Aus dem Dornröschenschlaf erwacht...

Ich trau mich dann auch mal…
 
Zugegeben, es hat nicht nur mit der Frage Trau-ich-mich-nun-oder-trau-ich-mich-nicht zu tun. Mir ist schlichtweg kein Thema eingefallen, mit dem ich meinen Parfum-Blog eröffnen konnte, also habe ich (vorerst) darauf verzichtet. Letzte Woche hatte ich jedoch zwei Duft-Erlebnisse der besonderen Art, die mir als Anlass für die Einweihung geradezu ideal erschienen.
 
Nein, ich habe keinen neuen Duft entdeckt, der mich in den höchsten Tönen jubeln lassen würde und im Lotto habe ich auch nicht gewonnen, um in Zukunft noch hemmungsloser bei den duftigen Schätzen zuschlagen zu können. Was ich erlebt habe, ist aber mindestens genauso schön.
 
Glaubt ihr nicht?
 
Dann ist es wohl an der Zeit, euch die Stadt vorzustellen, in der ich geboren worden bin.
 
Hanau… schon mal davon gehört? Einige werden wahrscheinlich mit dem Kopf schütteln, bei anderen wird wohl 'irgendwas klingeln', wie man so schön sagt.
 
Nun, zunächst einmal ist Hanau eine Stadt um die 90.000 Einwohner. Eine Industriestadt im Ballungszentrum Rhein-Main, gelegen zwischen Wetterau und Spessart und vor den Toren Frankfurts. Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges fast zerstört, wieder aufgebaut, ehemalige Garnisonstadt, Goldschmiedestadt und heute Sitz vieler führender Unternehmen der Technologiebranche (bis zu ihrer Stilllegung auch Sitz der 'Atomfabrik' Nukem). Viel tut sich in den letzten Jahren außerdem bei der Stadtentwicklung. Das zeigt sich bei der Vielzahl der kulturellen Veranstaltungen, den guten Verkehrsanbindungen und den nie enden wollenden Städtebaulichen Maßnahmen.
 
Hanau ist auch die Heimatstadt von Jürgen Heraeus, Chef des gleichnamigen Unternehmens und seit 2008 Vorsitzender von Unicef Deutschland. Hier ist unser Fußballheld Rudi Völler 'Tante Käthe' geboren und die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, Verfasser der berühmten Märchenerzählungen. Nach ihnen sind die Brüder-Grimm-Märchenfestspiele benannt worden, die schon ihr zwanzigjähriges Bestehen feiern konnten und die in malerischer Kulisse im Amphitheater am Schloss Philippsruhe aufgeführt werden.
 
Hanau ist die größte Stadt im Main-Kinzig-Kreis und ihr Dreh- und Angelpunkt. Hier hat alles seinen Platz: Altes und Neues, Traditionen und Fortschritt, Handel, Gewerbe, Industrie, Brauchtum und fremde Kulturen – alles friedlich neben- und miteinander.
 
Klingt eigentlich ganz gut, trotzdem ist diese Stadt in mancher Hinsicht wie ein Dorf.
 
Die Einkaufsmöglichkeiten beispielsweise könnten noch besser sein. So gibt es dort seit der Schließung des Karstadt Hauses nur noch ein einziges Kaufhaus, die Galeria Kaufhof. Und (jetzt krieg ich endlich die Kurve und komme zum Punkt, liebe Leute) – der etwas anspruchsvollere Parfumfan wirft irgendwann das Handtuch und schaut sich lieber in Frankfurt oder beim Onlinehandel um.
 
Natürlich kann man in Hanau auch Parfum kaufen. Bei den beiden Douglas-Filialen, beim Kaufhof. Oder bei den zwei Ladengeschäften der Inhaber geführten Parfumerie Jäger, oder bei der Parfumerie Müller, nicht zu verwechseln mit der Drogeriekette Müller.
 
Bei den beiden Jägers und bei Müller wird man freundlich und zuvorkommend bedient, allerdings sind es kleine Parfumerien mit entsprechend kleinerem Angebot. Der etwas anspruchsvollere Parfumfan undsoweiter…
 
… sollte das Handtuch jetzt mal lieber noch bei sich behalten und nicht gleich wegwerfen.
 
Denn - was ich erst kürzlich entdeckt habe! – bei Müller in der Nürnberger Straße gibt es doch tatsächlich eine kleine Nischenecke, die diesen Namen auch wirklich noch verdient. Es ist wirklich nur eine kleine Ecke, Nische im wahrsten Sinn des Wortes, aber man findet dort Annick Goutal, Floris, Molinard und noch so einige andere edle Marken.
 
Doch damit nicht genug. In einem Hanauer Sommer-Kulturmagazin stolperte ich letzte Woche über einen Artikel, der sofort meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit besaß. Beim Jäger in der Rosenstraße gibt es im August eine Duftlesung der besonderen Art: Es werden zwei exklusive Parfummarken vorgestellt, Calé Fragranze d’Autore und Serge Lutens mit anschließender Verlosung eines SL-Duftes.
 
Die Veranstaltung ist begrenzt auf zwanzig Teilnehmer und das Beste: Es gibt noch Plätze, ich muss nur schnell meinen Anmeldecoupon ausfüllen und abschicken! Na, das mach ich doch postwendend, auch wenn ich bisher mit Serge Lutens-Düften keinen Treffer gelandet habe. Kann ja noch kommen und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Das Erlebnis dieser Duftlesung kann mir jedenfalls keiner nehmen.
 
Hach ja… Die Brüder Grimm Stadt Hanau ist wohl endlich aus ihrem Dornröschenschlaf in Sachen Nischenparfums aufgewacht. Und das ist kein Märchen.