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vor 10 Jahren - 19.10.2014
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Denk daran: Ich bin ein Mann

Vorsicht, Mathematik: Wenn ich ein Parfum besitze, dann unterstreiche ich meine Individualität. Wenn ich eine ganze Parfumsammlung besitze, verliere ich dann Individualität?

Es ist ganz und gar bemerkenswert, was sich in den letzten Wochen in meinem Badezimmerschränkchen getan hat: Aus einem einsamen, aus Nostalgiegründen gekauften Hugo-Fläschchen ist eine Großfamilie geworden. Und daran seid auch Ihr schuld! Jawohl, Du, und Du, und Du ganz besonders!

Den Anfang, den kleinen Bruder von Hugo sozusagen, machte mit Body Kouros ein Duft, in den ich in meiner Jugendzeit regelrecht vernarrt war. In den gängigen Parfümerien bekommt man ihn nicht mehr, aber ich wollte wissen, was aus ihm geworden ist – und so bin ich hier gelandet. Und wo man sich wohlfühlt, da bleibt man gerne etwas länger.

Das hatte Folgen – für meinen Geldbeutel, und für das erwähnte Badezimmerschränkchen. Es verändert aber auch meinen Blick auf Düfte im Allgemeinen, und auf meinen Bezug zu ihnen. Die Geschichte mit dem Signaturduft wird nicht einfacher, wenn ich jeden Morgen zwanzig Flakons zur Auswahl habe. Eine ordentliche Portion Individualität ist damit passé, weil es eben nicht mehr den einen Duft gibt, der mich ausmacht.

Und mehr noch: Von den ganz exklusiven Parfums bin ich noch ein ordentliches Stück weit entfernt. Je mehr ich mich in Kritiken einlese, desto mehr merke ich, dass sich meine Sammlung, die Wunsch- und Einkaufsliste in Richtung Mainstream orientieren: Ich bin auf der Suche nach der Sicherheit, nichts zu wagen, was ich bereue. Also stapelt sich in meiner Einkaufsliste vor allem das, was sich bei anderen schon bewährt zu haben scheint.

Und ähnlich sieht auch die Schatzkiste aus, in der ich alles sammle, was ich schon besitze: Bei der Auswahl orientiere ich mich im Moment nicht so sehr daran, wonach mir die Nase heute steht, sondern auch danach, was common sense ist, also aufgrund der Erfahrung anderer Sinn macht: Chrome Azzaro ist ein Sommerduft, der geht im Winter nicht. Aber warum nicht, wenn ich ihn gerade wahnsinnig gerne an mir wahrnehmen würde? 1 Million ist hierzulande bzw. hierzunetze der Inbegriff von Synthetik und Verdüftelung billigen Aufreißertums – und ich hatte gestern fast ein bisschen ein schlechtes Gefühl dabei, ihn auszuwählen – dabei stand mir einfach der Sinn danach.

Nein, sage ich da, die Freude an meiner Sammlung lasse ich mir nicht kaputt machen, indem ich mich Konventionen anpasse. Eine wachsende Sammlung sorgt eben doch für Individualität: Ich kann auswählen, wie ich mich heute fühle. Ich habe keine Lust, das ganze Jahr über eindimensional zu sein, weil ich ständig nach grünem Apfel und Minze dufte. Aber wenn ich mal Lust habe, eindimensional zu sein, dann kann ich das auch. Manchmal will ich eben King Porno sein, ich bin schließlich ein Mann. Und Männer pfeifen auf Konventionen – wenn es grade mal passt. Ein bisschen Stromberg steckt schließlich in uns allen.

Also: Danke, dass es Euch alle gibt. Ihr helft mir, meinen Geldbeutel zu leeren, mehr zu wollen, als ich haben kann, und dank Euch fühle ich mich nicht ganz so durchgeknallt, weil ich ein Hobby habe, für das mich die selben Leute für verrückt halten, die dann im nächsten Moment doch ganz gerne verstohlen ihren Riechkolben in meine Richtung strecken. Die kleine Hemmschwelle, mit 1 Million vorsichtig umzugehen, nehme ich dafür gerne in Kauf.

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