Seidelann

Wer gerne Musik hört wird das Gefühl kennen, das sich einstellt wenn ein neues Album einen Volltreffer im eigenen Ohr landet. Für mich fühlt es sich - und das kommt leider nicht häufig vor - wie ein unerwartetes Geschenk an und ich höre mich genüsslich durch die verschiedenen Lieder.
Genau das Glücksgefühl stellt sich bei mir ein, wenn ich - meistens zufällig - über einen ganz speziellen Duft stolpere, der mich in seinen Bann zieht. In meiner Jugend war es von Jean Paul Gaultier "Madame", in meinen frühen 20ern "Armani Code Femme". Seitdem habe ich viele angenehme Gerüche in allen Preisklassen kennengelernt. Es war aber nie mehr so, dass ich meine Welt in ihm tränken wollte....
... bis zu einem Frühlingstag, an dem ich in der Bonner Rheinaue spazieren ging. Eine junge attraktive Frau lief an mir vorbei und schon von weitem bewunderte ich sie für ihren Stil. Sie war für das Büro gekleidet, wirkte aber nicht bieder sondern frisch und modern. Als sie sich unmittelbar näherte, nahm ich ihren Geruch wahr und stufte ihn zunächst als "ganz lecker" ein. Mit jedem Schritt den ich mich von ihr entfernte und sich ihre dezente "Duftfahne" mehr und mehr durch den Wind verflüchtigte, hatte ich aber das Verlangen mehr davon zu riechen. Um die Gelegenheit nicht zu verpassen, drehte ich mich um, lief hinter ihr her und fragte sie nach ihrem Parfum. "Molecule 1" war ihre Antwort und ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts davon gehört oder gelesen. Schnell tippte ich eine Notiz mit dem Namen in mein Handy und begann Zuhause mit der Recherche. Was ich zu lesen bekommen habe machte mich neugierig. Angeblich soll den Geruch nicht jeder riechen können bzw. anders wahrnehmen. Das machte ihn mir noch sympathischer - ich mag polarisierende Personen, warum also nicht auch mal einen polarisierenden Duft ausprobieren?

Ich musste mich also selbst davon überzeugen. Das riechen klappte schon mal wie ich wusste, wie der Duft auf meiner Haut wirkt, war bis dahin aber offen. Wenige Tage später schaute ich in der Parfümerie meines Vertrauens vorbei und - welch ein Glück - ich konnte den Duft vor Ort testen und zögerte nicht, meine Handgelenke damit zu benebeln. Überlagert von dem Geruch der Umgebung war ich zunächst enttäuscht - der Geruch entsprach überhaupt nicht dem frischen, grünen Geruch, den ich an der jungen Frau wahrgenommen hatte. Enttäuscht verließ ich die Filiale.
Ich schlenderte durch die Einkaufsstraße und auf einmal stieg er mir an der frischen Luft dann doch noch in die Nase. Da war er, der Duft den ich seit unserer ersten Begegnung vermisst hatte! Und er hat genau wie erwartet gerochen.
Sicherlich werde ich mich irgendwann wieder au die Suche nach einem neuen "dem einen Duft" begeben, seit mittlerweile drei Jahren bin ich aber glücklich an "Molecule 1" vergeben und genieße jede Ausprägung, die er über den Tag auf meiner Haut annimmt.
Wenn man mich fragt, wie der Duft für mich riecht, dann würde ich laienhaft mit "Wiese, Frühling, Wasser, dem Cocktail "Aviation", Sonne, Intelligenz, Androgynität und Leichtigkeit" antworten. Experten würden bei dieser Beschreibung vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen - für mich ruft er aber genau diese Bilder hervor.