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vor 9 Jahren - 28.07.2015
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Majoran gerebelt, Teil 6

Seit dem letzten Teil meiner Blogreihe sind nun schon zwei Jahre vergangen. Das Schreiben hat mir aus meinem damaligen Gedankenchaos und meiner Unsicherheit in Bezug auf das Verfassen eigener Kommentare hier auf Parfumo herausgeholfen. Zwei Monate später sah ich mich endlich auch in der Lage, etwas Eigenes beizutragen, auch wenn ich leider nur zu wenigen meiner Parfums ganze Texte ausformulieren konnte. Mein letzter Versuch liegt aber auch schon ein gutes Jahr zurück... Damals habe ich über ein Parfum geschrieben, welches ich nur als Probe getestet hatte und welches mir nicht gefallen hat. Die Reaktionen darauf waren sehr negativ (über dem Kommentar prangt immer noch ein "weniger hilfreich"), und später habe ich mit Entsetzen festgestellt, dass auch meine anderen Kommentare (trotz vieler Pokale) auf einmal sehr negativ bewertet waren (das ging Gott sei Dank wieder weg). Kann Zufall sein, aber seitdem konnte ich nicht mehr die nötige Motivation oder Inspiration aufbringen. Zudem hatte ich mir ja schon bewiesen, dass ich Kommentare schreiben kann. Erst jetzt ist mir endlich wieder ein Duft vor die Nase gelaufen, über den ich nicht nur unbedingt schreiben will, sondern bei dem ich zum ersten Mal nach langer Zeit auch das Gefühl habe, dass ich es kann.

Schon bin ich mittendrinnen im 6. Teil. Zur Zeit kämpfe ich mit einer anderen Art von Überforderung als vor zwei Jahren. Was mich überfordert, ist die Menge an tollen Parfums, die Menge an tollen, extrem gut zu mir passenden Parfums, an immer neuen hoffnungsvollen Kandidaten, die ich mit gecopypasteten Absagen abspeisen muss, weil mein Parfumteam nunmal schon ziemlich komplett ist. Diese überqualifizierten Superstars verstehen sicher die Welt nicht mehr, was mir auch sehr Leid tut, und sehr schwer fällt, nein, nicht schwer fällt, leicht fällt, und gerade das macht mir zu schaffen. Diese Leichtfertigkeit.

Es ist nämlich seltsam, sich in zunehmendem Maße virtuell über Düfte zu begeistern. "Oh wow, der ist toll. Das bist du. Der ist echt Wahnsinn. Der passt so gut zu dir..." Aber was es impliziert ("Den musst du haben"), wird kaum mehr ausgesprochen, weil klar ist, dass nicht mehr viel dazukommen kann. Das, was ich hab, das bin ich. Das ist meins und mit dem verschmelze ich. Ich bin loyal zu den Teilen von mir, die, obwohl real in meiner Sammlung, in zunehmendem Maße virtuell werden. Viele von ihnen haben schon ihre Avatare entwickelt, in Form von "Das bist du. Der steht dir so gut. Der ist so toll an dir." Es wird wiederholt, es wird dem nicht widersprochen, es wird genickt und gelächelt und umarmt. Aber sie werden nicht getragen. Das letzte Mal wann? Vor einem Jahr? Aber sie werden dennoch als Teil von mir verteidigt. Ich bin loyal.

Meine Sammlung könnte jetzt ganz anders aussehen. Aus den Düften, die ich seitdem kennengelernt habe, könnte ich mir mindestens fünf eigenständige 20er-Sammlungen basteln, die meiner jetzigen Sammlung nicht nur in nichts nachstehen, sondern auch alle Kriterien erfüllen würden. Das wäre kein Problem. Denn mittlerweile gibt es eine unüberschaubare Zahl an Düften, mit denen ich mich theoretisch identifizieren könnte. So viele, dass ich ihre Namen schon vergesse. Das ist frustrierend. Das ist respektlos. Ich dachte mal, ich hätte ein gutes Namensgedächtnis. Aber da kannte ich noch weniger...

Manche 2ml-Abfüllungen werden öfter getragen als geschätzte Flakon-Düfte. Die Grenze zwischen Flakon und Probe verschwimmt, weil die Proben immer mehr als Teile von mir legitimiert werden. Wie viele Parfums habe ich nun wirklich, wenn man nach dem Tragen geht? Nicht mehr unter 20, so viel ist sicher.

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