DuftJunkie

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DuftJunkie vor 13 Jahren 27 9
5
Flakon
7.5
Sillage
10
Haltbarkeit
10
Duft
Erstaunte Verkäuferinnen überall
Profumo, erst einmal Gratulation, dass Du überhaupt so ein ausführliches Kommentar zu diesem JAHRHUNDERTWERK von einem Parfum geschrieben hast. Meine Erfahrungen zu diesem Duft waren Deinen sehr ähnlich. Ich hatte allerdings keine Möglichkeit den Duft zu probieren. Ich hatte von dem Duft in einer Fachzeitschrift (gibt es nicht mehr glaub´ ich) gelesen. Hmm, dachte ich mir. Rauchg, ledrig, leicht holzig (so wurde der Duft beschrieben); das muss ich als Fan von Lapsang Souchong haben. Also zu meiner Stammparfümerie in Köln (Goldkopf) und quasi "blind" bestellt. Als der Duft ein paar Tage später, extra aus Frankreich bestellt, ankam wurde ich informiert. Als ich das gute Stück abholen wollte, eine merkwürdige Reaktion der Verkäuferin: Herr Ö., wir haben das Parfum nur für Sie aus Frankreich bestellt. Sie werden verstehen, dass wir in diesem Fall keine Rückgabe akzeptieren. Dabei machte sie ein schmunzelndes Gesicht und schielte auf den Tester, der gleich mitgeliefert wurde. Dann weiter: solch einen Duft kriegen wir wirklich nicht verkauft.
Ich war einverstanden und wollte bezahlen, als sie mich fragte ob ich nicht mal am Tester probieren wollle. Wahrscheinlich wollte sie mit einer Prise Schadenfreude meine schreckerfüllten Augen sehen. Da dachte ich mir: nun reicht es aber. Die Schadenfreude gönnte ich ihr nicht und wischte ihr eins aus indem ich sagte: "Nicht nötig. Ich weiss wie der Duft ist. Dürfte an ein Lagerfeuer mit glimmender Holzkohle erinnern, wo man die Kühle der Nacht und gleichzeitig die Wärme der Kohle spürt. Und man trinkt dabei einen guten chinesischen Souchong". Sie war erstaunt, wie verschieden Menschen Düfte wahrnehmen können.

