Chèvrefeuille

Vetivier
23.06.2023 - 14:54 Uhr
5
Hilfreiche Rezension
9
Duft

Der Duft meiner Mutter

St. Tropez. Sommer, Sonne, Sonnenschein. Ich schlendere Eis schleckend am Kai entlang und bewundere, wie viele andere Touristen, die dicht gedrängten, luxuriösen Yachten. Sie erscheinen viel zu groß und zum Teil wuchtig im Vergleich zu diesem kleinen und feinen, sehr pittoresken Hafenstädtchen, die gefühlt um Ruhe bettelt. Weniger ist manchmal mehr, hänge ich meinen Gedanken nach und mein Blick fällt auf eine Parfümerie direkt am Hafen gelegen. Allez, c'est bon, denke ich und gehe zielstrebig und in freudiger Erwartung hinein. Ein kleiner, gut sortierter Laden mit sowohl Designer als auch Nischendüften, die alle ebenfalls alle in Deutschland vertrieben werden. Xerjoff, Creed und Amouage, um einige zu nennen und mich allesamt nicht ansprechen. Hier spielt Geld offensichtlich keine Rolle, beobachte ich. Tütenweise werden die Parfums rausgetragen, die Verkäuferinnen haben alle Hände voll zu tun. Hier werde ich nicht fündig, geht es mir durch den Kopf und beschließe wieder rauszugehen. Und da entdecke ich aus den Augenwinkeln heraus, etwas versteckt, die Düfte von Domaine Privé. Nie gesehen, gehört oder gelesen. Einfache weiße Flakons, und der Name auf den Etikettten ist Programm, stelle ich nach dem ersten Riecher fest. Sie gefallen mir sehr gut. Als ich beim Chèvrefeuille angelangt war habe ich in der gleichen Sekunde an meine Mutter denken müssen. Sie hat in meiner Kindheit gefühlt über Jahrzehnte nach dem Chèvrefeuille von Yves Rocher gerochen, den sie innig geliebt hat. Ich mochte ihn ebenfalls sehr an ihr. "Wo warst Du all die Jahre?" frage ich insgeheim das Flakon und beschließe es mitzunehmen, denn die Duftvorlieben meiner Mutter, sind auch die meinen.
Dieser Duft ist sehr frisch, spritzig und zitrich. Er wird mir nie zu grün wie, ich nenne mal ein Negativbeispiel: Philosykos Eau de Toilette. Er ist absolut linear, böse Überraschungen sind nicht zu erwarten. Ich mag geradlinige Düfte, so wie ich es privat auch zu schätzen weiß. Geradlinig, direkt und nicht hinten rum um ein einige Ecken... Ein Faktor, der mich sehr oft beim Testen von Düften gestört hat. Die Haltbarkeit ist wie bei allen Freshies: eher so lala, jedoch nicht: o lala!. Da nenne ich als weiteres Negativbeispiel Eau de Rochas Citron Soleil, das sich bereits direkt nach dem aufsprühen in die ewigen Jagdgründe verabschiedet.
Für mich persönlich ein besonderer Duft, der von mir gefunden werden wollte. Er ist nicht elegant, oder gar pompös, eher sehr einfach + schlicht und dennoch, oder gerade deswegen absolut liebenswert! Mein Blick fällt beim rausgehen wieder auf die Yachten am Hafen. Weniger ist soviel mehr, und gedenke meine Mutter.
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