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Von Parfumo empfohlener Artikel
vor 2 Jahren - 02.04.2022
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Die Macht des Körpergeruchs – Wollen wir sie mit Parfümen verstecken?

Die weitläufige Meinung ist, dass Parfüms verwendet werden, um Sauberkeit, sozialen Status und Persönlichkeit zu signalisieren.[11] Außerdem denken viele, dass Düfte die sexuelle Attraktivität steigern.[7] Die Community, welche auf der Suche nach dem ultimativen Pantydropper ist, lässt grüßen. In europäischen Kulturen gibt es eher eine allgemeine Ablehnung gegenüber den natürlichen Körpergerüchen.[18] So kann ein Parfüm der Angst vor negativen Kommentaren und sozialen Konsequenzen aufgrund des Eigengerucks entgegenwirken.

Wer seinen Körpergeruch maskiert, kann sich indirekt selbstsicherer fühlen. Roberts und Kolleg*innen (2009) haben in einer Studie Männer Deo auftragen lassen. Die eine Hälfte bekam ein Werbedeo, die andere ein Placebo-Deo. Sie sollten dann sich in einem Video einer Person des anderen Geschlechts vorstellen. Da gerät wohl manch einer schon ins Schwitzen. Frauen haben sich diese Videos angeguckt und fanden die Gruppe, die das Werbedeo getragen hat, attraktiver als die Placebogruppe. Higuchi und Kolleg*innen (2005) haben japanische Frauen in einem Interview aufzeichnen lassen und nach der Hälfte der Zeit eine Gruppe ein Parfüm auftragen lassen. Die Videos wurden stumm bewertet und auch hier wurden diese Gruppe als selbstbewusster wahrgenommen, unter anderem weil sie weniger bedeutungslose Bewegungen gezeigt haben. Parfüm kann also Verhalten verringern, welches negative Eindrücke vermitteln könnte. Dabei ist der eigene Körpergeruch so einzigartig wie ein Fingerabdruck.[16] Tatsächlich werden manche synthetische Parfümkomponenten bereits als typisch menschliche Düfte verwechselt.

Der Körpergeruch setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen (s. Table 1). Die Haut reagiert anders als andere Oberflächen auf Duftmittel. Dies könnte an der Körpertemperatur, der Hautstruktur nd dem Talg liegen, die Verdunstungsverlauf einzelner Chemikalien und damit auch deren Wahrnehmung verändern können. In der Achselhöhle finden vermutlich mikrobiell katalysierte Reaktionen statt, die diese Wechselwirkung verursachen.[5] Apokrine, ekkrine und Talgdrüsen treten in den Achselhöhlen häufig in hoher Dichte auf, zusammen mit einer großen Vielfalt an mikrobieller Flora.[10,20] Doch auch die anderen Hautstellen produzieren Körpergerüche, die aus über 100 Komponenten bestehen,[6] wie z.B. Limonene oder Lilial (s. Table 2). Das Vorkommen von Limonene im menschlichen Körpergeruch hängt insbesondere dem Verzehr von Zitrusfrüchten ab.[5] Captain Obvious ist zur Stelle! Der Körpergeruch kommt daher, weil manche unserer Bakterien Terpenoidverbindungen umwandeln.[15] Insbesondere die lipophilen Corynebakterien dominieren die Axillarregion, die überwiegend die im Westen als ekelig wahrgenommene Düfte produzieren.[2, 13] Bei den Füßen sind es wahrscheinlich Carbonsäuren, mit Isovaleriansäure, die wohl für den typischen Fußgeruch verantwortlich ist.[1]

Die Maskierungshypothese besagt, dass Menschen mit Parfümen ihren Körpergeruch verstecken wollen. Das wurde vor allem damit belegt, dass der Mensch in der Lage sei, allein durch den Geruch zwischen den männlichem und weiblichen Geschlecht und den von engsten Angehörigen und Fremden zu unterscheiden.[19] Mit einem Parfüm wird das widerum schwieriger. Werden Parfümtragende deswegen als attraktiver wahrgenommen, weil der Eigengeruch nicht auffällt und sich dadurch sicherer fühlen?

