synthetisch vs. natürlich

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was sind denn eure Lieblinge unter den natürlich und unter den synthetisch riechenden Düften?
Könnt ihr mir welche empfehlen zum Einschnuppern aus beiden Kategorien?(Wohlgemerkt für Parfumanfänger.)Ich mag frische düfte gerne zitronig oder auch etwas blumig, aber nicht zu süss und schwer.
grüsse an euch alle
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Da ich hier schon zitiert wurde, geb ich auch mal n' kurzes Statement dazu ab:

Parfümerie ist immer synthetisch. Ein Parfum nur aus Rohextrakten herstellen zu wollen ist mit dem Vorhaben gleichzusetzen, ein Haus ohne Stahl, Beton und Glas zu bauen: Eine Lehmhütte.

Es gibt zum einen Rohstoffe, die natürlichen Ursprungs sind - diese werden durch Destillation oder Extraktion aus z.B. Blüten, Blättern oder Hölzern gewonnen - und es gibt vollsynthetische Stoffe, die in der Natur nicht vorkommen, aber riechen.

Baurmoschus zum Beispiel (Nitro-Moschus) war ein Zufallsfund aus der Sprengstoffproduktion: Baur war auf der Suche nach Abwandlungen von TNT und hat zufällig auch Nitro-Moschus synthetisiert, der als Sprengstoff völlig nutzlos war, aber angenehm moschusartig gerochen hat und aber in der Parfumindustrie Anklang fand. Allerdings sind manche Nitro-Moschus Verbindungen neurotoxisch und reagieren unter stärkerer UV-Einstrahlung (z.B. an Sommertagen wie am vergangenen Wochenende) und lösen dann allergische Reaktionen aus ODER so Sachen wie polyzyklische Moschusverbindungen sind so stabil, dass sie nicht in der Natur degradiert werden und sich überall - in Trinkwasser, Fischen, unserem eigenen Körper - anreichern. Was jetzt prinzipiell kein großes Ding ist, da diese Moleküle ohnehin so reaktionsträge sind, dass sie höchstwahrscheinlich nicht großartig mit unserem Stoffwechsel interagieren, aber sowas in Muttermilch nachweisen zu können ist trotzdem verstörend und höchst verunsichernd.

Jedenfalls werden jährlich immer wieder Moleküle gefunden, die völlig neu sind und (hoffentlich erst nach einer Unbedenklichkeits-Studie) ihren Weg in Parfums finden.

Also falls ihr mal "veganes" Parfum hört, bitte runzeln und hinterfragen! Denn im Endeffekt wird meistens einfach das Unbedenklichkeits-Zertifikat mitgekauft, die Tierversuche dahinter wird es trotzdem immer gegeben haben.

Ergänzend dazu gibt es auch noch ein mittelding, nennen wir es mal halbsynthetisch (angelehnt an Viskose, die als halbsynthetisches Textil bezeichnet wird):

Ausgangsmaterial ist hier wieder ein natürlicher Rohstoff (z.B. Blüten, Hölzer, Früchte usw.).
Nehmen wir Patchouli als Beispiel, es riecht blumig, campherartig und etwas tabakartig, etwas wie verrottete Laubblätter und der Rohstoff besteht aus tausenden Molekülen, aber nur etwa 30 Moleküle aus den Tausenden tragen wirklich zum typischen Patchouli-Geruch bei.
Durch CO2-Extraktion kann man diese ~30 Moleküle selektieren und neu rekombinieren. D.h. man kann dadurch einen Patchouli-Geruch herstellen, der 100% natürlichen ursprungs ist, aber durch Menschenhand in seiner Zusammensetzung modifiziert wurde um z.B. mehr blumig und weniger campherartig und weniger nach verrotteten Blättern /tabakartig zu riechen.

Insofern ist der Vergleich mit Viskose total schlüssig, denn Viskose ist nur durch ein technisches Verfahren aus Cellulose (also reiner Baumwolle) zu gewinnen, seine Herkunft ist aber rein natürlich.

edit: das mit dem kurzen Statement hat jetzt mal nicht geklappt. WHATEVER! Very Happy
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Hey toll,danke für dein längeres Statement.Zum Glück ist es kein kurzes geworden.
Es ist super das ganze Thema mal aus chemischer Sicht detaillierter zu hören.
Anscheinend ist die Grenze zwischen synthetisch und natürlich nicht so einfach zu ziehen , wie ich es am Anfang dachte.

