Une Nuit à Bali

Suma Oriental 2015

Farbenduft
22.04.2022 - 17:10 Uhr
12
Hilfreiche Rezension
7
Preis
8
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Souvenir von einer unmöglichen Reise

Frühjahr 2020 - Man konnte nicht reisen. Jedenfalls nicht planlos. Einfach losfahren, sich treiben lassen, zu einem fernen Ziel spontan der Nase nach. Da lockte auf einmal Une Nuit Nomade mit olfaktorische Fantasie-Reisen. Und so wanderte vor zwei Jahren die ein oder andre Probe von Une Nuit Nomade in mein Probenkistchen. Die Flacons dieser Marke gibt es konsequenterweise in Reisegrößen von 25 ml - da kann man mal einen Abstecher wagen. Suma Oriental als erstes, irgendwo muß man ja anfangen.

Der Karton zeigt ein Segelschiff in gilbigen Brauntönen, wie von uralten Pergamenten. Das läßt an alte Handelswege nach Asien denken und tatsächlich - Suma Oriental ist der Name einer Schriftensammlung aus dem 16. Jahrhundert, in der ein portugiesischer Apotheker seinerzeit über den Handel mit Sandelholz von den Tumba-Inseln schreibt. Damals waren Händler zugleich Abenteurer, die bereit waren, Handelsware, die man sich nichtmal vorzustellen vermochte, im Unbekannten zu suchen. Die mit Menschen fremdester Sitten und Sprachen in Verhandlung traten, freundlich oder mit List oder auch mit der blanken Waffe (naja, dann bitte Verhandlung in Anführungsstrichen). Suma Oriental führt uns auf den Spuren der alten Schiffsrouten nach Indonesien.

Der Duft hüllt gleich mit einem verlockend warmen cremig-würzigen Gemisch aus Rum, Kakao und etwas knarzig-holzigem. Es erinnert mich an Encre Noir, wirkt aber heller und wird bald weicher. Ich sehe eine Szene vor mir wie aus einem alten Piratenfilm. Nach der herben Landung, nach Wochen auf dem knarrenden Schiff, ist nun die Nacht mild und wohltuend, sanfte Gerüche aus Feuer erheben die Stimmung, Hände begutachten mit freundlicher Neugier, die Eingeborenen sind freundlich zu den Fremden. Das Knarzige weicht ein wenig und der Duft wird weicher, balsamischer, Wohlgefühl und Entspannung verbreitend. Patchouli soll laut Beschreibung die Herznote sein, aber ich kann nicht das typisch erdig Modrige ausmachen. Patchouli ist hier so verwoben, daß es eher den Hölzern den Vortritt läßt: Sandelholz, Kaschmirholz und mein besonderer Liebling Guajac, was etwas blumig süß ist. Das Holz, das hier porträtiert ist, ist nicht das von geteerten Balken oder das von schweren alten Schränken, sondern das eines schön verarbeiteten, glatten Handschmeichlers, der sanft schimmert. Etwas Süße kommt durch Tonka hinzu. Ich möchte den Duft nicht als Gourmand bezeichnen, obwohl er lecker riecht. Eher als etwas, in dem man baden möchte, eine cremige, dunkle, warme, entspannende Flüssigkeit. In meinem imaginären Piratenfilm geht es gut aus: die Gier nach Handelsgütern weicht der Entspannung - mit dem Rum in der Kehle, den warmen aromatischen Düften aus den Lagerfeuern, der Süße der Nacht bleibt nur noch der Wunsch nach Harmonie.

Suma Oriental ist geblieben - wie ein wunderschönes Souvenir von einer langen, unmöglichen Reise.
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