Strawanza

DonCologne
26.03.2024 - 08:32 Uhr
5
Hilfreiche Rezension
9
Preis
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft

Ein Strawanza ohne Dreck

Der Strawanza von den Wiener Schurken war für mich, als kleinem Fougère-Liebhaber und zeitweise ein paar Jahre in Wien Lebender, quasi ein Pflichttest. Old-School-Vibes, ohne altbacken zu wirken, ein absolut faires Preis-Leistungs-Verhältnis samt interessanten Image und obendrauf auch als After-Shave verwendbar...klingt doch alles sehr vielversprechend. Unterdessen wieder in Deutschland lebend, kann ich natürlich nicht mehr regelmäßig durchs Wiener Nachtleben "strawanzen" und hätte mir somit gerne einen Flakon, auch als schöne Erinnerung an vergangene Zeiten, zugelegt. Vor etwas über einem Jahr war es dann soweit und berufsbedingt stand mal wieder eine Reise nach Wien an, die ich prompt dazu nutzte im nicht mal so zentral gelegenen Laden der Wiener Schurken im 18. Bezirk vorbeizuschauen.

Das Pärchen, welches den Laden betreibt, war absolut freundlich und sichtlich überrascht und erfreut, dass jemand aus Deutschland den direkten Weg in ihren Laden aufgrund ihres Strawanzas sucht. Beim Gespräch hakte ich natürlich auch nach, wie sie denn an eine Rezeptur aus dem Jahre 1953 gekommen sind und was es damit auf sich hat. Wenn ich es dem Gespräch mit dem Ladeninhaber richtig entnommen habe, führt die Spur wohl in den Dunstkreis von Alt-Innsbruck - Eau de Cologne. Das die Homepage von Kosmetik R. Neuner neben ihrem Alt-Innsbruck auch den Strawanza als so ziemlich einzigen Duft vertreiben, erhärtet wohl den Verdacht, dass bei Strawanza keine gänzlich Unbekannten am Werk waren.

Zum Duft: Schon im Laden beim ersten Aufsprühen stellte sich heraus, dass ich eine andere Vorstellung vom Strawanza hatte. Auch wenn es sich dabei technisch gesehen um ein Fougère handeln mag, so assoziiere ich diese Art von Düften eher mit einer frisch-grünen Rasierwasserschärfe oder sofern sie milder und süßlicher ausfallen zumindest mit einer gewissen Seifigkeit. Beides war hier nicht der Fall, sondern eine kernige, leicht erdige Würze war wahrnehmbar. Gleichzeitig ratterte der olfaktorische Gedächtniscomputer...irgendwie kam er mir angenehm bekannt vor. Der Ladeninhaber war so nett mir einfach eine Probe samt Grußkärtchen mitzugeben und so verließ ich mit meinem Duftstreifen den Laden. Kaum hatte ich den Laden verlassen, kam es mir auf einmal: diese stark an herben Pfefferkuchen erinnernde Note ließ mich an den von mir sehr geschätzten Blackpepper denken. Ich mag diese prominente Pfeffernote sehr, doch aufgrund der bereits bestehenden Bekanntschaft mit Blackpepper, fiel das "Wow-Erlebnis" (welches ich bei diesem hatte) bei Strawanza aus. Im ganzen scheint mir Blackpepper ein Stück raffinierter und tiefer ausgearbeitet zu sein. Er wirkt frischer, potenter, wertiger, tiefer und auch etwas extravaganter auf mich, weshalb ich im Zweifel eher zu diesem greifen würde. Strawanza eröffnet für mich mit einer ziemlich zurückhaltenden Minze und trumpft kurzzeitig etwas erdig (Patchouli) und würzig (etwas Nelke und viel Pfeffer) auf, hintergründig ist auch etwas Harzigkeit (Labdanum) wahrnehmbar. Schnell wird er jedoch weicher und wärmer und pegelt sich auf eine dominante Pfeffernote mit einer ganz dezenten Süße (wohl Moschus und Tonka) ein.

Fazit: Zweifelsfrei ein angenehmer durchaus markanter Herrenduft, der sein Versprechen ein eher klassischer, aber nicht altbackener Duft zu sein, für mich durchaus einlöst. Die Homepage warnt zur Vorsicht, dass der Strawanza eine nahezu magnetische Anziehungskraft auf das Gegenüber ausüben kann. Die wenigen weiblichen Feedbacks, die ich erbeten habe, waren auch eher positiv, aber nicht überschwänglich. Erbeten musste ich sie mir auch deshalb, weil er doch eher zurückhaltend projiziert und nach kurzer Zeit eher hautnah sitzt, was mich nicht sonderlich stört. Weiterhin ist er für mich ein eher würzig-holziger Duft und kein klassisch grün-frisches Fougère mit einer gewissen Schärfe. Das ist nicht schlimm, aber in diese Riege gefällt mir der Blackpepper einfach ein ganzes Stück besser. Ein letzter Kritikpunkt könnte sein, dass für einen echten Strawanza und Rumtreiber etwas mehr "Kantigkeit" gut getan hätte. Etwas "Dreck", Rauch, Leder oder "Boozyness" hätten zum Thema gepasst und durchaus das Straßen- und Schurkenimage unterstrichen.

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