Ich hoffe es ist ok, dass ich dich zitiert habe?Ich fand dass das Zitat auch hier in den Kontext passte.
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Die Grenze zwischen Chemie und Natürlichkeit gibt es nicht mal. Stichwort Biochemie. Alles besteht aus Chemischen, physikalischen Bausteinen.
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Anna255:
Ich hoffe es ist ok, dass ich dich zitiert habe? Ich fand dass das Zitat auch hier in den Kontext passte.

Klar doch. Wink

Arioch:
Die Grenze zwischen Chemie und Natürlichkeit gibt es nicht mal. Stichwort Biochemie. Alles besteht aus Chemischen, physikalischen Bausteinen.

Ja, aber in diesem Falle muss man auf die Synthesewege schauen. Wenn ich unter meiner Abzugshaube mit ein bisschen Salicylsäure und Acetanhydrid mein eigenes Coumarin koche (ja, viel Hitze, rühren und mit Wasser spülen), können Pflanzen Coumarin ganz einfach über Enzyme langsam und still vor sich hin synthetisieren.

Es gibt aber auch Moleküle, die in der Natur nicht vorkommen, weil es für ihre Synthese keine Enzyme gibt (z.B. alles, was durch Diels-Alder-Reaktion entsteht).

Ich bin mir auch unsicher ob es Enzyme gibt, die in der Lage wären, Nitro-Gruppen in aromatische Verbindungen zu prügeln wie es die Nitriersäure - ein Gemisch aus rauchender Schwefelsäure und konz. Salpetersäure - in der Lage ist. Ich halte es zumindest mal für ausgeschlossen, dass Baurmoschus enzymatisch katalysierbar wäre.

ABER da du schon die Biochemie ansprichst: Die Tatsache, dass viele Sachen aus der Natur stammen, bedeutet, dass es für ihre Synthese auch Enzyme geben muss. Wer weiß, eventuell erschließt jemand die Information für diese Enzyme und kann dann Bakterien oder Pflanzen damit transformieren, sodass diese z.B. Muscon synthetisieren.

Damit will ich nur sagen: Wenn es Enzyme für die Herstellung eines Rohstoffes gibt, ist es in ferner Zukunft sicherlich möglich, Pflanzen oder Bakterien als Bioreaktoren - und dadurch als neue Quelle - für diese Rohstoffe zu nutzen.

Aber ja: Alles ist Chemie.
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Ich hatte für mich synthetisch und natürlich anscheinend eher nach althergebrachten Verfahren definiert.So erschienen mir Blümchenextrakte die destilliert werden als natürlich und Stoffe, die von irgendwelchen genmanipulierten Bakterien synthetisiert werden als künstlich.aber das ist mehr eine gefühlte Grenze ,ohne ,dass ich da mehr drüber weiss.
Anscheinend kann man nicht nur nach der Natürlichkeit des Ausgangsrohstoffs gehen ,sondern müsste auch den weiteren Herstellungsprozess in die Überlegungen mit einbeziehen( Adans Beispiel mit der Viskose,die aus Baumwolle gewonnen wird ist also auch irgendwie zwischen natürlich und synthetisch).Die grenze ist für mich verwischt,aber ist vielleicht auch nicht so praxisrelevant für den Parfumgebrauch.

Adan schrieb:
polyzyklische Moschusverbindungen sind so stabil, dass sie nicht in der Natur degradiert werden und sich überall - in Trinkwasser, Fischen, unserem eigenen Körper - anreichern. Was jetzt prinzipiell kein großes Ding ist, da diese Moleküle ohnehin so reaktionsträge sind, dass sie höchstwahrscheinlich nicht großartig mit unserem Stoffwechsel interagieren, aber sowas in Muttermilch nachweisen zu können ist trotzdem verstörend und höchst verunsichernd.

Kommen diese polyzyklischen Moschusverbindungen auch in Parfums vor?Das sind die Moschusverbindungen ,die dann rausgenommen wurden,oder?

@ Adan:
Wir hatten ja weiter oben schon mal das Thema Parfum / Schwangere angeschnitten.Mich würde mal interesssieren,was du darüber denkst.
Sagen wir mal,du wirst Papa.Deine Freundin ist total parfumvernarrt und parfumiert sich normalerweise 3x am Tag. Aber sie ist nun etwas verunsichert ,weil sie in der Zeitung gelesen hat ,dass Parfums schädlich für das Baby sein können und fragt dich nach deiner Meinung.Was rätst du ihr? Wäre es ok für dich ,wenn sie sich weiterhin 3x am Tag parfumiert?

