Apicius
13.03.2010 - 04:50 Uhr
15
Top Rezension
8Duft 7.5Haltbarkeit

Old School Lavendel

Bei Gravel, Baujahr 1957, ist es nicht nur, aber auch die Optik des Flakons und die Geschichte drum herum, die den Reiz ausmacht, diesen Duft zu besitzen.

Gravel wurde als erstes und einziges (Herren)parfum im Jahre 1957 von Michael Knudsen in den USA geschaffen. Am Boden des Flakons befinden sich kleine Flusskiesel, englisch „gravel“, die angeblich für eine mineralische Note sorgen und vor allem die bräunliche Farbe des Parfums hervorrufen sollen. Seit 1957 sammelt Herr Knudsen persönlich die Steinchen an der amerikanischen Ostküste ein, um sie liebevoll in die Flakons seiner stets limitierten Abfüllungen zu werfen.

Diese Geschichte klingt allzu sehr nach Verkaufsmärchen. Immerhin ist das Parfum selten. Außer bei Ausliebezumduft habe ich es bisher nur – aber immerhin doch – bei Brückner in München gesehen. Nach soviel Schnickschnack also mal zum Eigentlichen.

Gravel entpuppt sich nach dem Aufsprühen als reinrassiges Lavendelwasser im alten englischen Stil. Dass gerade Lavendel in der Zutatenliste nicht aufgeführt ist, finde ich unverständlich. Der Lavendel sitzt auf einer holzigen Basis. Obwohl sowohl Holz, als auch das Lavendel angenehm kräftig ausgeführt sind, kann man es noch nicht als knarzig bezeichnen. Ich denke, mit „balsamischen Noten“ könnte Tannenbalsam gemeint sein. Jedenfalls riecht es auch etwas harzig, und ein kleines bisschen nach Tannennadeln. Allerdings nicht so extrem, dass man ein Waldparfum wie Acqua di Selva vor sich hätte. Dass auch ein wenig Weihrauch drinnen ist, liest man gerne, allerdings ist der wirklich kaum zu spüren. Ich gehe davon aus, dass er der Lavendelnote etwas von ihrer Tiefe verleiht. Gravel ist leicht süß, besonders am Anfang, und insgesamt schön kräuterig. Nach einiger Zeit meine ich, in der Basis ganz verhalten und gelegentlich etwas Moschus zu spüren – wirklich mimimal und dadurch interessant. Kein Vergleich mit Villoresis Weichspüler-Lavendel. Und zwar in Zusammenhang mit dem Holz. Ich denke, neben dem Sandelholz ist auch etwas Zedernholz drin. Vielleicht täusche ich mich, aber jedenfalls entdecke ich hier ganz minimale Spuren eines Moschus-Zedernholz-Akkords, wie er beispielsweise in dem hervorragenden Cedro von Acca Kappa prägend vorkommt.

Gravel ist so angenehm und gut, dass ich es sofort mal einem Vergleichstest mit meinen anderen beiden Lavendeldüften Oxford & Cambridge von Czech & Speake sowie Utopian von Social Creatures unterziehen musste. Dabei stellt sich heraus, dass es bei weitem nicht die Lavendel – Prägnanz, aber auch nicht die Muffigkeit und Knarzigkeit von Oxford & Cambridge besitzt. Es ähnelt viel mehr dem dezenten Utopian. Aber Gravel ist kein Utopist, der Neues schaffen will, sondern durch und durch old school. Es bleibt alles im Rahmen des typischen, elegant-krautigen Lavendelgeschehens.

Ich denke, es ist ein sehr gutes Lavendelwasser. Leider kenne ich aus dieser Duftrichtung noch nicht so viele Vertreter bei den Herrenparfums. Denn Lavendel ist im Moment leider etwas aus der Mode gekommen. Zurzeit kann ich daher noch kein Ranking aufstellen. Es wäre lohnenswert, sich da mal durch zu probieren. Das Angebot ist ja durchaus noch überschaubar.
2 Antworten
ApiciusApicius vor 16 Jahren
Wenn ich irgendwann mal mehr Lavendeldüfte ausprobiert habe, schreibe ich dazu mal einen Überblick im Forum.
BoomerBoomer vor 16 Jahren
Klasse Kommentar,kompetent wie immer!
Ja,Lavendel hat es heute wirklich schwer.Ich kenne keine Duftnote,die momentan (in reiner Form) so wenig geschätzt wird wie diese.
Vielleicht gerade deshalb ein spannendes Feld, bekanntlich kommt ja alles wieder