Milinski und Wedekind (2001) sind da anderer Meinung. Sie fanden eine Korrelation zwischen dem MHC-Profil einer Person (major histocompatibility complex, zu deutsch Haupthistokompatibilitätskomplex, das den Körpergeruch beeinflusst) und den für sich selbst (aber nicht für den Partner) bevorzugten Parfüminhaltsstoffen. Menschen würden demnach Parfümformulierungen bevorzugen, die ihren eigenen Körpergeruch ergänzen und verstärken.

Jetzt zu dem eigentlichen Experiment von Lenochová und Kolleg*innen (2012) mit dem Titel „Psychologie der Duftstoffverwendung: Die Wahrnehmung von individuellen Geruchs- und Parfümmischungen deckt einen Mechanismus für idiosynkratische Effekte bei der Auswahl von Düften auf“. Die Studien wurden in Wien und Prag durchgeführt. In der Tschechischen Republik waren Marketing, Werbung und Verfügbarkeit von verschiedenen Konsumgütern, wie auch Parfüms, bis 1989 relativ eingeschränkt. 2003 fanden tscheschiche Sekundarschüler*innen Eigengerüche positiver als als US-amerikanische Universititätsstudierende, was darauf hindeutet, dass einige Besonderheiten bestehen blieben.[8]

Es wurden Geruchsproben für jungen Männern gesammelt und von jungen Frauen bewertet. Für die Geruchsprobe bekamen junge erwachsenen Männer ein weißes Baumwoll-T-Shirt, ein Stück nicht-parfümierte Seife, zwei Wattepads, ein Pflaster und 2 Plastikbeutel mit Zip-Lock. Ein Tag vorher durften sie 1) kein Parfüm, Deo, Aftershave oder Duschgel verwenden, 2) kein Knoblauch, Zwiebel, Chili, Pfeffer, Essig, Blaukäse, Kohl, Rettich, fermentierte Milchprodukte oder marinierten Fisch essen, und 3) nicht rauchen, keinen Alkohol trinken oder andere Drogen nehmem. Darüber hinaus durften sie keine erschöpfenden körperlichen Aktivitäten nachgehen, kein Sex haben, und nicht mit ihrem Partner oder Haustier das Bett teilen. Die Nacht vor der Geruchsprobe sollten sie sich mit der nicht-parfümierten Seife waschen, das 2 mal ohne Waschpulver gewaschene T-Shirt zum Schlafen anziehen. Am nächsten Tag haben sie sich wieder mit der Seife gewaschen und auf eine Achselhöhle Parfüm aufgetragen. In Studie 1 war es B*MenB*Men , in Studie 2 Hoggar (2005) (Eau de Toilette)Hoggar (2005) Eau de Toilette, in Studie 3 ein Parfüm ihrer Wahl, das mit Electric BlueElectric Blue statt dem reinen Körpergeruch verglichen wurde. Dann wurden die Achselhöhlen mit Wattepads beklebt und für 24 Stunden getragen. Daraufhin wurden die Wattepads in die Plastikbeutel verstaut und für das Experiment benutzt. 40 von 340 Proben waren zu schwach, um von den Frauen erkannt zu werden und wurden deswegen ausgeschlossen.