An alle anderen,wie seht ihr das ?Lieber vorsichtig sein, oder seht ihr da gar kein Problem?
Ich wäre eher vorsichtig und würde den Parfumgebrauch einstellen oder einschränken. man weiss ja nie... schliesslich ist man in dieser Zeit nicht nur für sich selbst verantwortlich.Und solange mir niemand vollkommene Entwarnung gibt( auf logische nachvollziehbare Art) wäre ich im Zweifelsfall lieber vorsichtig.

Schon jetzt ein grosses Dankeschön an alle die bisher geantwortet haben.Ich bin durch euch um einiges schlauer und konzentriere mich nicht mehr auf die nicht praxisrelevante Frage synthetisch oder nicht.Nun kann ich meine Konzentration ganz dem Parfum widmen und gehe nur noch danach was ich mag.wie war das noch? Was gefällt gefällt. Wink

Viele Grüsse
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Ich habe kürzlich ein Interview der Parfumeurin Christine Nagel in der aktuellen Instyle gelesen, worin sie beschreibt, dass die Leute synthetische Rohstoffe umsonst verurteilen...

Heute ist es dank modernster Technik möglich, nahezu jeden Duftstoff "künstlich" herzustellen und dies in hochwertiger Form.

Sie nannte ein Beispiel, dass 1 Kilogramm Orangenessenz 3.- Euro kosten...die synthetische Variante hingegen einige Tausend Euro!

Soviel dazu... Cool
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Schade, dass die Threadersterllerin nicht mehr am Start ist.
Ein Baby Parfum auszusetzen kann schlecht sein, weil in der Kindesphase das Immunsystem geprägt wird. Meine ehemalige Freundin sagte mir, sie wäre damals als Kind gegen alles mögliche geimpft worden, in vielen Impfstoffen wurde Hühnereiweiß als Adjuvans verwendet (ein Adjuvans ist ein Stoff, der eine Immunreaktion hervorrufen soll; dafür kann man prinzipiell eigentlich fast alle möglichen fremdartigen Proteine nehmen).

Seither reagiert sie eben auf Eier allergisch, weil ihr Immunsystem ja damals durch die Impfung auch gegen Hühnereiweiß "abgerichtet" wurde. Eigentlich schon extrem dämlich, aber naja, war wohl das gängige Mittel der Wahl damals?

Insofern würde ich erst zu Parfum greifen, wenn das Immunsystem schon einigermaßen stabil ist. Aber Verallgemeinern kann man das nicht, prinzipiell kann man zu jedem Zeitpunkt im Leben einfach eine Allergie gegen einen Stoff X bekommen, es gibt sogar extrem seltene Fälle von Allergieen gegen Wasser (das klingt jetzt komisch, aber es gibt Leute, die gegen bestimmte Salze/Ionen im Wasser Allergieen entwickeln).

Und warum manche Leute dazu neigen und manche nicht, ist bis heute noch unklar. Dass es eine genetische Komponente gibt ist bekannt, aber der genaue Mechanismus, wieso man jetzt gegen einen Stoff X eine Allergie bekommt, kann man noch nicht vernünftig erklären.
Ich bin generell nicht so'n Fan davon, sich aggressiv einzuparfümieren, aber ich denke wenn man n' Kind hat, sollte man es zurückschrauben.

Skylab:
Ich habe kürzlich ein Interview der Parfumeurin Christine Nagel in der aktuellen Instyle gelesen, worin sie beschreibt, dass die Leute synthetische Rohstoffe umsonst verurteilen...

Heute ist es dank modernster Technik möglich, nahezu jeden Duftstoff "künstlich" herzustellen und dies in hochwertiger Form.

Sie nannte ein Beispiel, dass 1 Kilogramm Orangenessenz 3.- Euro kosten...die synthetische Variante hingegen einige Tausend Euro!

Soviel dazu... Cool

Naja, das spricht doch dann aber wiederum GEGEN die chemische Synthese von Orangenessenzen... Eine Orangenessenz besteht ja aus einer Vielzahl an Stoffen. Eine künstliche Orangenessenz herzustellen würde bedeuten, jede einzelne Komponente seperat herzustellen und dann das beste Mischungsverhältnis aller Komponenten zu erzielen, um die besten Eigenschaften hervorzuheben.

Viele Zytostatika in der Krebstherapie werden auch bevorzugt aus Pflanzen oder Pilzen gewonnen, weil die chemische Synthese unfassbar teuer ist.
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