L'Eau de Paille Serge Lutens 2016
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Top Rezension
Die alten Männer und das Stroh
Wer bereits in Museen, auf Kalenderblättern oder Postkarten die Gelegenheit hatte Bilder des französischen Künstlers Claude Monets zu studieren, der erinnert sich vermutlich in erster Linie an sein Spätwerk, nämlich die zwischen 1916 und 1926 gemalte Seerosen-Serie. Vielleicht aber auch an das berühmte Werk "Impression-soleil levant", welches nicht nur als charakteristisch für die Malepoche des Impressionismus gilt, sondern bei der Gelegenheit dieser Stilepoche auch ihren Namen gab. Wesentlich unbekannter ist die Serie der vermutlich achtzehn Versionen des während eines Spaziergangs 1890 entdeckten Getreideschobers (ein in der traditionellen Landwirtschaft aufgesetzter Haufen aus Getreide, Stroh oder Heu nach der Ernte). Doch mehr dazu später.
Zum erste Mal habe ich L´Eau de Paille (z. Dt. Strohwasser) im Rahmen einer sogenannten Duftlesung gerochen, einer sehr liebevoll, vom japanischen Kosmetikkonzern Shiseido durchgeführten Verkaufsveranstaltung. Bei entspannter Musik, heißen Tee & Ingwer-Keksen gibt es zunächst Einblicke in die Vita von Serge Lutens, später werden für diesen Abend ausgewählte Düfte vorstellt, begleitet von vorgetragenen Geschichten aus einem dicken Buch rund um das Parfüm, speziell zu seinen persönlichen Erinnerungen, Gefühlen, Ideen, die allesamt zur Entwicklung des jeweiligen Parfums führten. Im Anschluss werden die Düfte aufgesprüht und die Nasen aller Teilnehmer schweben über Duftstreifen & Handgelenke.
Mit dem 2016 veröffentlichten L'EdP unternimmt SL mit uns sowohl eine Duft-, als auch eine Zeitreise in seine Jugend. Es ist die olfaktorische Umsetzung seiner Erinnerungen aus früher Kindheit, als er an einem heißen Sommertag 1954 in Frankreich der Heuernte auf den Feldern zusah, Strohhalme durch die Socken in seine Knöchel piksten oder im blonden Haar getragen wurden.
Auf der Haut startet der Duft zunächst süß-blumig, unterlegt mit leichter Zitrus-Note. Nach und nach dominiert für mich Tonkabohne, minimal unterlegt von zartem Weihrauch. Alternativ denkbar scheint auch ein eher süßlicher Vetiver, welcher zumindest in der Pyramide aufgeführt ist. Dort steht auch der Begriff Heu, welches sich meiner Nase aber noch nicht mal im Ansatz zeigt. Im Laufe der ersten Stunde mischt sich Lavendel ein, drängt sich jedoch nicht in den Vordergrund, sondern bleibt sehr fein, sogar noch zurückhaltender als der Weihrauch, sorgt aber für eine Würzigkeit. Allmählich wird L'EdP auch krautiger, grüner, tendiert nun in Richtung Rasierwasserduft und verschiebt die von SL vorgegebene Balancierung zwischen männlich/weiblich eher in die Richtung maskulin. Als besonders stechend empfand ich die "Rasierwassernote" auf einem Tuch aufgesprüht, während ich sie im Vergleich auf der Haut milder empfand. Vielleicht mögen sich auch noch Aldehyde in den Duftverlauf eingeschlichen haben…. vom Heu ist jedoch noch immer nichts zu riechen. Jedenfalls nicht von dem Heu, wie ich es als Futtermittel für Tiere von früher her kenne. Mit viel gutem Willen vielleicht die allmorgendliche Frühstückscerealien. Auch wenn Heu als Biomasse von Kräutern oder Gräsern definiert wird, der Duft bekommt einfach nicht die letzte Kurve, wirkt nicht authentisch, bis er zartflüchtig von dannen zieht. Ist die Sillage noch in der ersten Stunde relativ stark, schwächelt sie sich doch relativ schnell auf hautnah hinunter. Die vorhandene Grundsüße sowie der Weihrauch sind überraschenderweise gute 9 - 10 Stunden auf der Haut wahrnehmbar, wenn auch äußerst schwach.
L'EdP gehört zur EAUX KOLLEKTION, die innerhalb der übrigen hauseigenen Düfte isoliert betrachtet werden muss. Diese aus zurzeit vier verschiedenen Kreationen bestehende Reihe besticht eher durch ihre vordergründige kompositorische Einfachheit ohne große morgenländische Zutaten gegenüber den gewürzüberladenen Orientalen vom Schlage eines Arabie. Eher luftig, leicht, filigran. Allesamt tragbar an besonders heißen Sommertagen und auch gerne im Office. Sogar im Großraumbüro verhalten sie sich recht unauffällig, eben ganz im Stile eines Wässerchens.
