Grossmutter
Grossmutters Blog
vor 11 Tagen - 22.04.2024
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Weil heute (m)ein Gedenktag ist Teil Zwei oder: (M)Ein sehr besonderer Weg in die Welt der Düfte

Kommen wir jetzt zu etwas völlig Anderem (Zitat von den Monty Pythons, eigenwillig humorvoll wie diese Geschichte): Meinem Weg in die Welt der Düfte. Und hier kommt wieder mein alter Vater ins Spiel.

Er interessierte sich für ganz verschiedene Dinge oder Themen. In den frühen 80ern begann er mit einer Parfumflaschensammlung. Die noch vorhandene Familie, bestehend aus meinem Bruder und mir, wunderte sich, aber gut.

Mein Vater hatte zu Beginn sehr strenge Kriterien: Die Flaschen mussten aus Glas sein, möglichst satiniert. Und sie durften keine Etiketten oder Aufdrucke tragen. Das endete zwangsläufig bei den jeweiligen Parfum/Extrait-Fläschchen. Dass er ein bei einigen Damen sehr geschätzter Kunde im besten Haus am Platz war - die Parfümerie L. -  erfuhr ich erst viel später. Da hatte er mich mitgeschleppt, und ich, Anfang 20 und in gefärbten Malerlatzhosen und Fischerhemd, wusste nicht, ob ich im Boden versinken oder die Kinnlade runterklappen lassen sollte...Teppichboden, die Damen in Kostümen, Blumenarrangements, meine Fresse!

Er wurde sehr zuvorkommend und dezent flirtend namentlich begrüßt. Der alte Sack von Womanizer! Im einen oder anderen Fall sei er mit Blumen gekommen. Und immer, IMMER, habe er einen Espresso kredenzt bekommen, wurde mir später erzählt. Dass die in der Zeit so ein Gerät überhaupt schon hatten!
Seine Lieblingsfläschchen (immer Parfum) waren Lauder/Private Collection, ein helixartiger Montana und ein Jil Sander, ein Zylinder auf einem Quader, alles satiniert. Die stehen heute bei mir.

Dann wandte er sich dem breiteren Angebot zu, die Kriterien wurden enorm erweitert, aber immer noch das Extrait. Noch war er im Bereich der zeitgenössischen Flakonentwürfe unterwegs. Und dann ging es für mich los, denn die unveränderliche Bedingung lautete: Die Pullen mussten leer sein! Daher schlug er mir vor, den Inhalt aufzubrauchen. "Anschnallen" nannte er das Aufsprühen. Nach vollständiger Leerung dann bitte zurück. So war z. B. der erste Scherrer dabei, dem ich immer treu geblieben bin. Meine heiße Liebe Magie Noire oder von Balenciaga das Michelle habe ich heute noch in der Nase.

Er kam nicht immer damit durch, Byzance von Rochas war eine Herausforderung, denn Niemand, keine ihm bekannte jüngere oder ältere Frau, ob die Freundinnen meines Bruders oder deren Schwestern oder die jeweils eigene Freundin war bereit, das Zeug zu benutzen, das so opulent war wie der Flakon. Daher nannte er ihn den Wanderpokal, das Teil war immer auf der Reise, ohne leer zu werden.

Später suchte er alte Flakons, auf Flohmärkten, beim Trödler, beim Antiquitätenhändler. Und baute zwei Wandregale mit Hintergrundbeleuchtung. Da war ich nur noch zur Besichtigung dabei.
Aber wir waren mehrfach zusammen in besagter Parfümerie, um für Jemanden gemeinsam etwas auszusuchen. Oder ich wollte ihm dort unbedingt den Kandidaten für mein in Aussicht gestelltes Geburtstagsgeschenk vorführen: Must de Cartier, aber das Parfum in schwarz-gold, nicht das EdT. Hat er dann für gut befunden.

So konnte ich ein Sujet kennen-und lieben lernen, auf das ich nie verzichten möchte. Meine Mutter war hier als Anbahnerin leider nicht so geeignet, sie trug am liebsten Mitsouko....

Ich glaube, dass er angesichts der aktuellen Vielfältigkeit und (subjektiv empfundenen) Schönheit der heutigen Flakons einen Bankraub in Erwägung hätte ziehen müssen. Viel Geld hatte er nicht, ich auch nicht. Erwähnen möchte ich noch, was mein Vater gerne trug: Ich erinnere mich an Lanvin for Man. Lange Zeit Aramis und zuletzt Heritage. Auch an diese schönen Düfte erinnere ich mich....

Danke, Väterchen         

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