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vor 8 Jahren - 20.02.2016
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In Memoriam (Die Rose von Einst)

Stat Rosa Pristina (Da stand sie, die Rose von einst)

Ich erinnere mich, wie sie roch

Verbotene Früchte, noch und noch

Verführende Bilder mich bald betörten

Einer nackten Eva, im Garten Eden

Ohne Feigenblatt vor dem Leibe

Wollte ich sie zu meinem Weibe

So süß wie Honig waren ihre Lippen

Als sie sich willig gegen meine drückten

Testosteron stieg in mir hoch

Blut vom Kopfe nach unten kroch

In die Gegend meiner Lenden

Ich wusst' es nicht abzuwenden

Ihr Amberduft ließ mich nicht mehr los

Auf einem Teppich aus Eichenmoos

Kam sie mit orientalischen Rosen

Wollte sicherlich mehr als nur liebkosen

Da lag sie nun zwischen den Nelken

Inmitten von verschwitzten Laken

Unsere Körper, vor Verlangen bebten

Trunken von animalischen Gelüsten

Verworren jene Nacht, jedoch

Riechen kann ich sie heute noch

Moschus, Jasmin und Narzissen

Ich möchte sie nie mehr missen

Da steht sie nun wieder

Die Rose von einst

Und weckt mir die Glieder

Nicht nur meinen Geist

Stat Rosa Pristina ... (Die Rose Von Einst)

Gewidmet der "Rose" und "Adson von Melk" aus Umberto Eco's "Der Name Der Rose"

Vor einiger Zeit hatte ich eben diesen Kommentar schon einmal geschrieben und hatte just an dieser Stelle mit dem Vermerk beendet, daß ich auf weitere Ausführungen, den Duft betreffend, ausnahmsweise verzichten möchte. Nachdem ich auf Reaktionen hin meinen Kommentar nochmal durchlas, wurde mir eines ganz klar. Der Zusammenhang zwischen der "Rose" und diesem Parfum wird nicht klar. Außerdem haben die Parfumos und auch "Shocking" etwas mehr verdient als das angeführte Gedicht, welches zugegebenermaßen nicht sehr poetisch ausgefallen ist. Deshalb zog ich den Beitrag wieder Zurück.

Was jetzt folgt, ist die überarbeitete Fassung von meinem Kommentar zu "Shocking."

Ein italienisches Benediktinerkloster im Mittelalter. Der Novize Adson von Melk geht eines Nachts in die Küche, um Wasser zu trinken. Er sieht die Umrisse einer Gestalt.

"Irgendwie schien mir, daß ein schwerer Duft in der Küche lag, der mir ähnlich vorkam wie der Geruch des glimmenden Dochtes in der Bibliothek; vielleicht war es auch eine andere Substanz, doch auf meine erregten Sinne tat sie die gleiche Wirkung. ... Lauter Aromen, die rascher noch als meine Nase meinen Geist trunken machten."

Adson geht auf die Gestalt zu und erkennt eine junge Frau. Sie sind beide sehr angespannt und nervös. Was dann geschieht? Lassen wir ihn weiter erzählen.

"Sie löste die Bänder, die ihr Kleid über der Brust zusammenhielten, streifte es ab und stand vor mir, wie Eva einst vor Adam gestanden sein mußte im Garten Eden. ... Und es zog mich hin zu ihr mit Macht, und ich spürte die Wärme ihres Körpers und den herben Geruch nie gekannter Salben. ... Auch weil es von ihren Lippen wie Honig troff..."

Die meisten wissen wahrscheinlich noch, wie diese Begegnung der besonderen Art ausgeht. Adson jedenfalls kann sich noch als Greis an diesen Akt erinnern. Er schreibt diese Erinnerungen an "die Rose von einst" (so bezeichnet er diese junge Frau) für die Nachwelt auf und legt offen, mit welcher Weiblichkeit und "schwerem Duft" sie ihn zu der "schönsten Sünde" verleitet hat.

Jene junge Frau hätte "Shocking" aufgelegt, könnte man meinen. Denn viele stimmen darin überein, daß dieser Duft die lüstige Verführerin darstellt. Wenn Shalimar als sexy zu bezeichnen ist, dann geht Shocking etwas weiter. Es schockt, ist verrucht, geil und verführerisch. Das Bild einer Frau, die wollüstig "brennt" kommt unweigerlich auf. Im Falle der "Rose" ist dies leider wörtlich zu nehmen. Sie wird am Ende des Romans als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In der Verfilmung wird sie aber verschont und kommt nochmal mit dem Leben davon.

