Agua Fresca von Adolfo Dominguez

Agua Fresca 1993

Schule
12.02.2017 - 17:08 Uhr
6
Sehr hilfreiche Rezension
7.5Duft 7Haltbarkeit 7Sillage 7Flakon

Mein Kumpel, der frische Verstärker

Wer kennt das nicht? Ein Freund, ein Kumpel, auf den man sich immer verlassen kann. Das Verhältnis ist unverbindlich, nicht zu eng, und man käme nie auf die Idee, ihn als besten Freund zu bezeichnen. Eine netter Kerl, eine gute Seele, mit unbestreitbaren Qualitäten, aber in bestimmten Punkten mit einem anderen Geschmack, mit einem anderen Standpunkt. Vielleicht auch etwas oberflächlich auf eine gewisse Art. Aber man weiß eben, dass er da ist, man selber ist ja auch für ihn da.

Agua fresca war ein Blindkauf, nicht sehr teuer, aber ich habe es nicht bereut. Die Aufmachung klassisch, solide, für die Preislage von der Verarbeitung her sehr gut.

Der Duft startet frisch, zitrisch, mit Bergamotte, gedimmter Mandarine, etwas grün und unterkühlt und behält das auch bei. Später übernimmt der Vetiver, der vielleicht etwas plakativ rüberkommt, aber so abgestimmt ist, dass es einen nicht erschlägt. Nicht zu rauchig, kratzig, vielleicht aber auch nicht so gediegen wirkend. Dazu ein paar holzige Noten, aber nicht sehr vordergründig.

Schön finde ich das Fehlen einer ausgeprägten Seifigkeit, die bei ähnlich konzipierten Düften oft automatisch "freihaus" geliefert wird. Die Würzigkeit ist da, aber zurückhaltend, übernimmt nicht wirklich das Kommando. Die angegebenen Einzelnoten kann ich bei leichter Stumpfheit, leichter Synthetik nicht wirklich herausriechen. Rosmarin und Lavendel vielleicht noch am ehesten.

Zitrisch-frisch mit Vetiver, etwas oldschool, ohne dabei zu altherrenhaft, cologne-mäßig, zu wirken. Qualitäten, die ich z. B. auch an Himalaya schätze, der auf mich aber einen feineren, aufwändigeren Eindruck macht.
Gutmütig, berechenbar - wohlwollend würde man es als ehrlich bezeichnen, weniger wohlwollend vielleicht als etwas stumpf und nicht besonders überraschend.
Solide, wie ein guter Kumpel eben. Nicht so exklusiv und besonders, um zum absoluten Liebling zu werden.

Aber da ich ja neugierig bin, kam ich irgendwann auf die Idee, dass die etwas eingeschränkte Vielfalt und Entwicklung besonders zum Kombinieren (Layern, Mischen) große Vorteile hat. Ich benutze den Duft dazu, mir etwas zu staubige, zu süße oder pudrige Düfte durch eine dezente Zugabe etwas aufzufrischen, etwas herbes hinzuzufügen, einen zu femininen Abgang abzufangen. Da macht sich die Berechenbarkeit ganz gut, eben gezielt etwas zitrisches und etwas Vetiver zu ergänzen. Dabei fällt neben mir neben dieser geplanten Wirkung eine gewisse fixativer Effekt auf, indem der andere Duft geboostet wird, etwas lauter und haltbarer ist. Möglich, dass auch Iso-E Super hier eine Rolle spielt, denn gewisse Parallelen zu Molecule 01 und Escentric 01 fallen mir auf, zumindest wenn sie in Kontakt zur Luft kommen und etwas degradieren. Etwas, das ich beim Duft selbst nicht bemerke, was beim Layern und Mischen aber zum Vorschein kommt.

Mag sein, dass das nicht die reine Lehre ist, in einem Gemälde malt man ja auch nicht mit nem Filzer rum, weil einem ein Detail nicht gefällt. Wer also die Nase rümpfen will, kann das gerne tun. Habe ich selbst ja innerlich auch gemacht. Es gibt so viele schöne Düfte, die für sich selbst funktionieren, da muss man doch nicht dilettantisch dran rumbasteln. Aber es hilft mir, rundet manch einen Duft nochmal schön ab, genau wie manche Momente mit nem guten Kumpel auch schöner sind, als alleine.
0 Antworten