Nun aber zum Duft. Zu Hause angekommen, war meine Frau von dem Duft gerade einmal so begeistert, dass sie den dringenden Wunsch hatte, auf den Balkon zu rennen um nach frischer Luft zu schnappen. Kein Wunder; denn sie hatte den Duft zum Testen so versprüht, wie sie es bei ihren frisch-fruchtigen oder aquatischen Alltagsdüften a la Laura oder Cool Water Woman macht, also sehr grosszügig. Meine ersten Erfahrungen waren ganz anders. Ich trug den Duft dezent am Unterarm auf; an der behaarten Seite, nicht am Handgelenk. Pulsierende Stellen brauche ich nicht, wenn ich immer wieder die Nase dahinstecke um die Duftentwicklung zu verfolgen. Ich war erstaunt wie konstant und gemächlich die Entwicklung vonstatten ging. Der Duft offenbart zu Anfang schon sein eigentliches Wesen: ausgefallen, extrem, mit holzig-rauchigem Schwerpunkt und ledrigen Akzenten. Zum Duftverlauf muss man sagen, dass eine Kopfnote fast vollständig fehlt, nur minimal vorhanden ist. Aber auch nicht weiter erforderlich oder gar sinnvoll ist; denn womit soll man Freunde auf ein Lagerfeuer mit Holzkohle einstimmen: mit Zitrusfrüchten (bääh), oder gar mit frischen Früchten (pfui). Nein, aber mit Kräutern wie Lavendel, Salbei oder Muskatellersalbei ginge es. Dann aber auch nur wenig davon. Gerade Lavendel und Muskateller.. haben eine wunderbare Eigenschaft bei Parfumkompositionen:
sie können auch in geringen Dosen den Düften einen Körper, eine Hülle verleihen, ohne selbst weiter aufzufallen. Bei diesem Duft hat man dieser Kombination wahrscheinlich noch eine Nuance Bergamotte hinzugefügt, um eine winzige, luftige Frische zum Auftakt zu garantieren. Und dann noch etwa Ho-Blätter (oder auch Linaloe, Rosenholz), um nachher eine Brücke zu gewährleisten zwischen dem holzigen Gesamtbild und dem Fond aus dem teerartig-ledrigen Etwas (vermutlich eine Base, das auf Wacholder und Birke basiert) mit einer Spur Amber.
Aber dieser Duft hat noch einiges andere zu bieten, wie oben in der Duftnotenzusammenstellung durch Bitterorange, Osmanthus und Nelke angedeutet.
Nämlich diese würzig delikat-blumige Facette ohne aber fruchtig zu wirken.
Sicherlich erreicht durch einen zweiten Kombinationsstrang aus Bitterorange (inklusive Blätter, Neroli und Absolue), womit man auch schon einen Bezug zum anderen Strang per Bergamotte hätte. Desweiteren in diesem Strang Osmanthus als floral-delikate Überleitung zum tatsächlich wahrnehmbaren, fast schon trinkbarem Schwarztee (yummi). Nelke (Gewürz sowie Carnation-Absolue) zum Schluss schafft dann die zweite Brücke (nebst Lavendel, Muskateller etc..) zu der Amber-Spur zu schaffen. Diesmal allerdings über die würzig-florale Schiene.
Amber taucht in der Duftbeschreibung oben, genauso wie Bergamotte, Lavendel und co zwar nicht auf. Dennoch bin ich überzeugt, dass es diese Linalool-Linalylazetat Kombi ist, die in einem sehr subtilen Zusammenspiel mit Amber dem ganzen Duft so etwas wie ein transparentes Kleid verleiht. Eine durchsichtige, aber auf unerklärlich-verlockende Weise, Alles zusammenhaltende Hülle eben.
Und so erhält der Duft ein in sich rundes Gesamtbild und von mir die höchstmögliche Punktzahl, obwohl ich Annick Goutal Düfte, ähnlich wie die meisten Serge Lutens Düfte einfach nicht toll finde. Für mich stellen sie nur zum Teil üppig ausgebaute Basen dar. Ausnahmen bilden vielleicht Sables (Goutal) und Louve bzw. Douce Amere (Lutens).

Meine persönlichen Erfahrungen mit Eau Du Fier waren, was Mitmenschen angeht, bis auf die ersten oben beschriebenen, ebenfalls durchweg positiv. Anekdote:
Als ich eine türkische Festlichkeit besucht habe, trug ich Eau Du Fier auf, weil ich den für mich typischen Diskretionsabstand gewährleisten wollte.
Vielleicht traf aber genau dieses Parfum den türkischen Duft-Nerv wie bei mir.
Ich konnte mich der "Aufmerksamkeit" kaum erwehren.
Ansonsten könnte ich über diesen Duft sagen, dass er besser für kühlere Jahreszeiten und für den Einsatz ab dem späten Nachmittag geeignet ist.
Für Verkäufer, die Kundenkontakt scheuen ideal, aber nichts für karrierebewusste Angestellte (zumindest nicht am Arbeitsplatz). Abends zum Ausgehen sehr schön, vorausgesetzt die Begleitung verträgt sich mit dieser Note, was bei meiner Frau leider nicht der Fall ist :-(.
Aber schlussendlich ist dieser Duft vielleicht die beste Wahl, wenn man abends mit lieben Freunden an einem Lagerfeuer sitzt, der kühle Wind einem um die Ohren bläst und man eine schöne Tasse heissen schwarzen Tee schlürft. Es muss noch nicht einmal der Lapsang Souchong sein. Für Rauchtee-Feelig sorgt schon Eau Du Fier.
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