Sleppy94
Sleppy94s Blog
vor 3 Jahren - 24.05.2021
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Mein Duftfriedhof

   Ich habe Parfums schon immer geliebt. Dies wurde mir im Alter von sechs Jahren klar als meine Eltern als Souvenir für unseren Ägyptenurlaub einen wunderschönen klitzekleinen türkisen Flakon mit Goldverzierungen aussuchten, der mit einfach himmlisch duftendem Öl gefüllt war. Immer wieder schlich ich mich in deren Schlafzimmer, um immer wieder daran zu riechen. Leider ging der schöne Duft bald alle. Meine Traurigkeit darüber wurde mit einem absolut ätzend duftendem Flakon "Cinderella"-Parfum zum Geburtstag beantwortet. Den versuchte ich dann schnell aufzubrauchen indem ich alle Räume damit vollsprühte, wenn niemand zu Hause war. Einatmen wollte ich das Ganze aber nicht, also stoßlüftete ich daraufhin immer die Wohnung. Ich weiß, das klingt nicht sehr logisch, aber wenn man kein eigenes Geld hat, beschwert man sich nicht über die Geschenke, die man bekommt.

   Den Sommer nach meinem Abi arbeitete ich dann im örtlichen Edeka und konnte mir endlich die Parfums leisten an denen ich jahrelang in jedem Douglas und Duty-Free kleben geblieben bin. Darunter waren einige Enttäuschungen: Der Miss Dior war inzwischen kein Chérie mehr, statt Mon Jasmin L'eau Exquise hab ich leider Mon Jasmin bestellt, weil das Foto im Online-Shop grün aussah und Hugo Boss Orange stellte sich im Drydown als etwas für meine Nase Unerträgliches heraus. Einen Lichtblick gab es jedoch. Das Parfum, das ich eigentlich am meisten wollte. Chloé Eau de Parfum. Ein leichter und doch eleganter Duft ohne Synthetik und übermäßige Süße. Er erschien mir am ehesten zu der Art von Frau zu passen, die ich sein wollte. 

   Jetzt hatte ich jedoch diese ganzen Fehlkäufe, bei denen ich mir erst nach einer ganzen Weile eingestehen konnte, dass sie Fehlkäufe waren. Der Anblick dieser Parfums erweckte in mir eine ganze Reihe schlechter Gefühle. Sie schienen zu schreien: "Geldverschwenderin!" Da ich eigentlich sehr sparsam mit meinem Geld umgehe und insgesamt schnell Kopfschmerzen habe, wann immer ich einen Haufen von Dingen sehe, die es auf- bzw. auszuräumen gilt, heißt das schon was. Über den Parfumo-Souk wusste ich damals noch nichts. Jemand anderem in meiner Familie die Düfte anzubieten ist auch keine Option, weil meine Oma und Mutter selbst staubige Flakons haben, die ihnen geschenkt worden sind, die sie jedoch kaum tragen. Ganz im Stil der Gründungsgeschichte von Estée Lauder haben meine Oma und Mutter die Philosophie, dass man sich über Geschenke nicht beschweren darf, was jedoch die Konsequenz der täglichen Selbstbestrafung mit einem Duft, den man eigentlich überhaupt nicht gern einatmet, zur Folge hat. 

   Daher erschien meine einzige Option zu sein, die Düfte nacheinander aufzubrauchen. Den, den ich am wenigsten mochte trug ich natürlich am häufigsten und am stärksten auf (um ihn schnell aufzubrauchen), während mein geliebter Chloé nur sehr selten und eher sparsam genutzt wurde. 

   Inzwischen hatte die Corona-Pandemie ihr einjähriges Jubiläum in Deutschland. Die Phase in der es noch Spaß machte zu Hause rumzuliegen, Netflix zu schauen und niemanden treffen zu müssen ist LÄNGST vorbei. Restaurants, Reisen und neue Eindrücke, die nicht nur visuell über flimmernde Rechtecke übertragen werden, fehlen mir mehr und mehr. Meine Passion fürs Kochen komplizierter Jamie-Oliver-Gerichte hat sich inzwischen (auf meine Hüften) gelegt und ist in ein Interesse für Parfums, ihre Geschichte und ihre Vielfalt übergegangen. Auf eBay-Auktionen habe ich so einige Vintage-Miniaturen ergattert und inzwischen eine Vorstellung von der Entwicklung der Geschmäcker über die Jahrzehnte des letzten Jahrhunderts. EInige der Klassiker der letzten 30 Jahre sind inzwischen in voller Größe bei mir eingezogen und ich bin voll dabei, wenn es auf der Seite hier um den Kauf und Verkauf von Abfüllungen geht. 

