Clerglina

Es ist ein sonniger Herbsttag. Eine Frau – ihr Alter lässt sich nicht genau bestimmen, wirkt sie doch irgendwie zeitlos – sitzt in einem kleinen Bistro neben dem Bahnhof. Auf den ersten Blick wirkt sie hübsch, aber unscheinbar, doch schafft es ihre frische, irgendwie freche, prickelnde Art, einen sofort in ihren Bann zu ziehen. Sie beweist, dass eben nicht die Hülle, sondern das Innere entscheidend ist.

Neben ihr steht einer dieser grossen Reiserucksäcke. Ja, sie hat bereits einiges von der Welt gesehen. Wohin ihre nächste Reise wohl führen wird? New York? London? Hong Kong? Unwahrscheinlich. Diese Synthetik der am Reissbrett entworfenen Grossstädte mag so gar nicht zu ihr passen. Sie hat diese Aura des Abenteuers, vermischt mit einem Hauch Exotik. Irgendwie riecht sie nach der Würze Indiens. Oder Arabiens? Wobei, wenn man sie sich genauer anschaut… Da ist recht wenig von der schwülstigen Süsse, welche man normalerweise vom Orient erwarten würde. Sie wirkt sehr subtil, erinnert irgendwie auch an tiefe Wälder, getaucht in das warme Licht eines Sonnenuntergangs im Herbst. Vielleicht doch eher Lappland? Oder Kanada? In ihren Augen blitzt etwas Tiefgründiges, Mystisches. Vielleicht ist sie auch auf dem Weg, die unerklärten Geheimnisse Machu Picchus zu ergründen.

Ich könnte sie wohl einfach fragen. Denn trotz aller Unergründlichkeit scheint sie eine freundliche, warme Person zu sein. Ich bin noch eine Weile in Gedanken versunken. Als ich wieder zu ihrem Platz hinüberschaue, ist sie weg. Wer sie war, wohin sie ging – es wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.