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Puck1s Blog
vor 12 Jahren - 21.12.2011
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„Devise Sauberkeit“*- das Schicksal der Firmen Scherk und Albersheim

 

Mit großer Neugier hatte ich die Ausstellung im Museum Judengasse in Frankfurt erwartet und es nun gestern auch geschafft, mich auf dem Weg zu machen.

Ich erhoffte mir mehr Hintergrundwissen in Bezug auf die Produkte von Albersheim, da ich selbst welche besitze, darüber hinaus interessiere ich mich für Geschichte und speziell als Zugezogener für die Geschichte Frankfurts, noch dazu, wenn die Firma ganz in meiner Nähe am Frankfurter Hauptbahnhof ansässig war.

Die Ausstellung selbst wurde zuerst in Berlin gezeigt und nun in veränderter, erweiterter Form in Frankfurt am 14. Dezember eröffnet. Sie widmet sich in acht Vitrinen dem Familienleben, dem Aufbau der Firmen, ihrer Arisierung, Rückübertragung und letztendlich ihrem langsamen Niedergang.

Ich hatte bei meinem Besuch gleich zweifaches Glück: war ich zunächst unglücklich, weil es so gar keine Publikation zur Ausstellung gibt, erlaubte mir ein netter älterer Herr vom Aufsichtspersonal zu fotografieren. Später, als ich meinen Rundgang gerade beenden wollte, erlebte ich einen Mann, der voller Leidenschaft über die Ausstellung sprach. Wie sich herausstellte handelte es sich um einen der beiden Kuratoren (Michael Lenarz) und er schulte gerade die künftigen Museumsführer. Stand ich erst am Rand und sperrte mein Ohr auf, vergaß ich mit der Zeit, dass ich eigentlich nicht dazu gehörte und sperrte beide Ohren weit auf.

Ich wusste bereits, dass beide Firmeninhaber verwandtschaftliche Beziehungen hatten, wurde nun aber über die ‚Ausmaße‘ genauer aufgeklärt: ursprünglich wurde man mit einem Bekleidungsgeschäft in der Innenstadt Frankfurts (Zeil, bzw. Liebfrauenstraße in der Nähe der heutigen Parfümerie Kobberger) ansässig, das unter dem Namen Gustav Carsch geführt wurde. Sollte nun ein Düsseldorfer hier lesen (außer meinem Mann)- ja, Gustav und Paul, der dem Carsch-Haus in Düsseldorf den Namen gab, waren verwandt. Der Onkel der Familie war Dr. Moritz Albersheim, der kinderlos blieb und seinen Neffen Walter Carsch zusammen mit Fritz Albersheim die Firma hinterließ. Die Nichte von Moritz Albersheim  Alice Carsch wiederrum heiratete einen Ludwig Scherk, der zunächst Albersheim- Produkte vertrieb, später aber eine eigene Firma in Berlin gründete. Nun haben wir erstmals die beiden Firmen beisammen und es wird deutlich, warum die „Familienbande“ eine eigene Vitrine brauchen.

Für Parfumos vielleicht noch interessanter sind natürlich die Produkte, die beiden Firmen herstellten: Albersheim stellte erstmals eine komplette Körperpflegelinie mit einem Duft her „Khasana“. Man verpackte das ganze einheitlich (auch das ist neu- corporate design sozusagen) in Beige, Dunkelblau und Gold und holte sich recht schnell bedeutende Namen wie Professor Karl Franz Delavilla (österr.-deutscher Grafiker, Designer, Illustrator und Kunstprofessor) mit ins Boot. Parallel dazu nutze man schon 1923 das Medium Werbefilm, wie in Einzelbildern unter http://www.pinschewer.de/index.php?id=26&page=2&no_cache=1 zu sehen. Neben dem Duft findet man Lippenstifte (in Stanniolpapier verpackte Stifte, aber schon mit Metallhülse), Rouge und Körperpuder. Weitere Düfte sind Li (fernöstlich angehaucht im Design)  und Shangri-La (darüber weiß ich gar nichts). Daneben existieren unter dem Namen „Peri“ Rasierprodukte und eine Hautcreme. Selbst am Automaten kann man etwas erwerben, einen „Darupan“-Nagelpolierstein. Leider erfährt man kaum, bzw. nichts über die Düfte, aber das ist auch nicht die Intention der Ausstellung.