Der Unterschied zwischen den Kollektionen drückt sich auch optisch in der passenden Schlichtheit des schmalen Flakons, gearbeitet aus doppel-wandigen Glas, aus. Schmücken bei Lutens i.d.R. elegante beige oder braun-anthrazitfarbene Etiketten kunterbunt eingefärbten Alkohol, wurden die L'Eau Flakons mit eher uninspirierten s/w-Etiketten beklebt; das Parfüm weißt keinerlei Einfärbungen auf. Im Originalzustand wird ein Schüttflakon ausgeliefert, aber jeder Originalverpackung liegt jeweils ein Zerstäuber zum Austausch für die Umsetzung der eigenen Vorlieben bei. Wer es personalisiert mag, kann sich beim Kauf über die SL-Webseite für eine zusätzliche Gravur entscheiden. Bis zu 3 Initialen sind möglich, gerne aber auch der Vorname. Ob einem das die bis zu zusätzlich aufgerufenen 77 Euro wert sind, muss beim Kauf natürlich jeder für sich selber entscheiden.
Monet variierte das einfache Motiv des Getreideschobers allein durch die Anzahl der Schober oder durch leichte Veränderungen des Abstands zu ihm. Die Jahreszeit wurde durch entsprechende Farbgebung wiedergegeben, wobei warme Farben wie rot den Sommer und kühle Farben wie blau den Winter charakterisierten. Ausgangspunkt für diese gesamte Serie ist aber der außerordentlich kunstvoll herausgearbeitete Natureindruck. Ihm ging es um die Stimmung, den Eindruck und die Wiedergabe der Empfindung, die die Natur in ihm auslöste, nicht das Motiv. Selbst Kandinsky erkannte bei einer Ausstellungsbesichtigung den Schober nur anhand der Katalogbezeichnung, während ihn das Gemälde für sich gesehen gefiel und inspirierte.
Lutens verarbeitet wie Monet seine Natur-Eindrücke. Wenn ich SL korrekt verstehe, geht es ihm mit L´Eau de Paille um die "realistische" olfaktorische Abbildung eines heißen Sommertags während der Heuernte, bei dem der Träger sich beim Riechen des Duftes wie der kleine Serge vor den Erntefeldern fühlen soll, den Geruch des Heus quasi inhaliert. Doch seine Umsetzung wird meiner Meinung nach dem künstlerischen Anspruch nicht wirklich gerecht und enttäuscht als Nischenprodukt auf ganzer Linie, getragen von zwei Kernproblemen. Zwar vermittelt der Duft immer eine Art "Wärme" und mag vielleicht noch einen heißen, eigentlich eher warmen Sommertags simulieren, doch fehlt die finale Wahrnehmung von Heu oder Stroh. Gleichermaßen negativ überraschend empfand ich die vorherrschende Synthetik im Stile eines One Million. So fehlt dem Duft nicht nur der Schober, er fasziniert auch nicht im Geringsten. Wäre der Duft unter einem anderen Namen im Mainstream-Bereich veröffentlicht worden, hätte er eine etwas bessere Bewertung erfahren, doch diese Trivialität aus dem Hause Lutens darf, und das bei aller Vorliebe & Respekt für seine früheren Düfte, getrost außer Acht gelassen werden.
Zum erste Mal habe ich L´Eau de Paille (z. Dt. Strohwasser) im Rahmen einer sogenannten Duftlesung gerochen, einer sehr liebevoll, vom japanischen Kosmetikkonzern Shiseido durchgeführten Verkaufsveranstaltung. Bei entspannter Musik, heißen Tee & Ingwer-Keksen gibt es zunächst Einblicke in die Vita von Serge Lutens, später werden für diesen Abend ausgewählte Düfte vorstellt, begleitet von vorgetragenen Geschichten aus einem dicken Buch rund um das Parfüm, speziell zu seinen persönlichen Erinnerungen, Gefühlen, Ideen, die allesamt zur Entwicklung des jeweiligen Parfums führten. Im Anschluss werden die Düfte aufgesprüht und die Nasen aller Teilnehmer schweben über Duftstreifen & Handgelenke.
Mit dem 2016 veröffentlichten L'EdP unternimmt SL mit uns sowohl eine Duft-, als auch eine Zeitreise in seine Jugend. Es ist die olfaktorische Umsetzung seiner Erinnerungen aus früher Kindheit, als er an einem heißen Sommertag 1954 in Frankreich der Heuernte auf den Feldern zusah, Strohhalme durch die Socken in seine Knöchel piksten oder im blonden Haar getragen wurden.
