Abschied nehmen

Gestern ist sie gestorben. Gestern ging die Frau, die 21 Jahre mein Leben geprägt hat. Meine Arbeits-Mutter. Meine Siegrun. Die Siegreiche. Die Kämpferin. Bis zum Schluss. 

Vor 21 Jahren hab ich meine Ausbildung in ihrem Hotel angefangen. Sie war eine Chefin, die vom Arbeiten was wusste. Gelernte Köchin. Selbständig seit sie 25 wurde. Viele Menschen mit der guten deutschen Küche glücklich gemacht. 

Bodenständig. Pragmatisch. Fleissig. Impulsiv. Aber meistens gerecht. 

Ich hab bei ihr gelernt. Und bin bei ihr geblieben. Ja, weil ich gut war. Und ja, weil wir gut zusammen passten. 

Die unzähligen Familienfeiern- Bufett kalt-warm. Braten, Schnitzel, Fisch, Kartoffelgratin. Die vielen Klassentreffen bis zum frühen Morgen. Und die Hotelgäste mit Bauernfrühstück und co. 

Ach, wie viele Fässer Wein haben wir denn zusammen geleert? Unsere Feierabend-Gläser. 

Und sie trug Gucci. Guilty, Premiere, Bamboo, Envy me. Hauptsache Gucci. Das passte auch super zu ihr. 

Corona war schwer. Aber wir schafften das. Und nun im November 2020 die Diagnose- ALS. Es ging schnell. Sehr schnell. Sie hat gekämpft, aber bei der Krankheit kann man nur verlieren.

Gestern ging sie. Sie wurde gerade mal 66. Ich hoffe, sie ist jetzt an einem besseren Ort. 

Hab ein Flacon Gucci Guilty vor mir. Und meine Siegrun vor den Augen. Es wird noch eine Weile dauern, bis ich es begreife. Dass Tod für immer ist. 

Aber ich hoffe, wir werden uns wieder sehen. Bis dahin- jedes Mal, wenn ich Gucci auflege, wird sie bei mir sein. 

Ruhe in Frieden, Siegrun.