Die Produkte der Firma Scherk entstehen etwas später und sind vor allem vom Art Deco geprägt, wie die „Cold Cream“, „Tarr“ (Rasierwasser) „Mystikum“ (Parfum und Puder) und ein Gesichtswasser „Lara“ bezeugen.

Mit der Machtübernahme beginnt für Albersheim (auf die ich mich –man möge mir meinen Lokalpatriotismus nachsehen, jetzt ausschließlich beziehen werde) eine lange Zeit der Unsicherheit. Walter Carsch ist Jude, Erna Albersheim gebürtige New Yorkerin und eine vorausschauende Frau, die ihre amerikanische Staatsbürgerschaft erneuern ließ. Schon früh gibt es Bemühungen, die Firma zu verkaufen, immer wieder wird dies von den neuen Machthabern verhindert (z.B. Verkauf an IG Farben), es wird viel zu wenig Geld geboten oder es ist abzusehen, dass mit dem Verkauf der Firma an die Interessenten zugleich ihr Ende besiegelt wäre.(Interessenten mit richtigem Parteibuch aber ohne Ahnung vom Geschäft) Die Verantwortung ihrer Belegschaft gegenüber lässt sie zögern und sämtliche Beziehungen (zum Beispiel zum amerikanischen Konsulat) nutzen. Der Verkauf an einen Dr. Korthaus scheint letztendlich das geringere Übel gewesen zu sein. Doch am 10. November 1938 wird das Ladengeschäft auf der Kaiserstraße 9 zerstört; Dr. Korthaus kommt mit dem Schild, das dem Inhaber bestätigt, ein arisches Geschäft zu führen, um einige Stunden zu spät. Mit Hilfe der Fabrikarbeiter wird der Laden nach nur einem Wochenende wieder geöffnet. An den Produkten ändert sich außer der Aufschrift Dr. Korthaus AG nichts; nach Kriegsbeginn ändert sich die Produktpalette und wird auf die Versorgung des Militärs ausgerichtet. Walter Carsch lebt zu dieser Zeit in Großbritannien und Erna Albersheim in den USA.

Schon 1946 beginnt das Rückgabeverfahren unter der Treuhänderschaft von Karl Preuss, Walter Carsch kehrt monateweise nach Frankfurt zurück und man startete erneut eine Produktion. 1959 zog sich W. Carsch aus Altersgründen zurück und die Firma wurde verkauft- zunächst an Bristol-Myers, die versuchten über einen guten eingeführten Namen ins Deutschlandgeschäft einzusteigen. Das funktionierte nicht wie erwartet, Clairol war die nächste Station und die letzte war dann Henkel, wo man unter Henkel-Khasana immer wieder neue Produkte einführte, im Gedächtnis haften geblieben ist mir nur Creme 21, weil ich die kenne. (Hier könnten sich einige Ungenauigkeiten eingeschlichen haben; Firmennamen werden in der Ausstellung nicht explizit genannt, die musste ich mir merken). 1977 wurde auch dieser Markenname gelöscht. Letztendlich kann man sagen, dass die Firma bis zum Verkauf 1959 existierte.

Meine eigenen Fragen zu Duftnoten bleiben ungeklärt- ich selbst besitze „Li“ als Eau de Cologne -, aber meine Neugier auf alles, was die Firma betrifft, ist noch nicht gestillt, eher angeheizt worden.

Wer sich für Geschichte und Design interessiert und damit leben kann, dass er nichts zum Schnüffeln unter die Nase bekommt, dem sei diese Ausstellung empfohlen.

*Das Motto der Ausstellung wurde einem Zeit-Artikel von 1950 zum Wiederaufbau der Firma Albersheim entnommen.

Einige Bilder zur Ausstellung befinden sich in meinem Blog unter dem ersten Artikel.


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