Auf der Haut startet der Duft zunächst süß-blumig, unterlegt mit leichter Zitrus-Note. Nach und nach dominiert für mich Tonkabohne, minimal unterlegt von zartem Weihrauch. Alternativ denkbar scheint auch ein eher süßlicher Vetiver, welcher zumindest in der Pyramide aufgeführt ist. Dort steht auch der Begriff Heu, welches sich meiner Nase aber noch nicht mal im Ansatz zeigt. Im Laufe der ersten Stunde mischt sich Lavendel ein, drängt sich jedoch nicht in den Vordergrund, sondern bleibt sehr fein, sogar noch zurückhaltender als der Weihrauch, sorgt aber für eine Würzigkeit. Allmählich wird L'EdP auch krautiger, grüner, tendiert nun in Richtung Rasierwasserduft und verschiebt die von SL vorgegebene Balancierung zwischen männlich/weiblich eher in die Richtung maskulin. Als besonders stechend empfand ich die "Rasierwassernote" auf einem Tuch aufgesprüht, während ich sie im Vergleich auf der Haut milder empfand. Vielleicht mögen sich auch noch Aldehyde in den Duftverlauf eingeschlichen haben…. vom Heu ist jedoch noch immer nichts zu riechen. Jedenfalls nicht von dem Heu, wie ich es als Futtermittel für Tiere von früher her kenne. Mit viel gutem Willen vielleicht die allmorgendliche Frühstückscerealien. Auch wenn Heu als Biomasse von Kräutern oder Gräsern definiert wird, der Duft bekommt einfach nicht die letzte Kurve, wirkt nicht authentisch, bis er zartflüchtig von dannen zieht. Ist die Sillage noch in der ersten Stunde relativ stark, schwächelt sie sich doch relativ schnell auf hautnah hinunter. Die vorhandene Grundsüße sowie der Weihrauch sind überraschenderweise gute 9 - 10 Stunden auf der Haut wahrnehmbar, wenn auch äußerst schwach.
L'EdP gehört zur EAUX KOLLEKTION, die innerhalb der übrigen hauseigenen Düfte isoliert betrachtet werden muss. Diese aus zurzeit vier verschiedenen Kreationen bestehende Reihe besticht eher durch ihre vordergründige kompositorische Einfachheit ohne große morgenländische Zutaten gegenüber den gewürzüberladenen Orientalen vom Schlage eines Arabie. Eher luftig, leicht, filigran. Allesamt tragbar an besonders heißen Sommertagen und auch gerne im Office. Sogar im Großraumbüro verhalten sie sich recht unauffällig, eben ganz im Stile eines Wässerchens.
Der Unterschied zwischen den Kollektionen drückt sich auch optisch in der passenden Schlichtheit des schmalen Flakons, gearbeitet aus doppel-wandigen Glas, aus. Schmücken bei Lutens i.d.R. elegante beige oder braun-anthrazitfarbene Etiketten kunterbunt eingefärbten Alkohol, wurden die L'Eau Flakons mit eher uninspirierten s/w-Etiketten beklebt; das Parfüm weißt keinerlei Einfärbungen auf. Im Originalzustand wird ein Schüttflakon ausgeliefert, aber jeder Originalverpackung liegt jeweils ein Zerstäuber zum Austausch für die Umsetzung der eigenen Vorlieben bei. Wer es personalisiert mag, kann sich beim Kauf über die SL-Webseite für eine zusätzliche Gravur entscheiden. Bis zu 3 Initialen sind möglich, gerne aber auch der Vorname. Ob einem das die bis zu zusätzlich aufgerufenen 77 Euro wert sind, muss beim Kauf natürlich jeder für sich selber entscheiden.
Monet variierte das einfache Motiv des Getreideschobers allein durch die Anzahl der Schober oder durch leichte Veränderungen des Abstands zu ihm. Die Jahreszeit wurde durch entsprechende Farbgebung wiedergegeben, wobei warme Farben wie rot den Sommer und kühle Farben wie blau den Winter charakterisierten. Ausgangspunkt für diese gesamte Serie ist aber der außerordentlich kunstvoll herausgearbeitete Natureindruck. Ihm ging es um die Stimmung, den Eindruck und die Wiedergabe der Empfindung, die die Natur in ihm auslöste, nicht das Motiv. Selbst Kandinsky erkannte bei einer Ausstellungsbesichtigung den Schober nur anhand der Katalogbezeichnung, während ihn das Gemälde für sich gesehen gefiel und inspirierte.
Lutens verarbeitet wie Monet seine Natur-Eindrücke. Wenn ich SL korrekt verstehe, geht es ihm mit L´Eau de Paille um die "realistische" olfaktorische Abbildung eines heißen Sommertags während der Heuernte, bei dem der Träger sich beim Riechen des Duftes wie der kleine Serge vor den Erntefeldern fühlen soll, den Geruch des Heus quasi inhaliert. Doch seine Umsetzung wird meiner Meinung nach dem künstlerischen Anspruch nicht wirklich gerecht und enttäuscht als Nischenprodukt auf ganzer Linie, getragen von zwei Kernproblemen. Zwar vermittelt der Duft immer eine Art "Wärme" und mag vielleicht noch einen heißen, eigentlich eher warmen Sommertags simulieren, doch fehlt die finale Wahrnehmung von Heu oder Stroh. Gleichermaßen negativ überraschend empfand ich die vorherrschende Synthetik im Stile eines One Million. So fehlt dem Duft nicht nur der Schober, er fasziniert auch nicht im Geringsten. Wäre der Duft unter einem anderen Namen im Mainstream-Bereich veröffentlicht worden, hätte er eine etwas bessere Bewertung erfahren, doch diese Trivialität aus dem Hause Lutens darf, und das bei aller Vorliebe & Respekt für seine früheren Düfte, getrost außer Acht gelassen werden.