Ronin
Faits Divers. Wasserstandsmeldungen.
vor 12 Jahren - 10.04.2012
16 10

Die Verwendung von Calone in maritimen Düften

Dieser Blogeintrag basiert auf einer Antwort zum Thema „Aquatische Noten - wie entstehen sie?“ im „Sonstiges über Parfum“-Forum. Auf die Bitte, den Beitrag doch im Blog zu veröffentlichen, gehe ich gerne ein. Zwar wollte/sollte ich den Blog mit einem anderen Artikel starten, aber hier musste ich nur noch ein wenig korrigieren und ergänzen, um einen Artikel vervollständigen zu können.

Wenn auf Parfumo maritime oder aquatische Noten in Parfums entdeckt werden, wird sofort das Molekül Calone dafür verantwortlich gemacht. In der Regel stimmt dies auch, allerdings nicht als Einzelkomponente, sondern in maritimen Akkorden zusammen mit anderen Molekülen. Calone hat den Trend der maritimen Düfte mit möglich gemacht, es wurde aber immer von anderen Komponenten begleitet, um einen leidlich natürlich nach Meeresbrise riechenden Akkord zu erschaffen.

Calone wurde 1966 vom Pharmakonzern Pfizer patentiert, fand allerdings im Pharmabereich nie Anwendung. Aufgrund seines fremdartigen Geruchs wurde die Substanz weitergegeben an Camilli, Albert & Laloue in Grasse, die Pfizer zwei Jahre zuvor gekauft hatte. Sie tauften das Molekül auf den Namen Calone nach den Initialen ihrer Firma. Verwendung in Parfums fand es allerdings erst, als es patentfrei war (20 Jahre). Calone für sich weist schon die charakteristische Note einer Meeresbrise mit blumigen Nuancen auf. Ein sehr frischer Duft, der auch ganz leicht fruchtig nach (Honig-)Melone riecht. Luca Turin beschrieb ihn einmal poetischer als „auf halbem Wege zwischen einem Apfel und dem Messer, was ihn zerteilt …“. An Calone gewöhnt man sich nicht in der Art, dass die Wahrnehmungsschwelle ansteigt („Abstumpfen“). Im Gegenteil: Das Wiedererkennen überwiegt, d.h. wir erkennen ihn immer deutlicher in immer geringeren Konzentrationen, je öfter wir ihn riechen. Das ist einer der Gründe, warum viele Calone als Gipfel der Penetranz hassen (ein anderer Grund ist natürlich die Popularität und die großzügige Verwendung: „frisch und leicht – gerne etwas mehr“). Folglich wurde über die Jahre auch die Calone-Konzentration in neu entwickelten maritimen Düften heruntergedimmt.

So gut wie immer wird es ergänzt durch Helional (=Tropional). Für sich riecht letzteres eher nach Heu, leicht süßlich. In Kombination mit Calone allerdings wird der Heugeruch verschoben in Richtung frisch gemähten Grases. Helional steuert eine deutliche Ozonnote dem maritimen Akkord hinzu, erst mit diesem Ozon wird der Akkord leidlich komplett.

In Aramis "New West for Her" (1990) wurden 1,2 % Calone mit 7,5 % Helional kombiniert. In "Escape for her" (1991) sind 0,8 % % Calone und 3,7 % Helional.

Spannender wurde der maritime Akkord durch Zusatz von Melonal, was dem Grundakkord um eine Wassermelonennote ergänzt. Beispiele: "L’Eau d’Issey" in der Damenversion von 1993 (0,6 % Calone, 2 % Helional, 0,02 % Melonal) und der Herrenversion von 1994 (0,4 % Calone, 13 % Helional, 0,4 % Melonal). "L'Eau d'Issey pour Homme" enthält also ungewöhnlich wenig Calone im Verhältnis zu Helional (1:32 im Vergleich zu "New West for Her" mit ca. 1:6) und tatsächlich: Ich zumindest empfinde den Duft als nicht so aufdringlich wie so manch anderes maritmes Gebräu.

"Cool Water Woman" (1996) enthält 0,4 % Calone, 4,3 % Helional, 0,02 % Melonal und 0,07 % Floralozon, was die ozonartigen Aspekte betont. Für "Allure" (1996) wurde auf Calone verzichtet, 2 % Helional und 0,05 % Floralozon geben die ozonige Note. Die Kombination Helional/Calone muss übrigens nicht unbedingt penetrant sein: Patricia de Nicolaï verwendet es sehr feinfühlig und gekonnt in "Week-End à Deauville".

 Gerne genommen zur Ergänzung maritimer Akkorde wird noch Florhydral (frisch, marin, ozonartig) und Lilial (frisch, leicht grün, Seerose).

Im Jahre 2005 lancierte Givaudan den Akkord Ultrazur, eine „einzigartige Basisnote mit kräftigem, marinem, Melonen- und Gurkenduft“. In der Marketingabteilung scheint folgender Text entstanden zu sein. „Ultrazur is inspired by a visit to the islands of the Indian Ocean. Reminiscent of walking on the beach, this high impact and substantive Speciality base features an accord of clean ozonic air fused with sun dried tropical woods enhanced by a Givaudan captive.” Möglicherweise hat für "He Wood Ocean Wet Wood" diese Basismischung Verwendung gefunden.

Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass "Cool Water" (1988), was ja den Massentrend maritimer Düfte ins Rollen gebracht hatte, der erste calonegeprägte Duft wäre. Dem ist nicht so: hier kam recht großzügig das hesperidische, blumige und frische Dihydromyrcenol zum Einsatz. Erst ein Jahr später stand Calone den Parfumeuren zur Verfügung.

 

(Quellen:
P. Kraft, J. A. Bajgrowicz, C. Denis. G. Fráter, Angew. Chem. 2000, 112, 3106-3138.
C. Burr, The Emperor of Scent, Random House, New York, 2004, S. 190.
http://www.nzzfolio.ch/www/d80bd71b-b264-4db4-afd0-277884b93470/showarticle/a59b2cb6-e614-4878-9cad-73e6de34d9f8.aspx
http://www.perfumersapprentice.com
http://givaudan.com/)

 

16 Antworten