Wie kommt es, daß dieses Parfum solch eine Wollust vermittelt? Mein persönlicher Eindruck, selbst nach mehreren Reformulierungen war, daß die wilde, animalische und vor allem honigsüße Seite der Rose in selten gekannter Weise sehr gut zur Geltung gebracht wude. Aber Schritt für Schritt.

Im Angeruch kann man Zitrustöne erahnen. Saftige Mandarinen sowie süße Blutorangen vielleicht. Sie verbinden sich mit Himbeeren und Aldehyden zu einem Frucht-Cocktail. Bergamotte und Estragon (eher Sternanis) wühlen die Kopfnote etwas in die exotische Richtung auf, so daß Bilder von exotischen Früchten entstehen. Vielleicht die verbotenen Früchte im Garten Eden. Dieses Bild wird in der Süße verstärkt durch Honig, der so hoch dosiert ist, daß er in der Kopfnote schon als tonangebende Note deutlich wahrzunehmen ist. Er kommt aber verlockend weich daher, nicht so sirenenhaft schrill wie in so manch' einem Rosenduft. Eine Sirene ist "Shocking" dennoch. Denn kurz darauf, an der Schwelle zur "wollüstigen" Herznote macht sich schon die "Rose" bemerkbar. Eine ganz besondere Rose wie eine orientalische Bauchtänzerin, die eine Performance par excellence hinlegt. Mit honigverschmierten Lippen erhält sie Unterstützung von Jasmin, Narzisse und Tuberose (paßt gut zu den exotischen Früchten) als Nebentänzerinnen. Mit Cananga-Blüten geschmückt, werfen sie bei dieser atemberaubenden Vorführung den anbetenden Zuschauern Nelken zu.

Wer Jetzt meint, man hätte es bei Shocking mit einem orientalischen Parfum zu tun, der irrt ein wenig. Das hat was mit den Reformulierungen zu tun. Im Rahmen derer wurde nämlich der Anteil des Zibet reduziert. Ebenso kann man annehmen, daß vor allem bei der zweiten Reformulierung Moschus und Eichenmoos verändert wurden. Zum einen wegen der sich ändernden gesetzlichen Vorgaben, zum anderen aber auch aus einem anderen Grund. Wenn ein Parfum nach vielen Jahren nicht mehr zeitgemäß erscheint, kann der Anbieter es reformulieren, um es dem Zeitgeist anzupassen. Wenn man nun bedenkt, in welchem Umfeld das Original Shocking entstanden ist, wird es verständlicher. Es entstand in einem Milieu, wo Shalimar, Chanel No.5, Scandal oder Habanita die Maßstäbe setzten. Als "Shocking" aber zum neuen Jahrtausend fit gemacht werden sollte, mußte es in einem Umfeld der "neuentdeckten" Frische bestehen können. Zumal Oud noch kein Thema war; denn Oud würde gut in das Schema von Shocking passen (Rose-Oud?). Doch Martin Gras konnte auch so das Animalische von Shocking bewahren. Zum Glück.

Mit dem Stichwort animalisch können wir auch schon dort ansetzen, wo wir pausiert haben.

Die erwähnten Tänzerinnen führen die Herren nun auf Teppichen aus Eichenmoos, Patchouli und Vetiver zu Gemächern, wo süße Vanille mit Moschus, Amber und fast schon urinösem Sandelholz darauf wartet, mit dem Zibet im Vordergrund die Gäste zu der "schönsten Sünde" zu verleiten. Damit steht für mich fest, daß Shocking seinerzeit als animalischer Chypre das Licht der Welt erblickt hat. Durch die Reformulierungen tendiert es nun in die orientalische Richtung. Verbotene Früchte in Einklang mit wollüstigen Blüten und der orientalischen Rose, eingebettet auf einem typischen Chypre-Grund aus Patchouli und Moos mit starken animalischen Akzenten, sind ein klarer Hinweis dafür, daß es sich immer noch um einen animalischen Chypre handelt. Martin Gras sei dafür gedankt, daß er den Geist von Shocking beibehalten konnte, indem er das Parfum so wenig wie möglich orientalisch gestaltete, und gleichzeitig die animalische Seite so sehr wie möglich aufrechterhielt. Womit ich auch schon den Kommentar beende, mit den Worten Adson's:

"Und der Spruch schoss mir durch den Sinn: »Kinder, wenn euch die Liebesglut überkommt, gibt es kein Halten mehr«, und ich begriff, daß ich nichts mehr vermochte gegen die Regung, die mich trieb, mochte das, was ich da empfand, nun höllische Macht oder himmlische Gabe sein. »O langueo«, rief ich aus, und: »Causam languoris video nec caveo!« Auch weil es von ihren Lippen wie Honig troff ..."

In respektvoller und liebevoller Erinnerung an:

Umberto Eco (R.I.P.)

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