Acqua di Giò Profumo 2015 Parfum

TomGehFord
22.08.2023 - 12:24 Uhr
6
Hilfreiche Rezension
9
Preis
9
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft

Männlich-modern, modern-männlich, oder veraltet? - MEISTERWERK.

Ich überarbeite hiermit meinen Kommentar von vor einigen Jahren, da das "ADG Profumo" zwischenzeitlich leider eingestellt und durch das "ADG Parfum" abgelöst wurde. Es soll hierbei weniger um die x-te Beschreibung der Duftpyramide gehen - die sollte bei diesem unvergleichlichen Meisterwerk ja nun wirklich jedem bekannt sein. Vielmehr möchte ich eingehen auf dieses absolute Paradebeispiel der Anpassung neuer Düfte an den modernen Geschmack.

Zur Einleitung möchte ich gleich eines klarstellen und kurz auf das "ADG Parfum" eingehen: Ich liebe frische und holzige Düfte, also auch all das, was man hier als "neumodischen Duschgelduft" abtut um dann zu untragbar riechenden, pseudoelitären Schwachsinnskunstwerken der Parfümeurskunst zu greifen, um wie ein Kamelstall zu riechen...aber immerhin wie ein schnöseliger. Das ist zwar eine andere Geschichte, soll aber meinen Standpunkt verdeutlichen: Düfte sollen den Träger ergänzen und seine Persönlichkeit unterstreichen, und nicht diese verändern oder übertünchen. Rein objektiv gefällt mir das "ADG Parfum" somit auch. Sein einziges Problem ist nur die Existenz des "ADG Profumo".

Das "ADG Profumo" ist ein zeitloses Meisterwerk. Seit ca. 2015 (somit Mitte 20) in meinem Besitz und jeweils (!) mehrere Flakons der Größen 180 ml, 125 ml und 75 ml aufgebraucht, denke ich mir ein Urteil über seine Klasse erlauben zu können. Es ist eine Allzweckwaffe, und in meinem Fall sogar noch mächtiger als das allseits glorifizierte "Aventus" (das ich bis 2019 auch liebe). Nein, wir fallen hier nicht auf das Niveau der Komplimentejäger ab, welche zur Selbstbestätigung das positive Feedback und die Höschen imaginärer Damen anderer benötigen. Dennoch ist seine Wirkung (an mir) so wunderbar exemplarisch für all das, was ich ausdrücken möchte. Daher kratze ich das Thema der Komplimente an einigen Erfahrungen mal an, ohne diesen einen hohen Wert beizumessen. Sagen wir, ich betrachte die Geschehnisse auch heute noch mit Bewunderung und Freude von außen, ohne sie jemals bewusst herbeigeführt haben zu wollen.

Der Duft war wie seine Reaktionen "einfach da" (er war damals mein einziger Duft) und hat mein sehr aktives Datingleben bis vor einigen Jahren (als man noch eine klassische Geschlechterdynamik bzw. Anziehung wahrnahm) maßgeblich mitgestaltet. Frauen klebten mir regelrecht am Hals. Mich erreichten beispielsweise nach Clubabenden teilweise Nachrichten von völlig fremden Frauen auf Facebook, und als Anlass diente die Frage, wer denn "der gutriechende Mann von gestern" sei. Wer weiß, wie sie mich so einfach fanden. Und wer weiß, wieso sie mich mit Beziehungsintentionen anschrieben. Der Herr behüte einen vor Frauen, die schon solchen Invest auffahren um jemand Fremden zu unterwerfen. Nun ja. Von anderen Lebens-, äh, Wochenabschnittspartnerinnen wurde teilweise mein Shirt behalten und von den Damen zur Arbeit getragen, um weiterhin an mich denken zu können. Dass ihre Bett- oder Couchkissen das "ADG Profumo" weitertrugen, hielt die Damen bei Laune und ihre Sehnsucht gefühlt intakter. Und vor kurzem traf ich eine Verflossene wieder, welche kurzfristig wieder zu mir geflossen war (und danach wieder davongeflossen ist, seltsame Strömung...). Sie fragte mich, ob ich denn noch diesen "zedrigen Duft" von damals habe. Welch unnötige Frage. Komm mal näher, Kleines. Uiihhii. Und ein männlicher Kollege ruft mir teilweise auch heute noch ein völlig kommentarloses "Profuuuuumo!" zu, einfach so, ohne weiteren Hintergrund oder Bedeutung. Das "ADG Profumo" ist all das, was ich entweder schon bin, oder sein möchte. Es verkörpert mich quasi in flüssiger, aber vor allem perfektionierter Form. Und wer strebt schon nicht nach Perfektionismus in etwas Bestimmtem? Jemand sagte es mal in etwa so: "Das ist einfach dein Duft, keine Ahnung". Und ich kann das nur bestätigen. Keine Ahnung wieso.

