JuliTuli
22.10.2023 - 16:22 Uhr
2
8
Preis
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft

Für Liebhaber von Tankstellenduft

Im Rahmen eines Wanderbriefs (danke liebe J.!) kam ich in die Gelegenheit, Freeway zu testen. Auf diesen Duft war ich sehr gespannt. Benzin und verbrannter Gummi? Und dann noch von einer Nischenmarke? Das kann doch nicht gut werden. Schauen wir uns mal an, was die Parfumeurin Sarah McCartney zu ihrer Kreation sagt:

“It's the aroma of a freeway when the oil has run out, and the space has become a wildlife haven, with orange groves and white flowers. There are solar cars and bicycles, picnic tables and humming birds. Like everywhere in LA there's the background scent of cooking sugar. Mandarin petigrain essential oil gives it a strange note of evaporating gasoline, from the sun on concrete, and there's the deep dark hot rubber smell in the background.”

In der Tat, der Duft startet mit etwas, was ich als Mischung aus Benzin und Autoreifen verstehen würde. Der erste Eindruck ist brennend, als ob man zu viel Benzindampf um sich herum hätte. Dieser Eindruck verschwindet aber so schnell, wie er gekommen ist. Direkt danach bleibt etwas, was ich als “Erinnerung” von Benzin und Autoreifen bezeichnen würde. Man kann es schon irgendwie erkennen, aber es riecht nicht exakt so. Es riecht eher so, wie man sich vielleicht Benzin und Gummi vorstellt, wenn man es aus der Erinnerung abrufen muss – und davon nur die guten Seiten. Denn obwohl ich nie eine Liebhaberin von Tankstellenduft war, kann ich meine Nase ans Handgelenk führen ohne mit der Nase zu rümpfen. Benzin und Gummi in gut, ich bin beeindruckt.

Ziemlich schnell mischen sich dann auch die süßen Noten dazu, die das ganze abmildern, Benzin und Gummi ablösen und tragbar machen. Um im Bild von Sarah McCartney zu bleiben: Wir haben das Ende von LAs Highway erreicht und nun beginnt der Orangenhain, Familien sitzen da und essen Waffeln mit Vanilleeis. Süße Blumen blühen am Wegesrand. Hier ist es schön. Von hier an ist der Duft auch tragbar. Es ist eine gourmandige Süße. Benzin und Gummi lassen sich nur noch erahnen, etwas das mal war, aber nicht mehr ist, nur noch die Erinnerungs(reifen)spuren daran.

Selten hat mich ein Duft so beeindruckt wie dieser. Sarah McCartney hat ihre Vision in Freeway perfekt eingefangen. Man kann sich mit ihrer Beschreibung und dem Duft so gut in die beschriebene Szenerie hineinversetzen. So muss es also auf LAs Straßen und darüber hinaus riechen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Freeway wirklich tragen könnte. Die Kopfnote löst in mir nun nicht das Gefühl nach “So will ich riechen!” aus, sondern eher “Wow spannend, gib mir mehr Input davon!” und die gourmandige Süße ist mir etwas zu gourmandig und etwas zu süß für meinen persönlichen Geschmack (aber besser als die aktuelle Drogeriesüße). ABER dieser Duft beschreibt eine Vision von LAs Straßen, bestehend aus Benzin, Gummi, Gebäck und Natur und hat das SO unglaublich gut und tragbar eingefangen, dass ich dachte: Wow, das ist wahre Parfumeurskunst, ein Meisterwerk. Auch wenn ich diesen Duft vermutlich nicht tragen werde, wünsche ich mir eine kleine Abfüllung, damit ich diese olfaktorische Sinneserfahrung immer wieder erleben kann.
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