Janice77de
01.03.2017 - 11:38 Uhr
16
Top Rezension
7
Flakon
6
Sillage
6
Haltbarkeit
8
Duft

Zwei Welten

Das Erste woran mich dieser Duft erinnert, ist meine Mutter, die in den Achtzigern in der Küche steht und ostdeutschen KOMET Erdbeerpudding kocht. Ich werde so ungefähr neun Jahre alt sein, und auch wenn es nicht wirklich nach Erdbeeren, sondern eher nach Vanille riecht ... *zack* da bin ich jetzt glatt dreißig Jahre zurück durch die Zeit, zurück in Mamas Küche gereist. Vielen Dank Herr Frédéric „Düsentrieb“ Malle für diesen irren Ausflug!

Und als wäre das nicht genug, öffnet sein Lipstick Rose auch noch einmal Mamas alte Schminktasche in der zweiten Schublade von oben im Flurschrank. Rosenpuder, Lippenstifte, Pinsel, Quasten! Und dann kommen die Veilchen, endlich, und vielleicht sind es "Rosenveilchen?" - Auch das ist für mich Kindheit in der Zone gewesen: Mein erstes Parfüm, an das ich mich erinnere: synthetischer Veilchenduft aus Leuna, Buna oder Bitterfeld. Ich vermute einfach mal, dass Veilchenchemie damals bei der Produktion von Vita-Cola oder SPEE-Waschmittel als Nebenprodukt angefallen ist, denn, wenn es eines im Osten gab, dann Veilchenparfüms! (Wobei Malles Veilchen sicher eher an ein Blütenfeld, als an Bitterfeld erinnern).

Doch die Mauer fiel in die andere Richtung. Gut so, sonst hätte Lipstick Rose auch nicht seinen Weg von Paris bis nach Bitterfeld gefunden. Und der Duft ist eben doch mehr als nur Planerfüllung. Nach ein paar Minuten eröffnete sich Dekadenz und Überfluss - es riecht nach sündhaft teueren Lippenstiften auf den sündhaft schönen Lippen von Frauen aus einer ganz anderen Welt: Wallende Locken und wildes Leben im Puderstaub von Paris! - nein, dann riecht es nicht mehr nach naiven Mädchen aus Bitterfeld, die sich zur Jugendweihe Kaltwelle in die Haare machen und mit synthetischem Veilchenparfüm einnebeln.

Der Duft wird weicher, breiter - Amber, immer mehr Amber nimmt eindrucksvoll den Duftraum ein und verleiht ihm eine leichte, vertraut warme Holznote - aber er behält dennoch sein Kühles, sein Distanziertes und eben Unnahbares - er hält Abstand von zu viel kindlicher Fantasie und von jugendlicher Arglosigkeit, er bleibt erwachsen.

Großartiger Duft, anders - Optimalerweise steht er direkt vorm Kosmetikspiegel und berührt am Morgen als Drittes, nach Händen und Wasser, die Haut.

(Und Freitagabends, in Jogginghosen und abgeschminkt auf der Couch? ... nun, ein paar Spitzer davon aufs Handgelenk, dann wird das Wohnzimmer sicher auch zum Catwalk. Im Westen darf man doch schließlich alles, dann sicher auch das!)

Negativ: Nach etwa 3 bis 4 Stunden muss ich nachsprühen, Haltbarkeit nicht überragend. Gegen Ende überwiegt auch eine etwas zu süße Note.
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