, frisch gestrichenen Bootsrümpfen, von Meeresgischt und Orangenmarmelade – das Bild des kleinen Fischkutter-Hafens auf der Insel Skye während meiner Schottland-Reise.
Tatsächlich diente Annick Goutal für diesen Duft einmal mehr eine Insel als Inspirationsquelle. Diesmal jedoch nicht Korsika (Sables) und das für diese Insel so typische Aroma der Macchia, sondern eine andere Insel, die sie und ihr Mann gerne aufsuchten: die Île de Ré, in der Nähe von La Rochelle, an der französischen Westküste.
Im Gegensatz zur großen Mittelmeerinsel Korsika, an deren Küsten in milden Temperaturen die gelb-blühende Strohblume ihr intensiv duftendes Aroma verbreitet, herrscht auf den Inseln im Atlantik ein raueres Klima, ein salzigeres, eines, dass von der Anwesenheit des ungeheuren Meeres noch viel durchdrungener ist. Die Menschen dort müssen sich ganz anderes der Gewalten der See erwehren, als im vergleichsweise beschaulichen Mittelmeer. Und so ist auch Eau du Fier weit mehr von den Aromen des Atlantik durchdrungen als es Sables ist. Ihm fehlt die Karamel-artige Süße, es ist bitterer, salziger, aber auch in gewisser Weise frischer, so als wehte eine kräftige Meeresbrise durch dieses rauchig, teerige Gebräu.
Einen Duft zu finden, der Eau du Fier ähnelt ist schwer: ‚Tar’ von Comme des Garçons fiele mir da ein, oder Andy Tauers ‚Lonestar Memories’ und in gewisser Weise auch ‚Fleur de Sel’ von Lyn Harris. Allen mag Eau du Fier als Vorbild gedient haben und alle entwickeln je eine Facette von Eau du Fier weiter: ‚Tar’ die Teer-artige, ‚Lonestar Memories’ die rauchig-ledrige und ‚Fleur de Sel’ die salzige, leicht bittere.
An Chuzpe übertrifft Eau du Fier sie alle: ein Borderliner in Sachen grenzgängiger Parfümerie. Schade, dass heute kaum einer mehr die Traute hat ein solch eigenwilliges Werk zu kreieren. Wirklich schade! Aber man darf natürlich auch nicht vergessen, dass solcher Mut selten gedankt wird, heute vermutlich weniger denn je. Und selbst das noch-so-kleinste Nischenhaus hat ja das berechtigte Interesse wirtschaftlich zu überleben. So tragen Düfte wie Eau du Fier, und in geringerem Maße auch Sables, zwar sicherlich dazu bei das Profil zu schärfen und Aufmerksamkeit zu erregen, doch Erfolg haben wird man mit diesen wagemutigen und extremen Kunstwerken sicherlich nicht.
Dieser Duft war auch der letzte den Annick Goutal (vermutlich gemeinsam mit Isabelle Doyen) komponierte – er wurde kurz nach ihrem Tod lanciert, und war im Gegensatz zu den anderen Düften des Hauses immer nur als kleines 50ml Fläschchen zu haben. Ganz so als habe man schon im Voraus geahnt, dass dieser Duft vermutlich nur ganz Wenige ansprechen würde und diese ihn nur in homöopathischen Dosen zu genießen imstande wären...
Gemeinsam mit Sables und ihrem Vetiver bildet Eau du Fier eine Art Duft-Trio in Sachen Meeres- und Küstenaromen. Ein Trio, das sich einerseits durch ungewöhnlich kräftige, kantige, ja avantgardistische Duftfacetten auszeichnet, und sich scharf abgrenzt von den Calone-geschwängerten Frischedüften in der Nachfolge von Cool Water, und das andererseits in ebenso großem Kontrast zu den ansonsten eher pastell-farbenen Duft-Aquarellen des Hauses steht.
Leider ist von allen dreien momentan nur noch Vetiver bei uns erhältlich, Sables allein in Frankreich und Eau du Fier überhaupt nicht mehr. So mag es den Anschein haben, als sei man mit ihm zu weit gegangen.
Ich finde nicht.
