Ooonidda
14.10.2025 - 08:53 Uhr
4
9.5Duft 8Haltbarkeit 7Sillage 8Flakon 9Preis

Ein kuscheliger Fassgeist

Heute plumpse ich, Nase voran natürlich, in ein schönes altes Holzfass. Mal wieder aus der Kategorie: Man muss sich auch an Noten herantrauen, die einem Angst machen.
So ist's mit mir und der Booziness und Gourmands, geplagt vom Zeitgeist mache ich gerne einen Bogen um alles, was nach Angels' Share klingen könnte und mit Fixativen dermaßen aufgepeitscht ist, dass ich nur noch Melasse und Kleber rieche. Doch Euan McCall enttäuschte mich bisher nicht und hat mir noch nie die Nase mit fixativen versengt, somit: rein da!

Öffnet man dieses Fass, springt einem erstmal fauchend der Sprit-Geist entgegen. Typische Jorum-Krautigkeit. Zu Beginn kriege ich nicht viel von den Spirituosen-Noten oder Gourmand ihr Süße; nein, es dominiert kurz eisiger Wind und Kräuter. Kurz blitzt ein Birnenkompott auf einem warmen Brownie vorbei und schon ist er wieder weg, Vielleicht will ich deswegen ja noch tiefer in das Fass?
Ist das die Kamille und der Ahorn? Oder ist das der Alkohol, der evaporieren musste, bevor ich mich mit der Nase am Arm festschnüffelte? Gegebenenfalls ist das aber auch der gehörige Schluck Whiskey, den ich mir gleich am Anfang genehmige, bevor ich den Diogenes im Fass mimme.
Jedenfalls beruhigt sich die Aufregung binnen der ersten halben stunde, und es wird kuscheliger, holziger, wärmer. Auch etwas süßer und weicher. Jedoch ist die Sillage vom Beastmode so weit entfernt, wie es nur geht. Es ist eher ein subtiler, um einen wabernder, warmer Schleier, und das kühlende Ahorn-Kamille-Gemisch bändigt die gourmandige Situation sehr gut.

Nun zum Mittelpunkt des Duftes. Irgendwie hat Euan McCall es hier geschafft, tatsächlich den Duft von ehemals Alkohol-getränktem Holz nachzuahmen. Die Minibar steht hier nämlich mitnichten im Vordergrund; es ist das mit diversen Spirituosen durchgetränkte, dunkle, kuschelig-süßliche Holz. Die Wärme, die leichte Rauchigkeit des Guajakholzes oder des Labdanums, dazu herrlich cremige Whiskey-Lactone, darüber schwebt hauchfeiner Kakaostaub, und das alles eingebettet in dunkel glänzendes, kuscheliges Holz.

Hinter all dem Kamille-Frischen, leicht Krautigen, holzig-Warmen und Kakao-bepudertem Whiskeyfass-Treiben kann man tatsächlich auch etwas Rum erahnen. Gegebenenfalls rieche ich das auch, weil es hier gelistet ist. Was man nach ca. 1h schön im Hintergrund wahrnimmt, ist das Leder, auf dem ein paar Kaffeebohnen ruhen. Als hätte ich bei meiner Fass-Erkundungstour eine schöne, tiefschwarze, aber butterweiche Lederjacke an. Gegebenenfalls habe ich mir heute auch schon einen Schluck Kahlua genehmigt. Jedenfalls riecht es hier süßlich-kaffeeartig, doch nicht laut, eher wie eine Erinnerung an einen schönen Schluck des guten Stoffs.

Wie bei vielen Jorums entwickelt sich der Duft binnen einer Stunde und verbleibt danach minimal changierenden und langsam ruhiger und leiser werdend um einen schweben, was ich sehr genieße. Er ist perfekt: kuschelig, weich, leicht krautig, cremig-holzig, gleichzeitig dunkel und gemächlich. Die Alkohol-Noten ruhen brav in dem Holz und geben dem Duft eine schöne, leicht kantige Facette (statt Minibar und kaffe-Kuchen zu kreischen wie befürchtet). Genau wie die Gourmand-Anteile: Sie rahmen das Holz ein, arbeiten schön mit den Spirituosen-Noten zusammen und komplimentieren diese. Bis auf die Kamille merke ich die anderen Blumen (Ylang Ylang und Jasmin) nicht besonders. Die Birne war im Opening dominanter, später gibt es eher Williamsbirnen-Geist-Reste im Holz.

Kurzum: Heute bin ich unterwegs nach einem kleinen Whiskey- und Kahlua-Umtrunk am Hafen von Edinburgh. Es ist mitten im Herbst, die Luft ist kalt, leicht modrig und bereits durchsetzt von den Aromen der Schornsteine und der Bäckereien und Cafés des Hafenviertels. Vor der Kamille-kühlen Brise schützt mich meine liebste, weiche, pechschwarze und unheimlich coole Lederjacke. Die Touri-Tour durch die alte Brennerei ist gerade vorbei, und ich lasse mich kurz zurückfallen, um in Ruhe meinen Kopf, gefolgt vom ganzen Oberkörper, in ein altes Fass zu stecken und tiiiiief einzuatmen und zu realisieren, dass es in diesem Fass schon so einige feine Spirituosen, abseits des Whiskeys geruht haben.
5 Antworten
XyzXyzXyzXyz vor 6 Tagen
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Der letzte Satz erinnert mich zwanghaft an ein Missgeschick mit einem Altpapiercontainer, aus dem ich den Schlüssel einer Kollegin zu fischen versuchte - danke für das schöne Bild des Birnenkompotts, der auf dem warmen Brownie vorbeizischt äh -blitzt … darf ich mir den ein bisschen wie Yaphid von der Orville vorstellen ?!
XyzXyzXyzXyz vor 6 Tagen
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Ha haa, ja. Übrigens mit hartem T am Ende ^^. Wie jetzt. Du kennst The Orville nicht ?
Und: Kanns nun e c h t kaum erwarten, die zwei neuen Süppchen zu beschnuppern XD
OooniddaOoonidda vor 6 Tagen
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Ich kenne Yaphid nicht aber nach einer kurzen Recherche kann ich sagen dass er herrlich freundlich und weich aussieht, wie der Spiritcask in drydown!
XyzXyzXyzXyz vor 6 Tagen
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…Immerhin hat er ja die selbe Farbe wie der Flakon hier XD
FloydFloyd vor 7 Tagen
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Da plumpse ich doch Nase voraus gleich mit!