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vor 9 Jahren - 22.05.2015
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Sucht oder Sammelleidenschaft? - Ein nicht wissenschaftliches Gedankenexperiment

„Den echten Sammler erkennt man nicht an dem, was er hat, sondern an dem, worüber er sich freuen würde.“

Marc Chagall bringt etwas Entscheidendes auf den Punkt: Ein echter (leidenschaftlicher) Sammler ist nicht an der Menge seiner Sammelobjekte zu erkennen, sondern daran, was er zu schätzen weiß. Dies sagt aber auch nichts über die Größe seiner Sammlung aus, vielmehr über die Qualität des Sammlers.

Das Brockhaus Lexikon hat „Sammeln“ 1965 als krankhafte Neigung beschrieben, die darin besteht Gegenstände ohne praktischen Bedarf anzuhäufen. Die Definition ist alt und bedarf sicherlich einer Differenzierung, da das Sammeln an sich ja nicht gleich eine Verhaltensstörung mit sich bringt. Allerdings wird deutlich, dass das Anhäufen von Dingen, für die wir keinen praktischen Bedarf haben, etwas „krankhaftes“ beinhaltet. Ute Lauterbach, eine Autorin und Alltagsphilosophin, stellt folgende Frage: Wie kann ich unterscheiden zwischen Hingabe und Sucht? Indem ich mir folgende Frage beantworte: „Komme ich zur Sattheit? Wie fühle ich mich hinterher? Suchtvollzug hat ein gewisses Tempo, Hingabe ist spielerisch.“

Bringt man die Frage nach der Sucht mit ins Spiel, laden eben gestellte Fragen zur Selbstreflexion ein:

Gibt mir das Kaufen meines begehrten Sammelobjekts ein wohliges Gefühl? Kann ich mit den Kauf einen Punkt erreichen, an dem ich sagen kann: jetzt habe ich genug? Lasse ich mir Zeit, um mir meine Wünsche zu befriedigen? Nutze ich den Kauf nicht nur als Mittel zum Zweck?

Ernst Ferstl, Dichter und Aphoristiker, sagt folgendes: „Die wirksamste und beste Suchtvorbeugung ist das Genießen-Können.“ Und Manfred Hinrich, Philosoph und Schriftsteller, fügt hinzu: „Der Genießer kann warten, gut gewartet ist halb genossen.“ Hier finden wir zwei Kriterien, die uns leidenschaftliche Sammler mit Hang zur Sucht, die Möglichkeit geben unser Hobby mit Freude auszuleben: Genießen-Können und warten- können. Sich Zeit lassen- können beim testen, kaufen und genießen. Ein guter Wein braucht ebenso Zeit, um zu reifen und er wird mit Freude genossen – zur Inspiration und nicht zur Trunkenheit J (Khalil Gibran, Sämtliche Werke).

P.S.: Einem Kaufzwang liegt eine Persönlichkeitsstörung zugrunde und kann verheerende Folgen haben. Bei echtem Kontrollverlust (ein Bsp.: gekaufte Gegenstände werden unausgepackt in der Wohnung gelagert oder gar weggeworfen) sollte man deswegen nicht warten, sondern sich Hilfe holen.

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