Ganz im Gegenteil: ich empfinde es als geradezu wohltuend, wenn sich einer, (bzw. eine) mal etwas herauswagt aus der sogenannten ‚Mitte’, in der sich alle tummeln wollen um ja nicht aufzufallen. Zugegeben: Eau du Fier hat sich ganz schön weit herausgewagt – da kann man einsam werden, so allein.
Aber ich habe noch nicht erlebt, dass sich Leute von mir abseits hielten nur weil ich diesen Duft getragen habe – zuverlässig wird er positiv kommentiert. Allerdings hat auch noch keiner nach dem Namen des Duftes gefragt.
Scheinbar kann ich Eau du Fier tragen, während sich andere diesen Duft – auch wenn sie ihn an mir gut finden - an sich offenbar nicht vorstellen können.
Und dann das erstaunte Gesicht, als ich es ihr nicht gleich tat, als ich in aller Ruhe an dem Kärtchen schnupperte und ersichtlich Gefallen daran fand.
Eine Reaktion wie die jener Verkäuferin erlebt man nicht alle Tage. Zumeist erzählen sie einem doch wie wunderbar der Duft sei, den man gerade ausgesucht habe und wie vorteilhaft er einem stünde, selbst wenn sie ihn ganz fürchterlich finden. Da war meine Eau du Fier-Verkäuferin doch ehrlicher: sie zeigte mir wie schrecklich sie den Duft fand und hatte vermutlich überhaupt kein Verständnis dafür, dass ich - ihrer Ablehnung zum Trotz - den Duft dennoch kaufte. Aber mir war das egal. Es bestärkte mich eher in meiner Entscheidung für den Duft. Ich musste dieser wohl-ondulierten älteren Dame mit dem Duft nicht gefallen, ich wollte es auch gar nicht. Und als sie mir dann auch noch Eau d´Hadrien mit den Worten hinstellte, diesen hier fände sie richtig gut, da waren die letzten Zweifel an Eau du Fier ausgeräumt.
Denn ich muss gestehen, auch ich hatte zunächst meine Zweifel, wollte sie aber nicht ebenso offensichtlich darlegen wie sie es tat. Meine erste Assoziation, als ich das Kärtchen aus ihren Spitzen Fingern nahm und daran schnupperte, war: Schinken, geräucherter Schinken.
Zugegeben: ich liebe Schinken – auf dem Brot. Aber, möchte ich nach Schinken riechen?
Dann, nach einer Weile, als ich versuchte das Bild des geräucherten Schinken zu verdrängen, entdeckte ich auch etwas Frisches, fast Fruchtiges, dazu eine salzige Brise und vor allem: Leder, ölverschmiertes, teeriges Leder.
Das war´s. Mit dieser Assoziation war der Duft meiner. Ich liebe Leder-Düfte, und schräge bis grenzwertige ganz besonders – und dieser ist wirklich grenzwertig.
Wenn ich ihn mir heute allerdings aufsprühe, kann ich die zunächst empfundene Zurückhaltung kaum mehr nachvollziehen, denn ich bekomme meine Nase fast nicht mehr von der Stelle, an der ich Eau du Fier aufgetragen habe – so gut finde ich ihn nunmehr, so unwiderstehlich, ja süchtig-machend. Das Bild des geräucherten Schinkens stellt sich nicht mehr ein, stattdessen das einer Tasse leicht gesüßten Lapsang Souchong –Tees. Daneben Bilder von besagtem ölverschmiertem Leder, von frischem, noch dampfendem Teer, von Reifengummi, aber auch von angeschwemmtem Tang, frisch gestrichenen Bootsrümpfen, von Meeresgischt und Orangenmarmelade – das Bild des kleinen Fischkutter-Hafens auf der Insel Skye während meiner Schottland-Reise.
Tatsächlich diente Annick Goutal für diesen Duft einmal mehr eine Insel als Inspirationsquelle. Diesmal jedoch nicht Korsika (Sables) und das für diese Insel so typische Aroma der Macchia, sondern eine andere Insel, die sie und ihr Mann gerne aufsuchten: die Île de Ré, in der Nähe von La Rochelle, an der französischen Westküste.
