TheScenter
TheScenters Blog
vor 8 Jahren - 07.10.2016
9 27

Eine Hommage an die Subjektivität - das gewisse Etwas

Schon lange frage ich mich, wie unterschiedlich und vielseitig unsere Wahrnehmung ist. Was dem einen gefällt, ist für den anderen abstoßend und umgedreht. Man kann thematisch hier in die tiefe Biologie oder Psychologie abdriften, oder es ganz nüchtern betrachten und seine Sicht der Dinge mal beschreiben.

Ich interessiere mich schon für Düfte, solange ich denken kann. Als Kind mochte ich im Sommer den Geruch von Regen auf dem von der Sonne erhitzten Boden (Petrichor) oder den Geruch auf meiner Haut. Mein Umfeld sagt mir gerne nach, eine „gute Nase“ zu haben, da ich meistens der Erste bin, der einen Geruch wahrnimmt. Parfüm zu benutzen war anfangs sicherlich davon geprägt, für andere gut riechen zu wollen und positiv in Erscheinung zu treten, später spielte jedoch das eigene Wohlbefinden eine immer größere Rolle, sich dem Anlass entsprechend mit einem Duft identifizieren zu können.

Es ist unheimlich komplex, einen Duft aufgrund seines subjektiven Eindrucks als „gut“ oder „schlecht“ zu bewerten, wie man hier auch in einigen Kommentaren und Bewertungen feststellen kann. Es spielen einfach zu viele Faktoren eine Rolle. Auffällig finde ich hierbei den Verlauf des Gesamteindrucks eines Duftes, sofern man ihn langfristig trägt. Man gelangt schließlich zu der Frage „Wie lange ist ein Duft gut und wann wird er eintönig, langweilig? Ich habe diesbezüglich die Erfahrung gemacht, dass mich Düfte immer reizen, sofern sie „fremd“ und „neu“ sind. Genauso gut feststellen lässt sich diese Eigenart sicherlich bei einigen Konsumgütern und allem was dem Spruch „man will immer das, was man nicht hat“ naheliegt. Aber im Universum der Duftnoten scheint das noch ein wenig anders und spektakulärer zuzugehen, wie ich finde.

Sicherlich muss ein Duft notentechnisch eine Besonderheit haben die insgesamt harmoniert und in das eigene Raster passt, aber darüber hinaus ist es das gewisse Etwas, was einen neuen oder fremden Duft auszeichnet. Ihm wohnt ein gewisser „Zauber“ bei. Kurz nach der Aufnahme des Duftes, leistet unsere Amygdala zusammen mit dem Cortex bemerkenswerte Arbeit und erzeugt in Bruchteilen von Sekunden Assoziationsmuster, die sich dann bestenfalls niedergeschrieben in den Kommentaren eines Duftes hier im Forum wiederfinden.

Geprägt von der Anziehungskraft dieses Duftes, besorgt man sich eine Abfüllung oder ein Flakon und fängt an ihn zu tragen. Nach einigen Tagen merkt man dann das typische Ergebnis der bemerkenswerten Zusammenarbeit zwischen unseren Rezeptoren in diversen Hirnarealen: Nicht nur die Sillage und Haltbarkeit wird von uns aufgrund der Adaption (natürliche Gewöhnung an einen Geruch) anders wahrgenommen und daher oftmals unterschätzt, sondern der Duft an sich wird plötzlich anders wahrgenommen. Möglicherweise ist er nun sogar mit einigen Assoziationen aus dem Alltag verbunden. Sehr stark empfinde ich diesen Verlauf bei Lalique – Enrce Noire, der mich eine Zeit lang ziemlich beeindruckte. Ich nahm die zahlreichen Holznoten als frisch, elegant und einzigartig wahr. Ich konnte mir ihn sehr gut als Businessduft vorstellen. Nachdem ich ihn hin und wieder auch bei etwas wärmeren Temperaturen oder zu unvorteilhaften Anlässen nahm, verschob sich dieser Gesamteindruck komplett. Ich finde ihn immer noch wundervoll, die Hölzer haben jedoch ihre Frische verloren. Ich sehe mich mit ihm nun eher auf dem Waldboden sitzen, als im obersten Geschoss eines Großstadtbüros. Darüber hinaus ist eine Duftnote aus ihm herausgekommen, die ich anfangs in keiner Weise wahrnehmen konnte. Und so ist es bei mir bei einer Vielzahl von Düften, was auch meiner Meinung nach der eigentliche Grund ist, sich mit keinem „Signaturduft“ identifizieren zu können. Es sind vielmehr Signaturduftrichtungen, die man präferiert oder nicht.

Bei einigen Neuerscheinungen auf dem (Massen-)Markt, findet derzeit ein ziemlich starkes „Bashing“ statt. Dass hier keine (türkisfarbenen) Marketingstrategen mitreden, die Nieschendüfte massenfähig machen wollen, sondern sich vielmehr kritische Stimmen erheben, finde ich ja prinzipiell gut, aber andererseits ist auch nicht direkt alles schlecht, was nicht der persönlichen Erwartungshaltung einer bekannten Marke entspricht. Ungeachtet der Qualität und Haltbarkeit, ist ein Duft prinzipiell weitaus komplexer als hier oftmals diskutiert werden kann. (Insbesondere vor dem Hintergrund persönlicher Assoziationen und Eindrücke)

Es ist und bleibt ein interessantes Thema, eine Leidenschaft, Düfte zu testen und mit ihnen auf die Reise zu gehen, unbewusst Assoziationen zu erzeugen, um sie schließlich subjektiv in einem anderen Licht stehen zu lassen.

9 Antworten