In Studie 1 wurden parfümierte Achselproben im Vergleich zu Körpergeruch als angenehmer und attraktiv befunden. Das Parfüm wirkte unterschiedlich auf die einzelnen Spenderproben. In Studie 2 wurden die parfümierten Achselproben als deutlich attraktiver, angenehmer und intensiver bewertet als unparfümierte Achselproben. In Studie 3 wurde das zugewiesene Parfüms als intensiver gegenüber den eigenen Parfüms wahrgenommen, aber es gab keinen Unterschied in der Annehmlichkeit. Die Geruchsmischungen mit dem eigenen Parfüm wurden attraktiver und angenehmer bewertet als die mit dem zugewiesenen Parfüm. Die Intensität hat sich nicht unterschieden. Studie 1 und 2 zeigen, dass Parfüm angenehmer und attraktiver wird als der pure Körpergeruch. Das Ergebnis der Studie 3 deutet darauf hin, dass Menschen Düfte wählen, um ihren eigenen Geruch zu ergänzen und nicht zu maskieren. Des Weiteren wird von den Autor*innen hingewiesen, dass die Parfümwirkung mit bestimmten Qualitäten des Körpergeruchs variiert. Welche das sind, gelt es noch herauszufinden.

Fazit:

Natürlich können wir mit Parfüm unseren eigenen Körpergeruch überdieseln. Doch es scheint besser zu sein, wenn der Eigengeruch wahrnehmbar bleibt. Die Studie wurde übrigens von der Parfümindustrie gefördert, aber ist doch von staatlichen Universitäten durchgeführt worden. Das Ergebnis überrascht mich nicht. Der entstehende Geruch hat eine neue Qualität, der sich von beiden Bestandteilen wahrnehmbar unterscheidet. Die individuellen Geruchsunterschiede können in der richtigen Dosierung beibehalten bleiben. Jedoch kann die Produktion mancher Duftkomponenten ziemlich verändert oder gar verhindert werden durch verschiedene Substanzen im Parfüm.[1,3]

Konsument*innen beschweren sich häufig darüber, dass ihnen angebotene Parfüms nicht wirklich passen und dass sie bei der Auswahl den Duft auf ihrer eigenen Haut ausprobieren müssen. In Zukunft könnte mittels Duftanalyse des eigenen Körpergeruchs in Kombination mit dem MHC-Profil ein Algorithmus die Duftberatung optimieren. Vielleicht sollte ich auch einfacher weniger Science Fiction lesen.

Ähnliche Ergebnisse wie bei Studie 3 sind auch bei Geruchsproben von Frauen, Intersexuellen, Nicht-Binären und Trans-Menschen zu erwarten, jedoch ist der Achselgeruch von Frauen im Durchschnitt schwächer als der von Männern. Für Menschen jenseits des cis-binären Geschlechtsordnung kann es sich empfehlen Parfüms zu tragen. Ihr Eigengeruch könnte nämlich als männlich oder weiblich eingeordnet werden. Gerade bei maskulineren Menschen ist der Körpergeruch häufig intensiver und ratsamer im Zuge einer Transition sich zu parfümieren, um den Übergang auch olfaktorisch einzuleiten.

Wer seinen Körpergeruch mal testen will, sei empfohlen sich Wattepads unter die Achseln zu kleben. Über die neuen Eintragungen hier würde ich mich freuen. Aber bitte nur mit Fotos! 😄

Literatur: (zu finden über Sci-Hub [Hinweis: dies stellt eine faktische Information, keine Empfehlung zur Urheberrechtsverletzung] oder Google Scholar)

  1. Ara, K., Hama, M., Akiba, S., Koike, K., Okisaka, K., Hagura, T., ... & Tomita, F. (2006). Foot odor due to microbial metabolism and its control. Canadian journal of microbiology, 52(4), 357-364.

  2. Barzantny, H., Brune, I., & Tauch, A. (2012). Molecular basis of human body odour formation: insights deduced from corynebacterial genome sequences. International journal of cAraosmetic science, 34(1), 2-11.

  3. Caroprese, A., Gabbanini, S., Beltramini, C., Lucchi, E., & Valgimigli, L. (2009). HS‐SPME‐GC‐MS analysis of body odor to test the efficacy of foot deodorant formulations. Skin Research and Technology, 15(4), 503-510.

