Eigentlich...

...bin ich ja ein richtiger Bücherwurm. Ich verschlinge für gewöhnlich Buch für Buch und suche, noch während ich verschlinge, das nächste Buch. Ich lag mit Grenouille in der Felsspalte, verteidigte mit Frodo den einen Ring und tötete mit Dolores Claiborne deren Mann.

Eigentlich.

Doch seit geraumer Zeit kann ich nicht mehr abtauchen. Ich lese eine Seite, nur um sie erneut zu lesen, da ich mit meinen Gedanken woanders bin. Ich kann mich schlichtweg nicht mehr konzentrieren. Das mag diverse Ursachen haben; Krankheiten, Todesfälle, Sorgen etc.

Doch warum versagen mir meine geliebten Bücher ihren Dienst? Wann immer ich mich schlecht fühlte, konnte ich auf sie zählen. Sie entführten mich in fremde Welten und ließen mich für eine Weile alles gegenwärtige vergessen.

Und was tun??? Wie mich in andere Welten versetzen, Sorgen vergessen, abschalten, auftanken?

Zu trinken anfangen? Drogen? Nun ja, beides keine Optionen für mich. Ich bin einfach nicht für den Vollrausch geschaffen, das endet nur böse.

Zu meinem Glück gibt es ja noch die Welt der Düfte. Dank ihnen kann ich ferne Länder bereisen, meine Kindheit zurückholen, eigene Geschichten erfinden. Düfte sind Inspiration, Erinnerer, Tröster, Aufmunterer, Vertraute, neue Freunde, Hasslieben, flüchtige Bekanntschaften, alte Lieben, neue Lieben.

Es ist erstaunlich, welche Bilder Düfte hervorrufen können, welche Gefühle. Man fühlt sich plötzlich geborgen, geliebt, fröhlich, melancholisch...alles nur wegen eines Parfums.

Haben wir nicht alle für jede Stimmung und jeden Anlaß den passenden Duft, oder sind auf der Suche danach? Und sind wir nicht alle völlig ausm Häuschen, wenn wir einen verloren geglaubten Duft wiederfinden oder einen völlig neuen für uns entdecken?

Ja gut, viele sind nichts für uns; sie sind allerorts vernehmbar oder überdosiert oder schlichtweg unpassend. Aber wir haben (und hüten) unsere Duftschätze. Die, die wir nur zu ganz besonderen Gelegenheiten aus ihren Flakons befreien. Die, die wir hegen und pflegen und bei denen uns ein Seufzer des Glücks entfährt. Und das Beste: es gibt kaum etwas, das es nicht gibt. Süß, herb, blumig, cremig, animalisch, aphrodisierend, frisch, warm und zeitlos; aber auch abstoßend, kratzig, narkotisierend, erschlagend, nichtssagend.

Auch wenn Parfumo mich durch seine bloße Existenz um einige Euronen erleichtert hat, bin ich doch dankbar und glücklich, denn ohne wären mir einige Duftlieblinge und somit auch schöne Erinnerungen (die ich jederzeit zurückholen kann) für immer verborgen geblieben.