   Aber was ist mit meinem sogenannten Signature? Nachdem ich ein Tutorial auf YouTube gefunden habe, um den Metallteil wieder zum Glänzen zu bringen, entschied ich mich ihn zu Hause zu tragen. Der ewige Lockdown verleitet einen dazu sich was gönnen zu wollen und weitere essbare Treats hält meine Figur nicht mehr aus. Ich trug ihn und trug ihn. Irgendetwas störte mich. Eine bisher unentdeckte Komponente? Früher war dieses etwas aber nicht vorhanden. Da verstand ich es: Der Duft ist schlecht geworden!!! Der Geruch alter Rosen, die in den Mülleimer gehören war das Etwas, das mich neuerdings störte. Zum Einen sprach dies für die Natürlichkeit des Parfum, was etwas Gutes ist, aber herzzerreißend ist es trotzdem. Mein jahrelang auf einem Podest gehaltener Duft für besondere Momente ist sinnlos gestorben. Einen halben 75-Milliliter-Flakon musste ich in das Gefäß mit Duftstäbchen raussprühen, um ihn doch noch irgendwie genießen zu können. Etwas Verdorbenes auf meiner Haut zu riechen, kann ich nicht aushalten. 

   All dies hat mir zu denken gegeben. Mein gesamter Umgang mit Parfums und materiellen Gütern brauchte ein Update. YOLO und das Motto der Minimalist_innen kam mir in den Kopf. Diese bevorzugen es nur ihre wahren Lieblingsdinge zu behalten und jeden Tag zu benutzen. Carpe Diem! Wer weiß wie viele Tage uns mit unserem Lieblingsduft vergönnt bleiben? Da gibt es keinen Grund diese Tage an ungeliebte Düfte zu verschwenden. Sollte ich vielleicht nur einen Duft besitzen und ihn jeden Tag in voller Frische genießen? Nein, da besteht die Gefahr ihn nach einer gewissen Zeit überhaupt nicht mehr wahrzunehmen. Außerdem kann ich im Sommer nur frische Düfte genießen, welche im Winter für mich nicht funktionieren. Und Abwechslung mag ich natürlich auch.

   Mein Fazit war, dass ich nur 10 Flakons auf einmal besitzen kann und diese müssen aus möglichst verschiedenen Ecken kommen und für verschiedene Jahreszeiten sein. Das Gefühl einen besonders schönen Duft nicht leer machen zu wollen habe ich immer noch, aber ich habe da eine Lösung für mich gefunden. Ich habe einen Duftfriedhof! Auf diese Idee haben mich die kleinen Glaszerstäuber für Abfüllungen gebracht. Von jedem meiner Düfte fülle ich ein Fläschchen für mein zukünftiges Ich ab. Falls er dann irgendwann nicht mehr produziert oder stark umformuliert wird (eine Tatsache der Parfümwelt, die mich nachts nicht schlafen lässt), kann ich doch noch an ihm riechen, als ob ich ihn nie leer gemacht habe. Und das Gegenwarts-Ich kann so ihre Düfte maximal genießen ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Auf diesem Friedhof liegen auch Düfte meiner Familienmitglieder, die ich sehr schön finde, aber nicht selbst tragen kann, weil sie in meinem Kopf assoziativ von diesen Menschen besetzt sind. 

Jetzt würde ich gerne von euch wissen: Habt ihr Düfte, die ihr zu schön findet, um sie "einfach so" zu tragen? Kümmert ihr euch irgendwie darum einen Duft aufzubrauchen, bevor er schlecht wird? Was macht ihr mit geschenkten oder fehlgekauften Düften? Habt ihr sonst irgendwelche inneren Schranken, die euch daran hindern einen Duft voll und ganz nach Lust und Laune zu tragen? Ich freu mich auf eure Kommentare!!!

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