Envy for Men 1998 Eau de Toilette

NLX
30.09.2016 - 05:01 Uhr
9
Hilfreiche Rezension
10
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft

Die Reiseflughöhe

...war bereits seit geraumer Zeit erreicht und bis Frankfurt am Main sollten en nun noch ein Stück mehr als 3h Flugzeit sein. Es war einer dieser wunderbaren Tage im Hochsommer. Cavok! Keine Turbulenzen, monotones geradeausfliegen , Langeweile! Doch dann der erlösende Moment. Ich blätterte noch einmal in der Boardzeitung der ehemaligen Hamburg International zur nächsten Seite und sah dieses Bild ! GUCCI ENVY. Mehrere aufeinander gestapelte, in verschiedene Richtungen zeigende Flakons mit überdimensioniertem Deckel in Jetblack und grünem Inhalt. Ich war von der Aufmachung der Anzeige begeistert und bestaunte die designerspeziefische Kompetenz der Marketingabteilung Guccis. Selten habe ich eine Parfumwerbung gesehen die so ansprechend gestaltet war.
Ich war nie der Fan von grünen Düften. Schon damals am Anfang meiner 20er nicht. Dennoch hat mich Guccis Exmarketing, welches damals tadellos war, wie auch immer überzeugt. In Frankfurt angekommen entschied ich mich dann trotz totaler Übermüdung noch schnell diesen Duft im DF zu suchen. Ich hielt gespannt das Flakon in der Hand, welches von Fingerabdrücken übersaht dann doch in live nicht ganz so wunderschön war wie ich es erwartet hatte. Schwamm drüber und den ersten Push auf den Pappstreifen! Ich war wie versteinert und entgegen allen Erwartungen führten die Farbstoffe des Duftes meine Erwartungen umgehend ad absurdum! Kein grüner Duft! Zum Glück. Ich wagte den Test auf meinem Unterarm und vierlies die Parfumabteilung um die Heimfahrt anzutreten.

Der Duft bestach zunächst mit einer sehr fruchtigen Kopfnote von Zimt und Koriander getränktem Sirup süsser Zitrusfrüchte. Es war einer der ersten Düfte mit echtem Verlauf und Mehrschichtigkeit denen ich begegnet bin. Er lieferte über Stunden eine herausragende Sillage und im Verlauf seiner fuer ein EDT überragenden Haltbarkeit eröffneten sich immer neue Duftspitzen von ambriertem Leder, Gewürzen und einem Hauch pudrigkeit. Kopf,Herz und Basis hier im zeitlichen Verlauf deutlich zu trennen war schwer. Selbst nach Stunden und nach meiner Ankuft zu hause konnte ich die Suesse der nahezu kandierten Zitrusfrüchte auf Vanillin wahrnehmen. Ich mag normalerweise keine Vanille. In diesem Duft jedoch war diese auch auf meiner recht anspruchsvollen Haut wunderbar harmonisch.

Der Duft zählt zu den besten Releases die es jemals auf dem Markt jenseits der "echten" Nische gab.
Müsste ich diesen heute blind mit geschlossenen Augen riechen und einen Tip bzgl des Parfumeurs abgeben wuerde ich sofort auf Gualtieri tippen!
Ich mag behaupten es entstünde der Eindruck als waere er sogar durch diesen Duft inspiriert gewesen damals. Falls ich ihn treffe, werde ich mich mich sicherlich mit ihm über diesen Duft unterhalten wollen. Dieser Duft bietet so viel Gesprächsstoff und war sicher eine enorme Herausforderung fuer Daniela Andrier. Ich habe wirklich fast alle Düfte von ihr probiert und muss sagen, dass dieser sicherlich einer ihrer besten war. Wenn nicht sogar der beste.

Fuer alle die ihn nicht miterleben durften. Verpasst habt ihr auf jeden Fall etwas. Und dies sage ich nur ungern. Auch in diesem Falle habe ich bis heute keinen ehrwürdigen Nachfolger oder ein Dupe gefunden.

In meinem subjektiven Empfinden lässt er sich als eine Kreuzung zwischen Blamage, Chinawhite und Prada Amber pour Homme beschrieben.
Das mag die Vorstellungskraft der meisten überschreiten, soll die Beschreibung noch simpler sein stelle man sich Blamage mit reduzierter Intensität vor mit Mandarine statt Pfirsisch und Vanillezusatz.

Am Ende bleibt die Frage warum solch ein Kulturgut verloren geht. Es ist mir ein Rätsel. Ich kann mir den Untergang dieses grandiosen Duftes nicht erklären.
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