  4. Dormont, L., Bessière, J. M., & Cohuet, A. (2013). Human skin volatiles: a review. Journal of chemical ecology, 39(5), 569-578. [aus diesem Bericht stammen die Tabellen und der entsprechende Absatz.]

  5. Friedman, M. I., Preti, G., Deems, R. O., Friedman, L. S., Munoz, S. J., & Maddrey, W. C. (1994). Limonene in expired lung air of patients with liver disease. Digestive diseases and sciences, 39(8), 1672-1676.

  6. Gallagher, M., Wysocki, C. J., Leyden, J. J., Spielman, A. I., Sun, X., & Preti, G. (2008). Analyses of volatile organic compounds from human skin. British Journal of Dermatology, 159(4), 780-791.

  7. Graham, J. A., & Jouhar, A. (1980). Cosmetics considered in the context of physical attractiveness: a review. International journal of cosmetic science, 2(2), 77-101.

  8. Havlicek, J., Saxton, T. K., Roberts, S. C., Jozifkova, E., Lhota, S., Valentova, J., & Flegr, J. (2008). He sees, she smells? Male and female reports of sensory reliance in mate choice and non-mate choice contexts. Personality and Individual Differences, 45(6), 565-570.

  9. Higuchi, T., Shoji, K., Taguchi, S., & Hatayama, T. (2005). Improvement of nonverbal behaviour in Japanese female perfume‐wearers. International Journal of psychology, 40(2), 90-99.

  10. James, A. G., Hyliands, D., & Johnston, H. (2004). Generation of volatile fatty acids by axillary bacteria 1. International journal of cosmetic science, 26(3), 149-156.

  11. Largey, G. P., & Watson, D. R. (1972). The sociology of odors. American Journal of Sociology, 77(6), 1021-1034.

  12. Lenochová, P., Vohnoutova, P., Roberts, S. C., Oberzaucher, E., Grammer, K., & Havlíček, J. (2012). Psychology of fragrance use: perception of individual odor and perfume blends reveals a mechanism for idiosyncratic effects on fragrance choice. PloS one, 7(3), e33810.

  13. Milinski, M., & Wedekind, C. (2001). Evidence for MHC-correlated perfume preferences in humans. Behavioral Ecology, 12(2), 140-149.

  14. Natsch, A., Derrer, S., Flachsmann, F., & Schmid, J. (2006). A broad diversity of volatile carboxylic acids, released by a bacterial aminoacylase from axilla secretions, as candidate molecules for the determination of human‐body odor type. Chemistry & biodiversity, 3(1), 1-20.

  15. Parshikov, I. A., Netrusov, A. I., & Sutherland, J. B. (2012). Microbial transformation of antimalarial terpenoids. Biotechnology advances, 30(6), 1516-1523.

  16. Penn, D. J., Oberzaucher, E., Grammer, K., Fischer, G., Soini, H. A., Wiesler, D., ... & Brereton, R. G. (2007). Individual and gender fingerprints in human body odour. Journal of the Royal society interface, 4(13), 331-340.

  17. Roberts, S. C., Little, A. C., Lyndon, A., Roberts, J., Havlicek, J., & Wright, R. L. (2009). Manipulation of body odour alters men’s self-confidence and judgements of their visual attractiveness by women. International journal of cosmetic science, 31(1), 47-54.

  18. Schleidt, M., Hold, B., & Attili, G. (1981). A cross-cultural study on the attitude towards personal odors. Journal of Chemical Ecology, 7(1), 19-31.1

  19. Schleidt, M. (1980). Personal odor and nonverbal communication. Ethology and Sociobiology, 1(3), 225-231.

  20. Taylor, D., Daulby, A., Grimshaw, S., James, G., Mercer, J., & Vaziri, S. (2003). Characterization of the microflora of the human axilla. International journal of cosmetic science, 25(3), 137-145.

Aktualisiert am 02.04.2022 - 08:17 Uhr
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