Wäre der Duft ein Mann, dann wäre er kantig, dunkel und doch fresh (ein ebenbürtiger deutscher Begriff fällt mir tatsächlich nicht ein), ein Statementsetzer mit eigener Meinung die er mit aller Kraft vertritt und niemals von ihr abrückt, ein Anführer in modernem Gewand und mit Prinzipien der alten Schule. Er hätte Persönlichkeit mit Tiefe, wäre geheimnisvoll, würde von guten Männern respektiert, von Frauen geliebt, von Knechten gefürchtet, wäre rational, durchaus auch kaltschnäuzig und nur in kurzen Momenten nahbar, sich selbst am meisten vertrauend und unbeirrbar. Er wäre kein klassischer Gentleman, sondern von der rauen Sorte. Das bedeutet auch: Er pfeift auf deinen Wunsch nach der 1749. Duftbeschreibung, damit du dich in der Kommentarpolizei kurz wichtig fühlen kannst. Nein, er packt dich stattdessen am Kragen, drückt dir eine Bergamotte im Gesicht aus und lässt dich dir in einem Schwall Weihrauch einen abhusten, bis du ihn um Entschuldigung bettelst, während du dir deine oversized Hose hochziehst. Heute nennt man so jemanden "stabil". Und "ADG Profumo" ist so stabil wie es eine Flüssigkeit nur sein kann.

Doch nun das Trauerspiel: Er wurde eingestellt und nach Verweichlichung unter neuem Namen auf den Markt gebracht. Weil er nicht mehr so richtig zum Markt passt. Wundert uns das im Jahr 2023 wirklich? Wie gesagt, das "ADG Parfum" an sich ist kein schlechter Duft. Aber der in meiner Vorstellung so stabile Mann ist ganz gesellschaftskonform eingeknickt, hat seine Ecken und Kanten verloren, seine geheimnisvolle Persönlichkeit voller Tiefe ist einem oberflächlichen, massentauglicheren Dasein gewichen. Er eckt nicht an, er hat keinen Mumm und keine so starke Präsenz mehr. Hätte er sich schlecht verkauft, wäre eine Generalüberholung angesagt gewesen, und kein "Feinschliff" (im negativen Sinne) unter fast identischem Erscheinungsbild wie hier.

Die Masse mag ich auch sehr, wie anfangs erwähnt. Aber das "ADG Profumo" hat diese Masse angeführt und ist nun als "ADG Parfum" in ihr untergetaucht. Es ist nun modern männlich, und nicht mehr männlich-modern - das ist ein Unterschied. Für einige war es ja ohnehin altherrenmäßig (DAS habe ich wirklich noch nie verstehen können).

Doch ich akzeptiere diesen Wechsel nicht. In meinem Duftschrank warten nämlich noch u. a. ein ultraseltener 300 ml-Flakon von 2016 (das Teil ist wirklich riesig) und noch einige weitere kleinere Pullen darauf, angebrochen zu werden. Für mich bleibt er für immer männlich-modern. Der perfekte bzw. perfektionierte, vollkommene, klassische Mann. Ich werde mein Leben lang "ADG Profumo" tragen, und irgendwann werden wir vielleicht eins werden. Danke, Herr Morillas. Mit dem Duft kann sich ein Mann eigentlich nur selbst übertreffen.
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