Im Gegensatz zur großen Mittelmeerinsel Korsika, an deren Küsten in milden Temperaturen die gelb-blühende Strohblume ihr intensiv duftendes Aroma verbreitet, herrscht auf den Inseln im Atlantik ein raueres Klima, ein salzigeres, eines, dass von der Anwesenheit des ungeheuren Meeres noch viel durchdrungener ist. Die Menschen dort müssen sich ganz anderes der Gewalten der See erwehren, als im vergleichsweise beschaulichen Mittelmeer. Und so ist auch Eau du Fier weit mehr von den Aromen des Atlantik durchdrungen als es Sables ist. Ihm fehlt die Karamel-artige Süße, es ist bitterer, salziger, aber auch in gewisser Weise frischer, so als wehte eine kräftige Meeresbrise durch dieses rauchig, teerige Gebräu.
Einen Duft zu finden, der Eau du Fier ähnelt ist schwer: ‚Tar’ von Comme des Garçons fiele mir da ein, oder Andy Tauers ‚Lonestar Memories’ und in gewisser Weise auch ‚Fleur de Sel’ von Lyn Harris. Allen mag Eau du Fier als Vorbild gedient haben und alle entwickeln je eine Facette von Eau du Fier weiter: ‚Tar’ die Teer-artige, ‚Lonestar Memories’ die rauchig-ledrige und ‚Fleur de Sel’ die salzige, leicht bittere.
An Chuzpe übertrifft Eau du Fier sie alle: ein Borderliner in Sachen grenzgängiger Parfümerie. Schade, dass heute kaum einer mehr die Traute hat ein solch eigenwilliges Werk zu kreieren. Wirklich schade! Aber man darf natürlich auch nicht vergessen, dass solcher Mut selten gedankt wird, heute vermutlich weniger denn je. Und selbst das noch-so-kleinste Nischenhaus hat ja das berechtigte Interesse wirtschaftlich zu überleben. So tragen Düfte wie Eau du Fier, und in geringerem Maße auch Sables, zwar sicherlich dazu bei das Profil zu schärfen und Aufmerksamkeit zu erregen, doch Erfolg haben wird man mit diesen wagemutigen und extremen Kunstwerken sicherlich nicht.
Dieser Duft war auch der letzte den Annick Goutal (vermutlich gemeinsam mit Isabelle Doyen) komponierte – er wurde kurz nach ihrem Tod lanciert, und war im Gegensatz zu den anderen Düften des Hauses immer nur als kleines 50ml Fläschchen zu haben. Ganz so als habe man schon im Voraus geahnt, dass dieser Duft vermutlich nur ganz Wenige ansprechen würde und diese ihn nur in homöopathischen Dosen zu genießen imstande wären...
Gemeinsam mit Sables und ihrem Vetiver bildet Eau du Fier eine Art Duft-Trio in Sachen Meeres- und Küstenaromen. Ein Trio, das sich einerseits durch ungewöhnlich kräftige, kantige, ja avantgardistische Duftfacetten auszeichnet, und sich scharf abgrenzt von den Calone-geschwängerten Frischedüften in der Nachfolge von Cool Water, und das andererseits in ebenso großem Kontrast zu den ansonsten eher pastell-farbenen Duft-Aquarellen des Hauses steht.
Leider ist von allen dreien momentan nur noch Vetiver bei uns erhältlich, Sables allein in Frankreich und Eau du Fier überhaupt nicht mehr. So mag es den Anschein haben, als sei man mit ihm zu weit gegangen.
Ich finde nicht.
Ganz im Gegenteil: ich empfinde es als geradezu wohltuend, wenn sich einer, (bzw. eine) mal etwas herauswagt aus der sogenannten ‚Mitte’, in der sich alle tummeln wollen um ja nicht aufzufallen. Zugegeben: Eau du Fier hat sich ganz schön weit herausgewagt – da kann man einsam werden, so allein.
Aber ich habe noch nicht erlebt, dass sich Leute von mir abseits hielten nur weil ich diesen Duft getragen habe – zuverlässig wird er positiv kommentiert. Allerdings hat auch noch keiner nach dem Namen des Duftes gefragt.
Scheinbar kann ich Eau du Fier tragen, während sich andere diesen Duft – auch wenn sie ihn an mir gut finden - an sich offenbar nicht vorstellen können.

